Netanjahu trifft Biden in den USA: Trotz Differenzen unerschüttert
Nach langem Warten hat Netanjahu am Rande der UN-Generalversammlung US-Präsident Biden getroffen. Die Staatschefs brauchen einander politisch.
Schon im März hatte dieser sich angesichts der Pläne für den Justizumbau ungewöhnlich deutlich geäußert: „Sie können so nicht weitermachen.“ Im Juli schob er hinterher, das israelische Kabinett sei „eines der extremsten, das ich je gesehen habe.“ Dass das Treffen nun so spät und nicht im Weißen Haus, sondern am Rande der UN-Vollversammlung stattfand: ein Hinweis darauf, dass die Beziehungen zu Israels wichtigstem Partner angeschlagen sind.
Dessen war sich offenbar auch Netanjahu klar und stellte zu Beginn des Gesprächs fest: „Israels Verpflichtung für die Demokratie wird sich niemals ändern.“ Unabhängig davon betonte er ebenso wie Biden die Bedeutung einer möglichen Annäherung an Saudi-Arabien. „Ich glaube, unter Ihrer Führung, Herr Präsident, können wir ein historisches Abkommen zwischen Israel und Saudi-Arabien schmieden“, sagte Netanjahu.
Den seit neun Monaten anhaltenden Massenprotesten gegen die Reformpläne seiner Regierung konnte Netanjahu aber auch in New York nicht entkommen. Während des Gesprächs mit Biden demonstrierten vor dem Hotel hunderte Menschen. „Rettet Israels Demokratie“, war auf ihren Schildern zu lesen. Angesichts der innenpolitischen Krise, die die israelische Gesellschaft auf eine Zerreißprobe stellt, wünschen sich mittlerweile rund 70 Prozent der Israelis einen Kompromiss.
Biden braucht einen Erfolg
Denn auch außenpolitisch steht viel auf dem Spiel. Für Netanjahu war die ausbleibende Einladung aus Washington eine Schmach. Für Israel ist das gute Verhältnis zu den USA fundamental wichtig. Das kleine Land erhält jährlich Finanzhilfen in Milliardenhöhe für seine Verteidigung. Davon wird unter anderem das Abwehrsystem „Iron Dome“ mitfinanziert, das Raketenangriffe aus dem Gazastreifen oder dem Libanon abfängt. Mit Blick auf die Beziehungen beider Länder stellte Biden klar, sein Bekenntnis zu Israel sei trotz „einiger Differenzen“ unerschütterlich.
Für einige seiner außenpolitischen Vorhaben ist der US-Präsident auf die israelische Regierung angewiesen, etwa um die Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien voranzutreiben. Im kommenden Jahr stehen in den USA Präsidentschaftswahlen an und bisher habe Bidens Regierung kaum etwas vorzuweisen, sagt Yonatan Freeman, Experte für internationale Beziehungen an der Hebräischen Universität Jerusalem. „Biden braucht einen Erfolg. Und eine Normalisierung zwischen Israel und Saudi-Arabien steht dabei ganz oben auf der Liste.“ Unter Vermittlung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte Israel im Rahmen der sogenannten Abraham-Abkommen seine Beziehungen zu mehreren arabischen Staaten normalisiert.
Aber dafür möchte die saudische Regierung in Riad wohl Zusagen Israels an die Palästinenser. Wie Netanjahu diese von seinen palästinenserfeindlichen Koalitionspartnern wie Finanzminister Bezalel Smotrich oder dem Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir bekommen möchte, ist bisher unklar. Die lehnen jedes Entgegenkommen in dieser Frage weitgehend ab.
Und auch aus seiner eigenen Partei, dem Likud, hatten kurz vor dem Treffen zwölf Parlamentsabgeordnete in einem offenen Brief vor Zugeständnissen an Riad gewarnt. Dass Biden und Netanjahu sich nun ein Stück weit entgegengekommen sind, ist eine Sache. Was Israels Regierungschef mit nach Hause nehmen will – und was er davon durchsetzen kann – steht auf einem anderen Blatt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins