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Nervengift im Fall SkripalBND beschaffte Nowitschok-Proben

Medienberichten zufolge kam der Bundesnachrichtendienst bereits in den 90er-Jahren an die Formel sowie an Proben des Nervengifts.

Militärs untersuchen den Boden in der Nähe des Parks, in dem Skripal aufgefunden wurde Foto: ap

Berlin rtr | Die Erkenntnisse über das in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok stammen einem Medienbericht zufolge maßgeblich aus einer geheim gehaltenen Operation des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Der BND habe in den 90er Jahren über einen russischen Wissenschaftler eine Probe des Gifts beschafft, die in einem Labor in Schweden analysiert worden sei, berichteten die Süddeutsche Zeitung, NDR, WDR und Zeit am Mittwoch. Die Formel sei an das Bundesverteidigungsministerium und den BND übermittelt worden.

Auf Weisung des damaligen Kanzlers Helmut Kohl habe der BND daraufhin unter anderem die Geheimdienste in den USA und Großbritannien informiert. In einigen Nato-Staaten seien auch winzige Mengen des Giftes produziert worden, um Schutzausrüstung, Messgeräte und Gegenmittel zu testen.

Bundeswehr erforscht unterschiedliche Kampfstoffe

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte dazu, die Bundeswehr erforsche in Übereinstimmung mit internationalen Verträgen die Abwehr von und den Schutz vor chemischen, biologischen, radiologischen und atomaren Kampfstoffen.

Um die Sicherheit der Angehörigen der Bundeswehr, aber auch der gesamten Bevölkerung sicherzustellen, nehme das Ministerium grundsätzlich keine Stellung zu Einzelheiten dieser Forschungen. „Dies umfasst sowohl die Frage, an welchen Stoffen geforscht wird, als auch die Frage der Verfügbarkeit dieser Stoffe“, sagte der Sprecher. „Demzufolge werden Aussagen und Behauptungen hierzu weder bestätigt, noch dementiert oder kommentiert.“ Auch der BND wollte sich zu dem Fall nicht äußern.

Anfang März waren der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia im englischen Salisbury durch einen Anschlags mit dem Nervengift Nowitschok schwer verletzt worden. Großbritannien und viele andere westliche Staaten machen dafür Russland verantwortlich. Russland weist die Vorwürfe zurück.

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3 Kommentare

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  • Staatliche Akteure in großer Zahl

     

    Zitat: „Der BND habe in den 90er Jahren über einen russischen Wissenschaftler eine Probe des Gifts beschafft, die in einem Labor in Schweden analysiert worden sei, berichteten die Süddeutsche Zeitung, NDR, WDR und Zeit am Mittwoch. Die Formel sei an das Bundesverteidigungsministerium und den BND übermittelt worden.“

     

    Dem Leiter des britischen „Defence Science and Technology Laboratory“ im südenglischen Porton Down Gary Aitkenhead zufolge seien die Substanzen aus dem Nowitschok-Programm „nur sehr schwer herzustellen. Dazu hat nur ein staatlicher Akteur die Fähigkeiten." In London hieß es dazu, „nur Professionelle, kaum Kriminelle, seien in der Lage gewesen, Nowitschok auf die Türklinke von Skripals Haus aufzutragen.“ (FAZ, 4.4.2018)

     

    Zu diesen staatlichen Akteuren gehört nun offensichtlich auch der BND, was dann wohl eine Meldung aus israelischen Geheimdienstquellen von Ende März bestätigte, diese Profis gäbe es inzwischen verstreut auf der ganzen Welt unter der Kontrolle von mindestens 20 weiteren Regierungen: „A secret Israeli intelligence report to Prime Minister Binyamin Netanyahu and defense minister Avigdor Lieberman revealed that although the military-grade chemical agent used to poison Sergei Skripal and his daughter was originally produced in Soviet Russia, today at least 20 other governments are manufacturing and stockpiling the illicit chemical agent.“ (DEBKAfile, Jerusalem, 27. 03. 2018)

     

    Wer wenn nicht der Mossad dürfte darüber am besten im Bilde sein? Netanjahu hat sich bemerkenswerterweise dann auch geweigert, sich an der konzertierten Strafktion gegen den Kreml zu beteiligen und keine Diplomaten ausgewiesen und stattdessen demonstrativ persönlich am 9. Mai an den Feierlichkeiten in Moskau zum Jahrestag der Sieges über die Pro-Hitler-Koalition teilzunehmen.

  • Vielleicht war es tatsächlich der russische Geheimdienst? Aber auf jeden Fall fällt die von Merkel und May vorgetragene "Logik", dass die Russen hinter dem Anschlag stehen müssten, da sie die einzigen wären, die über das Gift verfügen, als dreiste Lüge in sich zusammen.

    Mal wieder deutsche und britische Propaganda verbreitet - wann entschuldigen sich die Medien?

    BTW: Nur weil die deutsche Regierung lügt, bedeutet dies nicht, dass die russische Regierung die Wahrheit sagt.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Tom Sharpe schrieb einmal in den 1980ern sinngemäß davon (ich glaube, es war im "Puppenmord"), keinem weiter zu trauen, als man ihn werfen könne. Niemals fand ich dieses skurrile Bild passender als bei Menschen, die in der Welt der Nachrichtendienste (welch Euphemismus!) tätig sind.