piwik no script img

Neubesetzung in KarlsruheFDP für Paulus als Verfassungsrichter

Der Göttinger Völkerrechtler Paulus soll Richter am Verfassungsgericht werden. Das möchte die FDP, die das Vorschlagsrecht hat. Paulus vertrat Deutschland im Hinrichtungs-Fall LaGrand.

Der Präsident geht, ein neuer Richter kommt: das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Bild: dpa

BERLIN dpa | Der Göttinger Völkerrechtsprofessor Andreas Paulus soll nach dem Willen der FDP neuer Richter am Bundesverfassungsgericht werden. Darauf verständigte sich die FDP nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa. Die Freidemokraten haben das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Stelle des scheidenden Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papier. Der 41 Jahre alte Paulus hat seit 2006 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Georg-August-Universität in Göttingen inne. Er gilt als Spezialist für Völkerrecht.

Weil Papier nicht nur Richter, sondern auch Präsident des höchsten deutschen Gerichtes und Vorsitzender des Ersten Senates ist, müssen drei Posten neu besetzt werden. Union und FDP hatten sich darüber verständigt, dass die FDP den Kandidaten für das Richteramt nominieren kann.

Über die Nachfolge Papiers in allen drei Funktionen wird am 5. März entschieden. Darauf habe sich der Richter-Wahlausschuss des Bundestages geeinigt, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Wolfgang Neskovic (Linke) in Berlin. Die Amtszeit des 66 Jahre alten Präsidenten endet nach zwölf Jahren offiziell am 28. Februar. Mit der Entscheidung für eine Richterwahl am Freitag in einer Woche kann Papier am Dienstag nächster Woche noch das Grundsatzurteil zur Massenspeicherung von Telefon- und E-Mail-Verbindungsdaten - der Vorratsdatenspeicherung - verkünden.

Da Union und SPD im Wechsel die Spitze des höchsten deutschen Gerichts besetzen, gilt es als so gut wie sicher, dass auf Unions-Kandidat Papier dessen Vize Andreas Voßkuhle folgt. Für das Amt des Vizepräsidenten und Vorsitzenden des Ersten Senates, das auf Unionsvorschlag besetzt wird, dürfte der Tübinger Professor Ferdinand Kirchhof die besten Chancen haben. Aber auch dessen Kollege Wilhelm Schluckebier ist dem Vernehmen nach noch nicht aus dem Rennen.

Neskovic wiederholte seine Forderung nach einer öffentlichen Debatte über die Kandidaten für das Verfassungsgericht. "Die Wahl darf nicht als "geheime Kommandosache" gesehen werden." Die Richter sprächen "Recht im Namen des Volkes, deswegen muss das Volk auch wissen, wer über sie zu Gericht sitzt", sagte der frühere Richter am Bundesgerichtshof. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke, habe zugesagt, dass sich jedes Mitglied des Ausschusses vor der Wahl persönlich ein Bild des Kandidaten machen könne. So gebe es immerhin eine bisher nicht vorhandene Entscheidungsgrundlage.

Paulus studierte in Göttingen, Genf, München und Harvard. Im Juni 2000 promovierte er in München. Sechs Jahre später folgte dort die Habilitation. Die noch unveröffentlichte Habilitationsschrift trägt den Titel "Parlament und Streitkräfteeinsatz in rechtshistorischer und rechtsvergleichender Perspektive". Paulus vertrat Deutschland im Rechtsstreit mit den USA im Fall LaGrand. Die deutschen Brüder Karl und Walter LaGrand waren 1999 wegen Raubmordes im US-Bundesstaat Arizona hingerichtet worden. Ihnen war keine konsularische Betreuung ermöglicht worden, wogegen Deutschland protestiert hatte.

Der Wahlausschuss des Bundestages besteht aus zwölf Abgeordneten. Das Gremium wählt die Hälfte der Richter jedes Senats des Verfassungsgerichts. Die andere Hälfte wird vom Bundesrat gewählt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • S
    Sebastian

    Natürlich ist es schwer, sich vorzustellen, wer die Richter wählen sollte, wenn nicht das Parlament (wobei man sich fragen könnte, ob man nicht dort eine - evtl. geheime - Abstimmung im Plenum fordern könnte). Der Einzige, der direktdemokratischer tätig werden könnte, wäre das Volk. Dann aber würden dieses Richteramt gänzlich politisch umkämpft werden. Eher ein Rückschritt.

     

    Gegen die Einflussnahme sind die Richter wohl auch einerseits durch die richterliche Unabhängigkeit abgesichert, zum anderen dadurch, dass es auch keine Möglichkeit gibt, Wiedergewählt zu werden. Man hat mit dem Amt des Bundesverfassungsrichters quasi "alles erreicht" und niemand kann einem einen Strick daraus drehen, wie man entscheidet. Das fördert die Unabhängigkeit und die kritische Arbeit an vorgelegten Klagen.

     

    Das ist sicher auch wunderbar an der Rechtsprechung des 1. Senats etwa zum Luftsicherheitsgesetz zu sehen. Immerhin haben da auch 4 "CDU/CSU-Richter" mitgewirkt.

  • V
    vic

    Das stinkt doch zum Himmel.

    Wieso kann das Bundesverfassungsgericht nicht überparteilich und unabhängig besetzt werden.

    Diese Institution ist zu wichtig um sie für Parteiinteressen zu instrumentalisieren.

    Das bedeutet nichts anderes als:

    Sebst hier, in der letzten Instanz, überwacht der Hund die Wurst.

  • G
    Gerberding

    Bin kein Fachmann, aber wer sollte sonst darüber bestimmen, als die von uns gewählte Legislative?

    Art. 94 und 95 GG regeln das Procedere. Kann jeder selbst nachlesen.

  • J
    jimmygjan

    @ Eric Jornsten

     

    Ich möchte Sie beruhigen. Rechtsgrundlage für die Wahl der Verfassungsrichter ist das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Anbei mal einen Link, unter dem Sie das alles nachlesen könne.

     

    http://www.gesetze-im-internet.de/bverfgg/BJNR002430951.html#BJNR002430951BJNG000102305

     

    Seit bestehen der Bundesrepublik ist in dieser Art verfahren worden und Deutschland ist nach weitgehender Meinug damit gut verfahren.

     

    Das Vorschlagsrecht der Parteien, wer zum Verfassungsrichter gewählt werden soll, ist nach stillschweigender Übereinkunft aller Parteien im Wechsel der Parteien gegeben.

     

    Jetzt sollte man meinen, wenn dann CDU / CSU einen Richter vorschlägt, oder die SPD, Grüne, FDP oder welche Partei auch immer, dass dann dieser Richter mit seinen Entscheidung auch die Parteimeinung vertritt, der Partei, welche den Richter zur Wahl vorgeschlagen hat.

     

    Weit gefehlt! Wenn Sie sich einmal die Mühe machen und sich die Geschichte der BVerfG anzusehen, werden Sie feststellen, dass in fast allen Entscheidungen die Verfassungsrichter in Ihren Entscheidungen frei und souverän sind, unabhängig davon, welcher Partei die Richter Ihre Ernennung zu verdanken haben.

     

    Schon manche Partei hat darauf vertraut, dass die Verfassungsrichter schon im Sinne der jeweiligen politischen Partei ihr Urteil treffen. Bisher ist das für diese politische Partei immer "schief" gegangen! Die Richter haben immer dann anders entschieden.

     

    Nehmen Sie die jüngste Entscheidungen zu den Hartz IV Gesetzen. Der Präsident des BVerfG und Vorsitzenden des 1. Senates, Herr Prof. Papier, ist aufgrund des Vorschlagsrechts der CDU/CSU zum Verfassungsrichter ernannt worden.

    Trotzdem hat er der jetzigen Bundesregierung die Hartz IV - Gesetze "um die Ohren" gehauen!

  • C
    Carl

    Wer soll denn die obersten Richter sonst ernennen? Die (bereits amtierenden) Richter selber? Da würde dann die demokratische Legitimation völlig fehlen.

  • E
    egal

    Wer solls denn sonst tun?

     

    Die Richter selber entscheiden lassen, wäre sicherlich sehr unklug; dass die Regierung darüber entscheidend, ebenfalls. Bleibt also auch nur noch eine Gewalt der drei Gewalten im Staate.

  • EJ
    Eric Jornsten

    Wenn man das so liest, gruselt es einen schon ein wenig.

     

    Anbei frage ich mich (und wäre da dankbar über antwort eines "Fachmannes") wieso denn die Politik Richter "bestellen" kann/darf?

    Wie verhält sich das denn zu und mit unserer Gewaltenteilung?