Netanjahus gescheiterte Regierungsbildung: Höchst demokratisch
Schon wieder hat Netanjahu keine Regierung zustande gebracht. Schlimm? Ach was, Demokratie ist eben immer anstrengend.
![Netanjahu sitzt und hat die Hände gefaltet Netanjahu sitzt und hat die Hände gefaltet](https://taz.de/picture/3749552/14/24030830.jpeg)
D emokratie hat den Nachteil, eine mühsame Angelegenheit zu sein. Das kann bisweilen zu quälenden, ja schier endlosen Prozessen führen, die vom Wahlvolk viel Geduld erfordern. In Belgien mühen sich Flamen und Wallonen seit dem letzten Mai darum, eine funktionierende Regierung zu bilden. Nun interessieren sich die wenigsten Nichtbelgier für dieses schöne Land, deshalb wissen auch nur die Wenigsten von den Mühen belgischer Politik.
Israel interessiert natürlich jeden, weil …, ja warum eigentlich? Egal. Jedenfalls schlägt dieses kleine Land im Nahen Osten die Belgier locker, denn dort wurden seit Anfang April sogar zwei Parlamentswahlen abgehalten, ohne dass man einer Regierungsbildung irgendwie näher gekommen ist.
Die Gründe dafür sind, wie immer in Israel, ausgesprochen kompliziert – ein Parlament mit vielen kleinen Parteien, die ihre Ziele umsetzen wollen, die Araber in der Knesset, mit denen niemand so recht will, die religiösen Parteien, die mit allen wollen, und ein gewisser Avigdor Lieberman, der alles will. Vor allem aber geht es um den der Korruption höchst verdächtigen Benjamin Netanjahu, der unbedingt weiterregieren möchte, weil das wesentlich schöner ist, als im Knast zu sitzen, und um den bisherigen Oppositionsführer Benny Gantz, der auch regieren möchte, aber bloß nicht zusammen mit Netanjahu. In den nächsten 28 Tagen hat nun nach Netanjahus Scheitern Gantz die Chance, eine Mehrheit zusammenzubekommen. Es ist absehbar, dass er das nicht hinbekommt.
Wenn aber – diese These sei erlaubt – eine funktionierende Demokratie sich durch nicht enden wollende, kaugummiartige Verhandlungen besonders auszeichnet, dann befindet sich Israel auf dem besten Weg zur großartigsten, leider aber auch anstrengendsten Demokratie der Welt. Und es gibt noch mehr Vorteile: Israel-Kritiker haben plötzlich keine Adresse mehr, an die sie ihren Hass richten können. Philosemiten fragen sich irritiert, was aus diesem früher so ordentlichen Land geworden ist.
Deshalb: Weiter so!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen