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Nervenkrieg Irak gegen UNO

Bagdad verweigert erneut einem Team von US-Inspektoren die Einreise. Einem Zeitungsbericht zufolge waren UNO-Experten einer Giftgasproduktion auf der Spur  ■ Von Karim El-Gawhary

Kairo (taz) – Seine Regierung werde ihre Entscheidung, die US- Waffeninspektoren des Landes zu verweisen, nicht revidieren, ließ der irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan am Wochenende mitteilen. Andere irakische Offizielle bestätigten unterdessen: „Bis nächsten Mittwoch wird sich kein US-Inspektor mehr im Land befinden.“ Den ersten drei US-Inspektoren wurde am Wochenende bereits die Einreise aus dem benachbarten Bahrain verweigert. Offiziell wirft der Irak den Waffeninspektoren Parteilichkeit und Spionage vor.

Dahinter steckt ein altes Katz- und-Maus-Spiel. Alle Jahre wieder testet Saddam Hussein die Festigkeit der Golfkriegsallianz, stets bemüht, die Sanktionen gegen den Irak nicht in internationale Vergessenheit geraten zu lassen. Verärgert hatte die irakische Regierung eine Entscheidung des UN- Sicherheitsrats vom letzten Mittwoch, in der dieser jegliche Revision der Sanktionen gegen den Irak (damit auch eine mögliche Erleichterung) bis nächsten April aufgeschoben hatte. Der Irak habe sich bei dem Waffeninspektions- Programm zu wenig kooperationsbereit erklärt, hieß es von seiten des Sicherheitsrats.

Doch die Entscheidung des UN- Gremiums erwies sich als eine schwere Geburt. Die USA und Großbritannien forderten härtere Maßnahmen. Dies wurde von den anderen drei ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats, Rußland, China und Frankreich, abgelehnt. Für den Irak Grund genug, die Situation eskalieren zu lassen. „Nach sieben Jahren Sanktionen haben wir das Recht, aufzustehen und ein festgelegtes Datum für ein Ende der Sanktionen einzuklagen“, fügte Iraks Vizepräsident seiner Erklärung der Unbeugsamkeit in Sachen US-Inspektoren hinzu.

Der UN-Sicherheitsrat warnte unterdessen den Irak vor „schweren Konsequenzen“, falls die Entscheidung nicht zurückgenommen wird. Washington behielt sich „alle Optionen, auch die militärische, offen. Als „unannehmbar“ bezeichneten die Außenminister Rußlands und Frankreichs den neuesten irakischen Schritt.

Doch gemäß dem irakischen Kalkül verbirgt sich hinter diesen diplomatischen Warnungen alles andere als die einheitliche Linie aus den Golfkriegs-Tagen. In einer offensichtlich an die USA gerichteten Erklärung warnte der russische Außenminister Jewgeni Primakov vor „jeglicher Anwendung von Gewalt“. Aus Mangel an Einigkeit hatte der Sicherheitsrat weitere Diskussionen für diese Woche angekündigt.

Auch die 22 Staaten umfassende die Arabische Liga in Kairo, deren Mitglieder Ägypten, Syrien und Marokko ebenfalls an der Golfkriegs-Allianz teilgenommen hatten, forderte gestern die UN auf, den „Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen“.

Die jetzige irakische Drohung, die US-Inspektoren auszuweisen, ist ein weiteres Beispiel für den ständigen Nervenkrieg zwischen der UN-Waffeninspektion und der irakischen Regierung. Richard Butler, der neue Chef der UN-Inspektoren im Irak, äußerte gegenüber der britischen Zeitung The Observer gestern die Vermutung, daß die Inspektoren möglicherweise auf einer heißen Spur waren und unmittelbar davorstanden, ein Lager mit Nervengas zu entdecken. Laut Butler hätte der Irak jederzeit die Möglichkeit, chemische und biologische Waffen zu produzieren. Der Irak halte „zweifelsohne“ Lager mit Massenvernichtungswaffen versteckt, erklärte Butler. Nach Informationen der Zeitung hat Irak 750 Tonnen einer Substanz erworben, mit der das extrem gefährliche Nervengas VX hergestellt werden kann. Butlers Vorgänger, Rolf Ekeus, hatte letzten Sommer in einem Interview mit der New York Times erklärt, daß die irakische Führung den Befehl gegeben habe, die strategische Option von Massenvernichtungswaffen offenzuhalten.

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