Neuauflage von Bob Geldofs Band Aid: Kein Schnee zu Weihnachten
Popstar Bob Geldof und seine Prominenten-Entourage dürstet es nach einem Charitysong, der Ebola lindern soll. Afrikaner können darauf verzichten.
Hilfe in der Not ist ein alter Charity-Hut: Unter Federführung des Popsängers Bob Geldof entstand im November 1984 der Prominentensong „Do they know it’s Christmas?“, um Geld für die Opfer einer Hungersnot in Äthiopien zu sammeln, trommelte der Ire die Stars jener Zeit zusammen.
Ihr Werk wurde zum Smashhit, der allein in Großbritannien 43 Wochen in den Charts platziert blieb, 12 Millionen Einheiten verkaufte und einen Umsatz von etwa 62 Millionen Euro generierte. Allein, das Projekt schaffte es nicht, Hilfsgüter an die betroffene Bevölkerung zu liefern. Die Gelder versickerten irgendwo bei den Truppen des äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam, der die Hungersnot mitverursacht hatte.
Kritik setzte es auch bezüglich des Songtexts. Für einen heterogenen Kontinent mit 54 Ländern, dem Atlasgebirge, weitläufigen Flussdeltas und großen Seen klingen Sätze wie „An Weihnachten fällt kein Schnee“ bestenfalls komisch. Wenn es im Refrain heißt, „Wissen die überhaupt, dass Weihnachten ist?“ kommt das einer Beleidigung gleich.
Mehr als 40 Prozent aller Äthiopier sind christlich-orthodox, eine Glaubensrichtung, die ältere Wurzeln hat, als die katholische Kirche, ein Drittel sind Muslime. Bob Geldof verknüpfte den erneuten Ausbruch der Ebola-Seuche in Westafrika und das 30-jährige Jubiläum von Band Aid, um den Song, nach 1989 und 2004, zum vierten Mal in einer neuen Version zu veröffentlichen. Außer U-2-Messias Bono Vox singen 2014 etwa Emeli Sandé und die Musiker der Kuschelrockband Coldplay.
Bar jeder Realität
Auch diesmal ist ihr Songtext bar jeder Realität: Über 50 Prozent der von Ebola bedrohten Bevölkerung in Sierra Leone und Guinea sind gar keine Christen, und die, die es sind, vor allem in Liberia, sind oft gläubiger als der europäische Durchschnittschrist. Erneut lässt Band Aid in seinem Songtext also ein bewusst schiefes, archaisches Bild auferstehen, um Spenden zu sammeln. Als wäre die Ebola-Seuche nicht schon Katastrophe genug.
Doch die Zeiten ändern sich. Beim Debütsong 1984 gab es nur Gerüchte über einen Boykott des US-R&B-Stars Stevie Wonder. Heute, in der zweiten Amtszeit der Regierung von US-Präsident Barack Obama, werden die Stimmen von Menschen mit afrikanischen Hintergrund lauter, und sie verschaffen sich auch besser Gehör.
Beißender Spott und kritische Kommentare aus Afrika sind derzeit bei al-Dschasira (//:hier und hier), im britischen Boulevardblatt Daily Mail oder bei der angesehenen Tageszeitung Guardian zu vernehmen. Dort fragt etwa die Autorin Bim Adewumi, wie es sein kann, „dass 30 Jahre nach dem ersten Aufguss, Stars ein Lied wieder singen, das jene dehumanisiert, denen geholfen werden soll?“
Billig und verletzend nennt sie es, wie Bono einst sang: „Lasst uns Gott heute Abend danken, dass es sie trifft und nicht uns.“ Wenigstens dies hat man im Update geändert. Fuse ODG, ein aus Ghana abstammender Musiker, lehnte die Einladung Geldofs trotzdem dankend ab. Begründung: Dessen Schockfaktorstrategie klinge nach achtziger Jahre und sei unverantwortlich. „Sicherlich kamen einst Spenden zustande, aber viel mehr als eine Business-Investition blieb davon nicht übrig“, urteilte er im Guardian.
Die Worldbank ließ mitteilen, dass eine lebenswichtige Entwicklungshilfe ohne den Band-Aid-Medienrummel vor sich geht. Familienangehörige von Ebola-Infizierten, die in der Diaspora leben, schicken Woche für Woche Geld. Private Selbsthilfe aus westlichen Ländern, in denen viele Afrikaner immer noch nicht willkommen geheißen werden.
Zahlt Bono Steuern?
Was für ein Kontrast zu Bono Vox und seinen Auslandskonten oder einem Sir Bob Geldof, dessen Vermögen auf 40 Millionen Euro beziffert wird. Sicher, in einigen afrikanischen Ländern blüht die Korruption. Wenn alte Stereotype daher aufgerissen werden, damit sich saturierte Popstars mit afrikanischen Missionsfedern schmücken können, dann darf man auch vom Kolonialismus, Neokolonialismus und rassistischer Bevormundung nicht schweigen. Denn es scheint so, als spreche dieser Band-Aid-Spendenaufruf nur jene an, die Weihnachten feiern.
Ganz Europa wird hier als christlicher Kontinent markiert, wenn Geldof verlangt, „alle sollen den Song kaufen“. Wer es weniger anrüchig haben möchte, wendet sich direkt an Ärzte ohne Grenzen. Denn medizinische Nothilfe ist dringend erwünscht, nicht aber eine Missrepräsentation auf dem Rücken Afrikas, zweifelhafte NGO-Betreuung oder ein Charitysong, dessen Gutmenschentum auch korrupte Züge trägt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands