Nepper, Schlepper, Rentenverkäufer

Immer mehr Banken und Versicherungen legen ihre Pläne für die „Riester-Rente“ vor. Doch kein Angebot hat bisher den offiziellen Segen. Bis zur Zertifizierung im nächsten Jahr sollten Verbraucher keine Verträge unterschreiben

HAMBURG taz ■ Jeder will ein Stück vom Kuchen: „Wir bieten eine private Rentenversicherung, die staatlich gefördert wird“, behauptet die Victoria Lebensversicherung und führt damit ihre Kunden an der Nase herum. Die Postbank begann sogar schon drei Tage nach dem Beschluss des Bundesrates vom 11. Mai mit der Werbung für eine angeblich „echte Riester-Rente“. Und gestern kündigten die ostdeutschen Sparkassen ihren Einstieg in die kapitalgedeckte, staatlich geförderte Rente an. Das sei für die Menschen in Ostdeutschland „eine besondere Herausforderung“ , sagte der Rainer Vogt, Präsident des Ostdeutschen Spar- und Giroverbandes. Eigenvorsorge sei für viele noch ein Fremdwort.

Was Banken und Versicherungen verschweigen: All diesen Rentenanlagen fehlt bisher die offizielle Zulassung. Dafür müssen die Angebote erst einmal die hohen Hürden der Zertifizierungsstelle beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) in Bonn überspringen. Dort beginnen erst die „vorbereitenden Arbeiten“, sagt BAV-Sprecher Michael Trommeshauser. Bislang arbeiten nur 5 Leuten am Aufbau des Projekts, später sollen bis zu 70 Angestellte die erwartet große Zahl von Anträgen möglichst schnell bewältigen. Dafür soll das Antragsverfahren standardisiert und so papierlos wie möglich gestaltet werden. Man denke an ein Internetportal, über das Informationen und Einzelheiten zum Antragsverfahren abgerufen werden können, heißt es.

Zum Schutz der Verbraucher hat die Bundesregierung mit dem Zertifizierungsgesetz einen 11-Punkte-Katalog aufgestellt, den alle Rentenprodukte zukünftig erfüllen müssen. Dafür gibt es ein Zertifikat, das einen Mindeststandard sicheren soll. Nur Produkte mit dieser Zulassung erhalten die staatliche steuerliche Förderung. So müssen zugelassene Finanzprodukte

– eine lebenslange Rente ermöglichen,

– das gesparte Kapital zumindest garantieren und

– transparent sein.

Die Transparenz soll nebenbei einen Schub für ökologische und ethische Geldanlagen bringen, auf die bisher nicht einmal 1 Prozent des deutschen Sparkuchens entfällt. So soll der Finanzdienstleister seine Kunden schriftlich informieren, „ob und wie“ er ethische, soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt, fordert das Zertifizierungsgesetz, das zum Ärger der Finanzbranche ziemlich verbraucherfreundlich geraten ist. Dadurch könnte erheblicher marktwirtschaftlicher Druck auf die Geldgiganten entstehen, hofft insbesondere der grüne Teil der Berliner Koalition.

In Frage für die private Altersvorsorge kommen vor allem vier Produkte: Lebensversicherungen, Banksparpläne, Investmentfonds und Immobilienanlagen. Allerdings müssen die üblichen Standardprodukte allesamt noch an die Riester-Rente angepasst werden. Das Bundesaufsichtsamt rechnet durchaus mit Streitfällen bei der Zulassung, weil einige Gesetzespassagen durch die Nachbesserung im Bundesrat „auslegefähig“ seien, wird geklagt. Das Zertifikat wird auch nichts darüber aussagen, wie hoch die Rendite ist oder ob es für die Lebenssituation des einzelnen Verbrauchers wirklich sinnvoll ist.

Mit den Anträgen auf Genehmigung ihrer Produkte müssen die Finanzfirmen bis zum 1. Juli warten, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Bis zum 30. November haben sie Zeit, zertifizierungsfähige Anträge einzureichen. Die Zertifizierung erfolgt frühestens zum 1. Januar 2002, betont das Bundesaufsichtsamt.

Zur Hektik besteht also für die Verbraucher kein Grund, denn auch die Steuervorteile wird es erst im kommenden Jahr geben. Bis auf weiteres sollte also niemand einen wie auch immer genannten Rentenvertrag unterschreiben. HERMANNUS PFEIFFER