Netzkultur im Wahlkampf: „In den USA funktionieren Memes besser“
Kommunikationswissenschaftler Michael Johann forscht zu Memes in der Politik. Ein Gespräch über Wahlkämpfe und KI-generierte Katzenfotos.
taz: Herr Johann, was ist ein Meme?
Michael Johann: Ein Meme ist ein digitaler Inhalt, der sich schnell und einfach über das Internet verbreitet, oft, indem er von anderen kopiert oder leicht verändert wird. Ein typisches Beispiel ist ein Bild, das immer wieder mit neuem Text versehen wird. Bei politischen Memes spiegelt der Text oft die Meinung oder Haltung der Person wider, die das Meme erstellt oder teilt.
taz: Im TV-Duell behauptete Trump, dass haitianische Migrant:innen Hunde und Katzen essen. Daraufhin flutete die republikanische Partei das Netz mit KI-generierten Memes, in denen Trump Katzen schützt.
Johann: Das ist eine begleitende Strategie. Die traditionellen Kanäle der politischen Kommunikation sind Reden oder TV-Auftritte, aber man muss die Inhalte auch in der Sprache des Internets aufbereiten. Und Memes verbreiten sich wahnsinnig schnell und einfach. Das zieht Aufmerksamkeit auf sich, besonders, wenn man mit auffälligen Bildern arbeitet. Das können Bilder aus Filmen und Videospielen oder überraschende Bilder sein, zum Beispiel von Katzen in Pfannen. So was ist ein Eyecatcher und bleibt hängen. Damit, dass wir überhaupt darüber sprechen, ist der erste Schritt getan. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt sichert man sich Aufmerksamkeit im Diskurs. Wir reden darüber, machen uns darüber lustig, aber manche nehmen es auch ernst.
taz: Welche Gefahren und Potenziale bringen Memes mit sich?
Johann: Memes haben das Potenzial, komplexe politische Themen auf einfache und zugängliche Weise zu vermitteln. Sie können Politik näher an die Menschen bringen und bieten eine niederschwellige Möglichkeit, Meinungen zu äußern, ganz im Sinne der demokratischen Teilhabe. Allerdings bergen sie auch Gefahren, insbesondere, wenn sie ethische, moralische oder rechtliche Grenzen überschreiten, etwa durch Hass oder Falschinformationen. Wir sollten uns auch fragen: Auf Kosten welcher Personengruppen wird in Memes ein Witz gemacht? Denn oft reproduzieren Memes durch ihre vereinfachende Natur Stereotype und Vorurteile. Der Humor ist dabei ambivalent. Einerseits hilft er, die Komplexität politischer Inhalte zu reduzieren, andererseits kann er problematische Inhalte verharmlosen. Memes sind oft mehrdeutig und man muss kritisch hinterfragen, wer sie verbreitet und welche Absichten dahinterstehen.
geboren 1986, ist Kommunikationswissenschaftler an der Uni Augsburg. Er forscht zu Auswirkungen der Digitalisierung auf die strategische Kommunikation von Politik und Wirtschaft, darunter zur Rolle von Memes in der Politik.
taz: Haben Sie ein Beispiel für eine solche Instrumentalisierung?
Johann: Es werden bereits simple Emojis instrumentalisiert, die man alltäglich benutzt. Ein Beispiel ist die White-Power-Fingerhaltung, die dem Okay-Fingerzeichen gleicht. Oder es sind Farbkombinationen, die an die deutsche Reichskriegsflagge erinnern. Das sind dann drei runde schwarz-weiß-rote Emojis. Im Zuge der Kamala-Harris-Reden benutzen auch viele ein Kokosnuss- und Palmen-Emoji, um ihre Unterstützung für sie auszudrücken. Solche kodifizierten Elemente gibt es häufig. Pepe the frog und das Clownworld-Emoji sind Beispiele für Evergreens. Es können auch Sachen sein wie das blaue Herz als Sympathiezeichen für die AfD. Oder die beiden Blitz-Emojis, die die SS-Runen symbolisieren sollen.
taz: Wie beeinflussen Memes die anstehende US-Präsidentschaftswahl?
Johann: Memes allein entscheiden keine Wahl, aber sie können beeinflussen, wie Politik und ihre Akteur:innen wahrgenommen werden. Dass sie zum Repertoire der politischen Kommunikation gehören, zeigt sich auch daran, dass Joe Bidens Kampagne auf der Suche nach einem „Meme-Manager“ war. In den Tiefen mancher Plattformen toben sogenannte „Meme-Wars“. Schon zur Bundestagswahl 2017 wurde in manchen Foren zum „Meme-Krieg“ aufgerufen. Auch bei der US-Wahl gibt es das Potenzial, dass durch Memes gezielt Stimmung gemacht wird. Ein prominentes Beispiel ist hier Elon Musk, der immer wieder über X durch Memes zu politischen Themen Stellung nimmt. Memes bieten dabei Potenzial zur Manipulation, insbesondere durch die humorvolle Verkürzung komplexer Themen und das Mainstreaming fragwürdiger politischer Positionen.
taz: Haben Sie Beispiele für Memes in der deutschen Politik?
Johann: Nur wenige Politiker:innen schaffen es, eigene Meme-Trends zu setzen. Die meisten werden eher unfreiwillig selbst zum Meme. Es gibt auch für jede Partei Meme-Kanäle. Meist stecken die Parteikommunikator:innen dahinter, die sagen es nur nicht. Das wird intern geplant und durch eine gezielte Streuung versucht man, Memes in Umlauf zu bringen. Das ist oft auch selbstironisch. Wo es aber nach hinten losgegangen ist, war das CDU-connect-Projekt. Im Zuge des letzten Wahlkampfes hat man darüber viele CDU-Memes geteilt. Am Ende hat jeder darüber gesprochen, meist spöttisch. Wenn man sich aber das Kanalwachstum und die Berichterstattung in der Fachpresse anschaut, haben sie große Aufmerksamkeit erzielt und Raum im politischen Diskurs eingenommen.
taz: Welche Unterschiede gibt es in der Meme-Kultur zwischen Deutschland und USA?
Johann: In den USA funktionieren Memes besser, weil der politische Diskurs dort emotionaler geführt wird. Durch die Dichotomisierung durch das Zweiparteiensystem kann man leichter mit dem Finger auf die anderen zeigen. Dazu passen Memes eben sehr gut, weil sie über Humor emotionale und meinungsstarke Botschaften senden können. Bei uns ist das entschärfter, was auch mit der politischen Kultur zu tun hat.
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