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Neonazis kriegen eigene ZentraldateiVon Waffen bis Email-Adressen

Polizei und Geheimdienste sollen schon bald Infos über militante Rechtsextreme und Kontaktleute in eine Datei einspeisen. Damit dürften nur wenige Rechte ungespeichert bleiben.

Alle schon bald in einer Datei vereinigt? Rechte bei einem Marsch in Berlin. Bild: dapd

Für militante Islamisten gibt es sie schon, jetzt sollen auch gefährliche Rechtsextreme in einer gemeinsamen Datei der Polizeien und Geheimdienste gespeichert werden. Wie ein solches zentrales Anti-Nazi-Register von Bund und Ländern aussehen soll, geht nun aus einem Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hervor, der der taz vorliegt.

Nach Friedrichs Vorstellung sollen die jeweiligen Kriminalämter, Verfassungsschutzbehörden und der Militärgeheimdienst MAD dort nicht nur Informationen über "Verdächtige, Beschuldigte, Täter oder Mittäter einer politisch rechts motivierten Gewalttat mit extremistischem Hintergrund" einspeisen, sondern auch Informationen über Rechtsextreme, die zur Gewalt aufrufen oder "Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange bejahen".

Außerdem sollen laut dem Entwurf auch Kontaktleute solcher gewalttätigen oder gewaltbefürwortenden Neonazis in der beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelten Datei gespeichert werden. Es dürfte wenige Rechtsextreme in Deutschland geben, die am Ende nicht in dieser Datei landen. Denn die rund 25.000 Mitglieder zählende Szene ist deutschlandweit über die Landesgrenzen eng vernetzt, die Grenzen zur Gewaltbereitschaft sind fließend.

Vorbild Anti-Terror-Datei

Zusätzlich zu grundlegenden Angaben über Namen und Aliasnamen, die Funktion in einer rechtsextremen Organisation, Adressen oder besondere körperliche Merkmale sollen zu manchen Personen in dem Anti-Nazi-Register auch Angaben über Waffenbesitz, Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff oder ihre vermutete Gefährlichkeit eingespeist werden können ("erweiterte Grunddaten").

Auch Telefonnummern, Bankverbindungen und E-Mail-Adressen von gewalttätigen oder gewaltbefürwortenden Rechtsextremen sollen in der Datei gespeichert werden. Behörden, die Informationen abrufen wollen, erhalten aber nicht automatisch auf alle zu einer Person gespeicherten Daten Zugriff, sondern je nach Zweck und Dringlichkeit.

Das Vorbild für das gemeinsame Neonazi-Register von Polizeibehörden und Geheimdiensten ist die Anti-Terror-Datei, die als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 entstanden ist. Sie war nach langen Diskussionen dann im Jahr 2007 eingerichtet worden - und zwar gegen die Stimmen von Grünen, Linkspartei und FDP im Bundestag. Zwei Jahre später hatten dann die Liberalen der Union im Koalitionsvertrag das Versprechen abgerungen, "die bestehenden Sicherheitsdateien" zu evaluieren.

FDP ist nicht begeistert, aber auch nicht dagegen

In der FDP sind deshalb nicht alle glücklich über das Tempo, mit dem Innenminister Friedrich nun als Reaktion auf die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" eine ähnliche Datei gegen gefährliche Rechtsextremisten vorantreibt. "Jetzt muss erst mal aufgeklärt werden, welche Fehler die Sicherheitsbehörden gemacht haben, sodass Neonazis über Jahre hinweg mordend durchs Land ziehen konnten", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, am Mittwoch der taz. "Erst wenn man sich hier ein vollständiges Bild macht, kann die Politik handeln." Ähnlich sehen das Datenschützer, die vor den generellen Risiken von Zentraldateien mit vielen zugriffsberechtigten Sicherheitsbehörden warnen.

Doch rundum ablehnen können die Liberalen die Anti-Nazi-Datei kaum, denn das wäre politisch nicht vermittelbar. Und so zeigte sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Mittwoch offen gegenüber einer zusammengeführten Datei, wenn dadurch die Informationen über Neonazis, Kameradschaften und gewalttätige Rechtsextreme verbessert werden könnten. Sie wolle sich aber nun erst mal "intensiv" mit dem Entwurf von Innenminister Friedrich befassen.

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11 Kommentare

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  • M
    Maria

    Dieser Akt ist nichts anderes als ein hilfloses Rudern einer zahnlosen Regierung, die der Prävention im Rahmen kurzer Regierungszyklen abgeschworen hat, um sich als Mittel zum Zwang zu im Nacken aller festzubeißen.

     

    Dass Nazis, Neo-Nazis, verkappte Faschisten, unterschwellig rassistische, ideologisch verblendete Multiplikatoren und viele mehr keine Daseinsberechtigung im öffentlichen Diskurs haben, steht für mich außer Frage.

     

    Eine kollektive Datensammlung und der Generalverdacht, der alle "Staatsgefährdenden" und "Gewaltbereiten" einschließt, ist jedoch nur schwer zu vertreten. Als Reaktion auf gescheiterte, verdeckte Ermittler im Staatsdienst, verdeckte Ermittlungen aller Staatsbürger folgen zu lassen, ist ebenso lächerlich, wie erschreckend.

     

    Das Gedankengut oben genannter Gruppen lässt sich nicht durch Datensammlungen verschlucken und muss an den Wurzeln erstickt werden. Dazu kann und sollte ein jeder beitragen. Einschüchterung durch unsichtbare Beobachtung ist strukturelle Gewalt, die nur schwer zu legitimieren ist.

     

    Eine Kurzschlussreaktion, die fehlende Struktur-Stärkungs-Maßnahmen in keiner Weise ersetzen kann und darf.

  • T
    Tomate

    Erstaunlicher Vorschlag. Denn da zwei der drei Nazi-Terroristen nach Aktenlage ohnehin wohl auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes standen, hatte man ja die ganzen 13 Jahre über schon alle benötigten Informationen, um diese Leute schnell aufspüren und verhaften zu können.

  • F
    Fred

    > Doch rundum ablehnen können die Liberalen die

    > Anti-Nazi-Datei kaum, denn das wäre politisch

    > nicht vermittelbar.

     

    Oh, nachdem die schlafwandelnde politische Klasse aus dem "Es-gibt-kein-Naziproblem"-Traumland aufgeschreckt wurde, ist es "politisch nicht vermittelbar", daß man sinnlose und u. U. sogar gefährliche Aktionismus-Aktionen lieber sein lässt?

    Weil man dem Bürger irgendwie Handlungsfähigkeit demonstrieren muss?

    Was für eine Farce.

  • V
    vic

    Ich warte, bis die Ersten laut rufen: Wenn wir das für die rechte Szene einführen, dann auch für die linke.

    Unabhängig davon, das es die längst gibt.

    Gegen die eigenen Leute geht man eben nicht so gerne vor.

  • K
    KFR

    von der DDR Siegen lernen !

    erstaunlich wie schnell sich die Methoden von Stasi und der früheren Gestapo ( Spezialdateien zur Sonderbehandlung und Selektion von Menschen mit neuester Technik und Techno ) wieder durchsetzen.

    Weltweit sehr beliebt in Diktaturen und zur Verscheleierung der eigenen Unfähigkeit.

  • T
    Tomate

    Ist ja schön, dass man was gegen Nazis tut - aber aufgepasst: irgendwann brauchts nur noch ein kleines Schrittchen, und alles, was irgendwie als "links" abgetan wird, kommt auch da rein, und es heißt "Extremisten-Datenbank". Und Demokratie ade ...

  • A
    achso?

    so schwer es auch fällt, aber auch "Rechte" haben Rechte! ....und was glaubt ihr wer als nächstes dran ist mit einer zentralen Datei? mit unserem heutigen Politikverständnis und dem immer noch existierenden Extremismusbegriff, ist der nächste Schritt der sog. Verfassungsschützer doch bereits absehbar,... bin mal gespannt, ob die TAZ dann immer noch derart unkritisch über dieses Thema berichtet...

  • F
    Fritz

    Friedrich betreibt hier nichts als oberflächlich hilflosen, tatsächlich gefährlichen Aktionismus. Es kann auch bei Nazis nicht Ziel sein, dass der Staat im Geheimen eine kaum kontrollierbare Datensammlung über tausende von Menschen anlegt, die allein "unter Verdacht" stehen, vielleicht Gewalt zu bejahen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass diese butterweiche Formulierung auf ungefähr alles passt. Die Betroffenen werden selbstverständlich nicht informiert und haben so keine Möglichkeit, von sich aus die heimliche Datenspeicherung z.B. durch Gerichte gesondert prüfen zu lassen. Das macht der Stasi alle Ehre.

     

    Dass Linke von ähnlichem Vorgehen verschont bleiben, ist auf lange Sicht vermutlich höchstens Wunschdenken. Friedrich geht es um das Mittel "Datei" als Solches, die Zwickauer sind höchstens Aufhänger, um es erstmal in einem Teilbereich zu etablieren. Würde es Friedrich tatsächlich um eine Bekämpfung rechtsextremer Gewalt gehen, er würde zunächst tiefgehend analysieren, wo mit den drei Nazis Fehler gemacht wurden und wie sie ausgemerzt werden können. Das gibt es bis jetzt nicht und angesichts der ungeklärten Rolle so einiger staatlicher Stellen wird das auch noch mindestens einige Zeit dauern. Wenn überhaupt.

     

    Die Datei ist in Wirklichkeit keine Antwort speziell auf Rechtsterror. Also gibt es auch keinen Grund, sie auf dieses Gebiet zu beschränken. Das sollten alle bedenken, die diesen hemmungslosen Eingriff in die Grundrechte gutheißen, weil es hier gegen die "Bösen" geht.

  • BI
    Bertram in Mainz

    Problem: Es gibt keinen Grund, Rechtsradikale besonders zu behandeln. Ganz sicher wird man weitere Datenbanken anlegen. In manchen Ländern werden auch radikale Tierschützer zu den Terroristen gezählt. Wenn dann noch bloß Verdächtige oder gar Kontaktpersonen gespeichert werden, dann haben wir Gesinnungs-Dateien, in denen fast jeder irgendwie landen kann. So was hatten wir doch schon mal ...

     

    Bei jedem Thema gibt es Radikale, die auch Gewalt befürworten. Damit kann jeder, der irgendwie politisch aktiv ist, in eine solche Datei kommen. Für Stuttgart 21 ist es zu spät. Aber in Zukunft könnten auch solche Proteste zu einem Datei-Eintrag führen. Oder man denke an den Handy-Daten-Skandal in Dresden.

     

    Der Weg ist immer gleich. Man bricht ein Tabu des Datenschutzes bei einem ganz üblen Thema. Kinderporno, Sexualtäter, Rechtsradikale, wer will da widersprechen? Einmal eingeführt, weitet sich das Vorgehen schnell aus. Ich bin dafür, dass man Aufrufe zu Gewalt oder Intoleranz maßvoll, aber konsequent bestraft. Von einer Gesinnungs-Datei halte ich nichts.

     

    Man denke an den Schufa-Score, Fehler in Werbe-Dateien, unsinnige Daten (Essenswünsche) in Anti-Terror-Dateien. Eine Radikalen-Datei wäre nicht genauer, damit eine Gefahr für Normalbürger.

  • A
    Antiüberwachung

    Doch rundum ablehnen können die Liberalen die Anti-Nazi-Datei kaum, denn das wäre politisch nicht vermittelbar.

     

    Seid wann richtet sich die taz al la Bild nach Volkes Stimme. Abgesehen davon hätten alle beteiligten Neonazis jetzt schon gespeichert werden können, wenn es gewollt worden wäre. Die Sicherheitsbehörden haben dagegen den Rechtsextremismus dermaßen verharmlost, da wird auch eine neue Datei nichts darn ändern.

    Abgesehen davon ist die Speicherung von Kontaktpersonen eine Freibrief zur Speicherung von Unschuldigen. D.h. z.B. von Personen die auf der Insel Fehrmann Urlaub machen und dort Neonazis kennenlernen ohne zu wissen wer das ist.

  • I
    Icke

    super... registriert sind die meisten jetzt auch schon das hilft nur nichts wenn die Polizei auf diesem Auge blind zu sein scheint... Beispiel aus Berlin: Die Polizei sucht einen, bereits vorher straffällig gewordenen, Neonazi und hat sogar ein komplettes Bild seines Gesichts... sie finden ihn dennoch nicht bis die Lokale Antifa darauf aufmerksam wird und ihn binnen Stunden identifiziert... aber macht mal ruhig kartei, wir wissen schon ihr gebt euch ja auch ganz doll Mühe