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NetzkunstKünstlerinnen und die „Virtual Normality“

„Es ist an sich schon Aktivismus, als Frau einfach zu existieren, sich in die Öffentlichkeit zu stellen und sich nicht dafür zu schämen, wer du bist und worum es dir geht.“ Die Worte von Molly Soda auf der Wand des Museums für bildende Künste sind auch das Motto ihrer Arbeit. In ihren YouTube-Videos erfüllt sie bewusst nicht die Erwartungen, die in den sozialen Medien an Frauen gestellt werden. Sie zeigt sich ungeschminkt, mit behaarten Beinen, apathisch ins Smartphone glotzend.

Soda sitzt vor ihrer Webcam, räkelt sich auf dem Schreibtischstuhl zu einem Selena-Gomez-Song. Das Musikvideo läuft parallel in einem weiteren Browserfenster. „I just wanna look good for you“, singt Gomez. Fast verzweifelt versucht Soda ihre Bewegungen zu imitieren, übertreibt es aber, wirkt lächerlich – während Männerhände über die beiden Bildschirme und Gesichter der Frauen huschen, wischen, tippen. Anstatt idealisierter Selbst­inszenierung zeigt die Internetkünstlerin aus Brooklyn ungewohnte Ehrlichkeit. Da tut das Zusehen beinahe weh.

Diese Wirkung erreichen auch andere Werke der Ausstellung „Virtual Normality“, die elf sogenannte Netzkünstlerinnen zeigt. In den sozialen Medien haben sie sich längst einen Namen gemacht. Sie alle arbeiten meist mit dem Internet – und mit dem eigenen Körper. Entsprechend sind auch ihre Themen: Geschlechterrollen, Schönheitsideale und Identität in Zeiten sozialer Medien.

Wenn Selfies übergroß an der Wand hängen oder Bilder von Früchten, die an Vulvas erinnern, ist das wenig überraschend. Regelrecht gruselig ist die Performance der US-amerikanischen Multimedia-Künstlerin Signe Pierce. Das Video zeigt, wie ein Shitstorm real wird. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt die Ausstellung auch, wo sie interaktiv wird. Etwa wenn sich mitten im Museumsraum ein zweiter Raum auftut: ein rosa Mädchenzimmer betritt, unordentlich, mit Postern an den Wänden und zerknüllten Taschentüchern und Smartphone auf dem Bett. Man bewegt sich zögerlich; es fühlt sich falsch an, in der Privatsphäre eines fremden Menschen zu wühlen. Obwohl wir das im Netz doch ständig tun.

Hier verschwimmen Kunst, Internet und Alltag zusehends. Besonders junge Frauen, die mit den sozialen Medien aufgewachsen sind, können sich damit identifizieren.

Der weibliche Körper war schon immer im Blick der Öffentlichkeit und wurde stärker kontrolliert als der männliche. Soziale Netzwerke haben das verstärkt. Auf Instagram überbieten sich Frauen und Mädchen gegenseitig mit ihrem perfekten Lifestyle und schlank trainierten Körpern. Der Hashtag #tightgap besagt: Wer noch Freiraum zwischen den dünnen Schenkeln hat, gilt als attraktiv.

Wer da nicht mitmachen kann oder will, wird von anderen Nutzer*innen angefeindet oder gleich von der Plattform selbst gelöscht. Instagram sperrt immer wieder Bilder mit weiblichen Nippeln und hervorblitzendem Schamhaar. Für die Künstlerinnen, die mit diesen Medien arbeiten, ist das ein Problem.

Die Netzkünstlerinnen reflektieren Themen, die für Digital Natives zum Alltag gehören. Für ältere Museumsbesucher*innen dürfte das zunächst befremdlich sein. Für sie gibt es viel Erklärtext. Im besten Fall kann „Virtual Normality“ ein Austausch zwischen Generationen sein, im schlechtesten Fall lassen sie sich von all der nackten Haut, pinker Farbe und Achselhaaren abschrecken. Jana Lapper

Virtual Normality – Netzkünstlerinnen 2.0“, bis 8. April im Museum der bildenden Künste

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