Netanjahus gescheiterte Regierungsbildung: Höchst demokratisch
Schon wieder hat Netanjahu keine Regierung zustande gebracht. Schlimm? Ach was, Demokratie ist eben immer anstrengend.
D emokratie hat den Nachteil, eine mühsame Angelegenheit zu sein. Das kann bisweilen zu quälenden, ja schier endlosen Prozessen führen, die vom Wahlvolk viel Geduld erfordern. In Belgien mühen sich Flamen und Wallonen seit dem letzten Mai darum, eine funktionierende Regierung zu bilden. Nun interessieren sich die wenigsten Nichtbelgier für dieses schöne Land, deshalb wissen auch nur die Wenigsten von den Mühen belgischer Politik.
Israel interessiert natürlich jeden, weil …, ja warum eigentlich? Egal. Jedenfalls schlägt dieses kleine Land im Nahen Osten die Belgier locker, denn dort wurden seit Anfang April sogar zwei Parlamentswahlen abgehalten, ohne dass man einer Regierungsbildung irgendwie näher gekommen ist.
Die Gründe dafür sind, wie immer in Israel, ausgesprochen kompliziert – ein Parlament mit vielen kleinen Parteien, die ihre Ziele umsetzen wollen, die Araber in der Knesset, mit denen niemand so recht will, die religiösen Parteien, die mit allen wollen, und ein gewisser Avigdor Lieberman, der alles will. Vor allem aber geht es um den der Korruption höchst verdächtigen Benjamin Netanjahu, der unbedingt weiterregieren möchte, weil das wesentlich schöner ist, als im Knast zu sitzen, und um den bisherigen Oppositionsführer Benny Gantz, der auch regieren möchte, aber bloß nicht zusammen mit Netanjahu. In den nächsten 28 Tagen hat nun nach Netanjahus Scheitern Gantz die Chance, eine Mehrheit zusammenzubekommen. Es ist absehbar, dass er das nicht hinbekommt.
Wenn aber – diese These sei erlaubt – eine funktionierende Demokratie sich durch nicht enden wollende, kaugummiartige Verhandlungen besonders auszeichnet, dann befindet sich Israel auf dem besten Weg zur großartigsten, leider aber auch anstrengendsten Demokratie der Welt. Und es gibt noch mehr Vorteile: Israel-Kritiker haben plötzlich keine Adresse mehr, an die sie ihren Hass richten können. Philosemiten fragen sich irritiert, was aus diesem früher so ordentlichen Land geworden ist.
Deshalb: Weiter so!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten