Netzaktivistin über Facebook-Datenpanne: „Nutzer sollen sich nackig machen“
Und wieder eine Panne bei Facebook. Das Unternehmen macht diese zwar transpartent. Die Offenheit ist jedoch heuchlerisch, sagt Netzaktivistin Rena Tangens.
taz: Frau Tangens, Facebook meldete am Freitag, dass versehentlich die Privatsphäre-Einstellungen von 14 Millionen Nutzer*innen auf „öffentlich“ geändert worden waren. Was bedeutet das?
Rena Tangens: Daran zeigt sich, dass es eben in Facebooks Interesse liegt, die Normaleinstellung auf „öffentlich“ zu stellen. Das verwundert einen nicht, wenn man sich vor Augen hält, was das Unternehmen will: Die möglichst umfassende Offenlegung aller Nutzerdaten, sodass diese zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung stehen.
Handelt es sich um eine „normale“ Panne – oder haben die Datenschutzverletzungen systemischen Charakter?
Es ist eine technische Panne, die gleichzeitig das System offenbart: Nutzer sollen sich nackig machen. Alles andere wird ihnen von Facebook erschwert. Beim konkreten Fall gab es wohl einen Fehler bei der Einrichtung einer neuen Funktion. Mit dem Ergebnis, dass die Voreinstellung verändert wurden.
Wieso machen die Leute da noch mit?
Es ist ja so, dass sich viele bei Facebook kuschelig in ihren Freundeskreis eingebettet fühlen. Gleichzeitig ist ihnen nicht klar, wer bei ihrer Kommunikation mitliest. Das ist eine Täuschung, die Facebook bewusst aufrecht erhält. Banken und Versicherungen haben begonnen, Social-Media zu durchleuchten. Wenn man bei Facebook angibt, die eigene Lieblingsmusik sei Hip Hop, sinkt automatisch die Bonität. Das haben die Leute nicht auf dem Schirm. Deshalb machen sie weiterhin mit.
Facebook gab sich dieses mal unaufgefordert transparent und reumütig. Heuchelei oder Fortschritt?
Ich denke, dem Unternehmen ist klar, dass sie keine Chance haben, so etwas unter den Teppich zu kehren. Die Nutzer haben die Auswirkungen vermutlich bemerkt. Was gegen Facebook spricht ist, dass sie so lange gebraucht haben, damit an die Öffentlichkeit zu treten. Fehlerhafte Einstellungen rückgängig zu machen, braucht normalerweise nicht so lange. Ich würde also sagen: Heuchelei.
Wie reiht sich die Panne in die Historie der Skandale um Cambridge Analytica und die Datenweitergabe an Hardware-Hersteller ein?
Gerade weil es sich, wie gesagt, um eine Panne handelt, hat das eine andere Qualität. Der Fall Cambridge Analytica hat die Öffentlichkeit schockiert, weil er nicht nur die individuellen, sondern die gesellschaftlich-politischen Folgen des Datenmissbrauchs verdeutlicht hat. Da ist klar geworden, dass es in der Summe große Konsequenzen hat, wenn man die Massen an vielen Stellen nur ein bisschen in eine Richtung schubst, wenn man sie auf irgendetwas aufmerksam macht oder sie entmutigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig