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Netanjahus gescheiterte RegierungsbildungHöchst demokratisch

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Schon wieder hat Netanjahu keine Regierung zustande gebracht. Schlimm? Ach was, Demokratie ist eben immer anstrengend.

Bibi mag beileibe kein guter Demokrat sein, Israel selbst ist allerdings eine gute Demokratie Foto: dpa

D emokratie hat den Nachteil, eine mühsame Angelegenheit zu sein. Das kann bisweilen zu quälenden, ja schier endlosen Prozessen führen, die vom Wahlvolk viel Geduld erfordern. In Belgien mühen sich Flamen und Wallonen seit dem letzten Mai darum, eine funktionierende Regierung zu bilden. Nun interessieren sich die wenigsten Nichtbelgier für dieses schöne Land, deshalb wissen auch nur die Wenigsten von den Mühen belgischer Politik.

Israel interessiert natürlich jeden, weil …, ja warum eigentlich? Egal. Jedenfalls schlägt dieses kleine Land im Nahen Osten die Belgier locker, denn dort wurden seit Anfang April sogar zwei Parlamentswahlen abgehalten, ohne dass man einer Regierungsbildung irgendwie näher gekommen ist.

Die Gründe dafür sind, wie immer in Israel, ausgesprochen kompliziert – ein Parlament mit vielen kleinen Parteien, die ihre Ziele umsetzen wollen, die Araber in der Knesset, mit denen niemand so recht will, die religiösen Parteien, die mit allen wollen, und ein gewisser Avigdor Lieberman, der alles will. Vor allem aber geht es um den der Korruption höchst verdächtigen Benjamin Netanjahu, der unbedingt weiterregieren möchte, weil das wesentlich schöner ist, als im Knast zu sitzen, und um den bisherigen Oppositionsführer Benny Gantz, der auch regieren möchte, aber bloß nicht zusammen mit Netanjahu. In den nächsten 28 Tagen hat nun nach Netanjahus Scheitern Gantz die Chance, eine Mehrheit zusammenzubekommen. Es ist absehbar, dass er das nicht hinbekommt.

Wenn aber – diese These sei erlaubt – eine funktionierende Demokratie sich durch nicht enden wollende, kaugummiartige Verhandlungen besonders auszeichnet, dann befindet sich Israel auf dem besten Weg zur großartigsten, leider aber auch anstrengendsten Demokratie der Welt. Und es gibt noch mehr Vorteile: Israel-Kritiker haben plötzlich keine Adresse mehr, an die sie ihren Hass richten können. Philosemiten fragen sich irritiert, was aus diesem früher so ordentlichen Land geworden ist.

Deshalb: Weiter so!

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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2 Kommentare

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  • Ich habe mich einige Zeit mit der israelischen Politik beschäftigt und ich finde, dass es keinen richtigen und passenden Nachfolger gibt. Der ehemalige Generalstabschef der israelischen Verteidigungsstreitkräfte Benny Gantz hat zu wenig Erfahrung mit Politik.

  • Es gibt keinen weiteren Gründe für Kritik bzw. man kann Israel nicht mehr kritisieren weil sie keine Regierung zusammenbekommen? Wieviel Shekel haben Sie den für diesen Unsinn bekommen?