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Netflix-Serie „King of Stonks“„Wir sind die Geilsten!“

Derbe und maximal hyperreferentiell. „King of Stonks“ portraitiert die Welt der Finanzdienstleistungen. Ähnlichkeiten zu realen Fällen wie Wirecard? Rein zufällig!

Porträtiert die Welt der Finanzdienstleistungen: Netflix' King of Stonks Foto: Netflix

„Ähnlichkeiten mit anderen Betrugsfällen sind rein zufällig.“ Wann immer einem Programm so eine Einblendung vorangestellt ist, weiß man als Zuschauer natürlich: Das Gegenteil ist der Fall. Auch in der neuen Netflix-Serie „King of Stonks“, die sich einem Programmierer und einem CEO widmet, der Finanzwelt und dem Betrug.

Die Ähnlichkeit des Global Economic Forum in Genf mit dem World Economic Forum in Davos ist genauso „zufällig“ wie die der CableCash AG mit einem realen, inzwischen abgewickelten Finanzdienstleister. Der Betrugsfall ist – natürlich – der Fall Wirecard. Mehrere Dokumentationen und ein leidlich misslungenes Doku-Drama mit Christoph Maria Herbst hat es bereits gegeben. Was noch fehlte, war die grell-nihilistische Aufbereitung der Posse à la „Schtonk!“ oder „The Wolf of Wall Street“. Genau an diesen beiden Vorbildern scheinen sich die Macher von „King of Stonks“ orientiert zu haben. Und der Streaming-Anbieter Netflix – gerade hat er einen Dokumentarfilm zum Geiseldrama von „Gladbeck“ in sein Sortiment aufgenommen – taucht einmal mehr in die Untiefen der jüngeren deutschen Vergangenheit ein.

Matthias Murmann und Philipp Käßbohrer haben mit ihrer bildundtonfabrik für Netflix bereits „How to Sell Drugs Online (Fast)“ besorgt – Käßbohrer ist nun auch der Headautor von „King of Stonks“. Als Regisseur haben sie Jan Bonny engagiert, der an der Kunsthochschule für Medien Köln gerade fertig war, als sie dort mit ihrem Studium anfingen. Bonny hat sich bislang nicht eben mit leichter Kost profiliert – vielmehr gilt er nach seinem „Polizeiruf“ „Der Tod macht Engel aus uns allen“ und der Ani-Verfilmung „Wir wären andere Menschen“ als Fachmann für die düstersten Seiten der Bundesrepublik. In beiden Filmen hieß der Hauptdarsteller Matthias Brandt. Man kennt sich, das Casting dürfte sich erübrigt haben – auch beim zweiten „King of Stonks“-Hauptdarsteller Thomas Schubert, der bereits in Bonnys Film „Wintermärchen“ spielte.

Was soll man sagen: Die Papierform könnte vielversprechender kaum sein – das Ergebnis bleibt hinter den Erwartungen nicht zurück (und wurde bereits mit dem Bernd Burgemeister Fernsehpreis ausgezeichnet). „King of Stonks“ ist auf die denkbar derbste Weise komisch und dabei so maximal hyperreferentiell, dass man irgendwann schon anfängt Referenzen zu sehen, die vielleicht gar nicht als solche gemeint sind. Das falsche Gebiss und die Grunzlaute von Matthias Brandt: Soll da etwa Horst Schlämmer zitiert werden – oder hat man sich einfach nur – ironisch versteht sich – aus der Mottenkiste des komischen Fachs bedient?

„Nicht gerade der CEO, den man im Vorstand eines deutschen Finanzdienstleisters vermutet. Aber neben CEOs seiner Generation, die Autos oder riesige Penis-Raketen ins All schießen, wirkt er doch eigentlich ganz normal“, tönt es in einem kurzen Erklärstück aus dem Off. Dazu werden in Staccato-Schnittfolge Bilder von Richard Branson, Elon Musk und Jeff Bezos eingeblendet. Auf den extravaganten Mark-Zuckerberg-Ritt auf einem Hydrofoil-Surfboard will dieser ganz normale CEO dann aber doch nicht verzichten, zum Spott eines Late-Night-Show-Hosts, den Christian Tramitz genau in der Mitte zwischen Harald Schmidt und Jan Böhmermann gibt. Und der Hoodie, in den sich der CEO vor öffentlichen Auftritten zwängt, erinnert schon sehr an den neuen Look des vorletzten Bild-Chefredakteurs nach dessen Rückkehr von einer Dienstreise nach Palo Alto.

Apropos Bild: Einen Journalisten gibt es in der Serie auch. Der war, so das Erklärstück, „Professor für Wirtschaftsjournalismus, bis er mit Sheila geschlafen hat. Man darf ja gar nichts mehr heutzutage. Jetzt ist er freier Wirtschaftskorrespondent, träumt aber immer noch davon, seinen Ruf wiederherzustellen. Ein Artikel, der den größten Visionär des Landes als Betrüger entlarvt, wäre dafür ein guter Anfang.“

Der völlig enthemmte Brandt als eben jener Visionär, Betrüger und CEO – „Wir sind wirklich die Geilsten! Wir kaufen die Deutsche Bank!“ – braucht ein bodenständigeres Gegenüber, mit dem der Zuschauer sich identifizieren kann. Hier kommt nun Thomas Schubert als COO ins Spiel. Ob der ehemalige Wirecard-COO Jan Marsalek sich die Serie in seinem mutmaßlichen Moskauer Versteck ansieht? Er sollte sich nicht zu viel einbilden auf die Darstellung des COO als „Brain“ des Unternehmens. Das hat hier rein dramaturgische Gründe.

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