Netflix-Serie und die Golden Globes: „Warum sollte ich lügen?“
Komikerin Abby Govindan gibt sich als Urheberin der Serie „Emily in Paris“ aus. Ihre Kritik richtet sich gegen die weiße Mainstream-Unterhaltung.
![Stil aus Emily in Paris, Mädchen mit rotem Hut Stil aus Emily in Paris, Mädchen mit rotem Hut](https://taz.de/picture/4667870/14/26742792-1.jpeg)
Kurz nachdem am Donnerstag, 4. Februar, bekannt gegeben wurde, dass die klischeetriefende US-Serie gleich zweimal bei den Golden Globes-Nominierungen auftaucht (beste Comedy-Serie, beste Hauptdarstellerin in einer Comedy-Serie), twitterte die Komikerin Abby Govindan: „Als Urheberin von Emily in Paris kann ich nur sagen … warum zum Teufel wurden wir für einen Golden Globe nominiert? Ich habe diese Show als Scherz gemeint.“
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Dafür ernete sie einige Zustimmtung, manche Verwunderung. Eine Userin fragt: „Hat nicht Darren Star die Serie kreiert?“ – „Ähm, nein? Warum sollte ich über etwas im Internet lügen?“ antwortet ihr Govidan. Nach den vielen Reaktionen twitterte Abby Govindan munter ihre Globes-Kritik in diesem Stil weiter. Unter anderem schrieb sie: „Ja, ich bin eine Inderin, die eine Show über ein weißes Mädchen in Paris kreiert hat. Warum sollte es mir wichtig sein, diversere Geschichten zu erzählen, wenn ich mit nicht-diversen Geschichten 20 Millionen Dollar verdienen kann.“
Kritik an weißer Dominanz
Viral ging am Abend des 5. Februar dann ihr Tweet, in dem die Komikerin behauptet, dass sie die Serie „Emily in Paris“ ursprünglich als Geschichte über ein indisches Mädchen angelegt habe, aber diese von den Produzent*innen abgelehnt wurde. Nachdem dann die gleiche Geschichte mit einem weißen Mädchen umgesetzt wurde, sei das erfolgreiche Ergebnis die gerade erfolgten Nominierungen bei den Golden Globes.
Mehr als 41.000 Menschen teilten diesen Tweet. Mehrere Medien griffen ihre Kritik auf, bezweifelten ihre Autorinnenschaft für die Serie in keinem Wort und hielten ihre Anschuldigungen für plausibel. Govindan twittere dazu nur: „Journalist*innen veröffentlichen wirklich alles, oder?“
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Funktioniert haben die Tweets der Komikerin so gut, da sie sich in eine Reihe von empörten Reaktionen auf die Nominierungen bei den jährlich vergebenen Filmpreisen einreihten. Viele Kino- und Serienfans kritisierten, dass eine flache Serie wie „Emily in Paris“ es zu zwei Nominierungen schaffe, während etwa die viel gelobte britisch-amerikanische Dramaserie „I May Destroy You“ (BBC-Produktion, in Deutschland auf Sky und AmazonPrime zu sehen) keine Nominierung erhalten hat. Die Serie thematisiert die Vergewaltigung einer jungen Autorin, gespielt von der schwarzen Autorin und Schauspielerin Michaela Coel, die auch das Drehbuch zur Serie schrieb.
Viele Klischees, wenig Inhalt
Eine gänzlich andere Serie aus der Kategorie „seichte Unterhaltung“ ist hingegen „Emily in Paris“. Emily, gespielt von Schauspielerin Lily Collins, wird darin von ihrer US-Marketingfirma nach Paris geschickt, um dort als Kreativ-Direktorin zu arbeiten. Ohne Französisch-Kenntnisse, mit ausgefallenem Modestil und natürlich als extrem von sich selbst überzeugte Amerikanerin macht sie sich bei ihren französischen Arbeitskolleg*innen zunächst reichlich unbeliebt.
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Doch nicht nur die Figur der ignoranten und naiven Emily ist ziemlich einfallslos angelegt, auch die französischen Protagonist*innen werden in der Serie mehr als klischeehaft dargestellt: Unfreundlich, arrogant, sexistisch, und natürlich hat ein Großteil von ihnen überhaupt keine Lust, in einer anderen Sprache zu kommunizieren als ihrer eigenen. Ein paar Liebesgeschichten und Modestreits später und der Inhalt der Serie ist erzählt.
An den renommierten Filmpreisen, wie den Golden Globes oder auch den Oscars, gibt es seit Jahren die Kritik, dass mehrheitlich immer noch Filmproduzent*innen, Schauspieler*innen und Regisseur*innen ausgezeichnet werden, die weiß sind, und häufig auch wenig gesellschaftliche Diversität in den geehrten Filmen gezeigt wird. 2015 gab es im Zuge dieser Kritik den viel beachteten Hashtag in den sozialen Medien #OscarsSoWhite, da die Filmakademie zwei Jahre hintereinander alle 20 Nominierungen an weiße Schauspieler*innen vergab.
Netflix hat die Nase vorn
Netflix allerdings kann sich in der Coronapandemie einmal mehr auf das Erfolgsmodell des Heimkino-Angebots verlassen und auch „Emily in Paris“ wurde vielfach gestreamt. Wenig verwunderlich daher, dass die Serie bei den Golden Globes in der Kategorie Fernsehen mit 19 weiteren Netflix-Produktionen nominiert ist. Außerdem erhielt der Streaming-Dienst 22 Nominierungen bei Spielfilmen.
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Am erfolgreichsten war dabei mit sechs Nominierungen das Schwarz-Weiß-Drama „Mank“ über die Entstehung des Hollywood-Klassikers „Citizen Kane“. Der ebenfalls bei Netflix erschienene Film „The Trial of the Chicago 7“ über Proteste gegen den Vietnam-Krieg Ende der 60er Jahre erhielt fünf Nominierungen. Jeweils vier Nominierungen gab es für „The Father“, „Nomadland“ und „Promising Young Woman“.
Freuen konnte sich auch die zwölfjährige deutsche Jungschauspielerin Helena Zengel. Sie wurde für ihre Rolle in „Neues aus der Welt“ an der Seite von Tom Hanks als beste Nebendarstellerin nominiert.
Die Golden Globes werden dieses Jahr am 28. Februar in Beverly Hills verliehen, das ist rund zwei Monate später als ursprünglich geplant. Moderiert wird die 78. Golden-Globes-Zeremonie von den Komikerinnen Tina Fey und Amy Poehler. Die ursprünglich für den 28. Februar geplante Oscar-Verleihung wurde auf den 25. April verschoben. (mit afp)
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