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Nein zu „NoBillag“ in der SchweizSieg der „Zwangsgebühren“

Mit großer Mehrheit hat die Schweiz für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestimmt. Die NoBillag-Initiative sieht sich dennoch erfolgreich.

Doch kein Sendeschluss: Billag bleibt Foto: Manuel Geisser/imago

Genf taz | Auf den deutlichen Volksentscheid der SchweizerInnen gegen eine Initiative zur Abschaffung von Empfangsgebühren für Rundfunk-und Fernsehprogramme reagieren die marktradikalen und rechtspopulistischen Befürworter der Initiative mit neuen Forderungen zur finanziellen Schwächung der Schweizerischen Rundfunk-und Fernsehgesellschaft (SRG).

Bei dem Volksentscheid votierten am Sonntag über 71 Prozent der Abstimmend gegen die NoBillag-Initiative, die ein in der Verfassung verankertes Verbot jeglicher Finanzierung audivisueller Medien durch Gebühren oder Steuern anstrebte. Zudem fordert die Initiative die ersatzlose Streichung der bisherigen Verfassungsbestimmung, wonach Radio und Fernsehen „die Ereignisse sachgerecht darstellen“ und „die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen muß“.

Billag ist der Name des Unternehmens, das im staatlichen Auftrag die Gebühren eintreibt, mit denen nicht nicht nur die 17 landesweit empfangbaren dreisprachigen Vollprogramme der SRG zu rund 75 Prozent finanziert werden, sondern auch 34 lokale Rundfunk und TV-Sender.

Gegen Daseinsfürsorge

Die Initiative scheiterte in allen 26 Kantonen – darunter mit 65,5 Prozent „Nein“-Stimmen selbst im italienischsprachigen Tessin, wo Umfragen letzte Woche noch ein „Ja“ erwarten ließen.

Die NoBillag-Initiative wurde 2014 auf den Weg gebracht von einer Gruppe libertärer und marktradikaler Wirtschaftsstudenten und Professoren, die staatliche Regeln und öffentliche Daseinsfürorge nicht nur im Mediensektor, sondern in fast sämtlichen Bereichen strikt ablehnen. Stattdessen wollen sie diese Aufgaben den „Gesetzen des freien Marktes“ und der „Eigenverantwortung des freien Individuums“ überlassen. Sie berufen sich dabei unter anderem auf den österreichischen Nationalökonomen Friedrich August von Hajek, einer der wichtigsten Vordenker des Marktradikalismus. Hajek plädierte für einen Minimalstaat, der sich beschränkt auf die Außenpolitik und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Die erforderlichen 100.000 Unterschriften, damit die Initiative dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden konnte, kamen dank der Unterstützung der rechtspopulistischen SVP zusammen. Sie stellt die größte Fraktion im Berner Parlament sowie zwei der sieben Minister in der Regierung. Die SVP sah in der NoBillag-Initiative die Chance, endlich die von ihr schon lange als „linken Staatsfunk“ diffamierte SRG zu zerschlagen. Das liegt auch im Interesse des SVP-Chefstrategen und milliardenschweren Unternehmers Christoph Blocher, der bereits die rechtspopulistische Weltwoche und andere ähnlich ausgerichtete Medien besitzt oder finanziert.

Gebühren sinken

Lediglich unter den AnhängerInnen der SVP erhielt Initiative bei dem Volksentscheid eine Mehrheit. NoBillag-Mitinitiant Olivier Kessler bezeichnete die Abstimmung trotz des klaren Neins als „großen Erfolg“, denn die „Zwangsgebühren“ hätten enttabuisiert werden können, und es sei eine „große medienpolitische Diskussion“ lanciert worden. „Wir können stolz darauf sein, dass die Schweiz als erstes Land über die Legitimation von Zwangsgebühren im Medienbereich abstimmen konnte“, erklärte Kessler.

Die SVP-Medienpolitikerin Natalie Rickli verbuchte als Erfolg der Initiative, dass Medienministerin Doris Leuthard im Verlauf des Abstimmungskampfes eine Senkung der Billag-Gebühren von derzeit noch jährlich 450 Schweizer Franken pro Haushalt auf 365 Franken ab Januar 2019 versprochen habe. Leuthard hatte diese Zusage im Herbst letzten Jahres gemacht, als Umfragen eine Mehrheit für die NoBillag-Initiative ergaben. Nickli verlangte ein „Abspecken“ der SRG sowie die völlige Streichung der Gebühren für Unternehmen.

Der Verband der Zeitungsverleger forderte die Regierung zur Aufgabe von Plänen auf, wonach die SRG künftig zielgruppengerichtete Werbung betreiben und auf digitalen Kanäle expandieren dürfte. Zudem müsse die SRG auf neue Formen der Kommerzialisierung verzichten, namentlich auf Onlinewerbung.

Die Billag-Gebühren sollen 2019 von jährlich 450 Schweizer Franken auf 365 Franken sinken

Auch ein bedingungsloser und schneller Austritt aus der Werbeallianz Admeira sei notwendig. Unter den Befürwortern von NoBillag werden bereits Pläne diskutiert zur Lancierung einer neuen Initiative mit diesen Forderungen. Außerdem wollen sie eine noch weitergehende Reduzierung der Billag-Gebühren. Bereits die zum Januar 2019 anstehende Gebührensenkung werde bei der SRG zum Abbau von Arbeitsplätzen führen, kündigte ihr Direktor Gilles Marchand gestern an.

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12 Kommentare

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  • "Öffentlich Rechtlich"

     

    Bei diesem Begriff sollte man davon ausgehen dürfen, dass deren Anliegen in erster Linie die Grundversorgung mit öffentlich rechtlichen Nachrichten aufrecht erhalten werden soll, auch bei landesweiten Krisen.

    Diese Sender sollten in erster Linie dafür sorgen, dass deren Sendungen Neutral und Informativ gehalten werden sollten.

     

    Es kann aber nicht der Auftrag sein, die Bevölkerung mit den 1TSD und so und so vielen Serienteilen und deren Wiederholungen voll zu rieseln, die Leute mit immer den gleichen Moderatoren in eine politische Richtung zu lenken und auch gleich noch (Einheits-)Meinungsbildende Programme auszustrahlen, die derart Regierungsabhängig sind, wie es z.Z. täglich geschieht!

     

    Die Gelder, die sich die ÖR Sender genehmigen sind vollends überzogen, da nicht die Grundversorgung, sondern das Prestige der einzelnen Sendeanstalten finanziert wird.

    Es ist ein Unding, dass so viele Millionen in einzelne Sportereignisse gehen, während andere Sportarten nicht mal Erwähnung finden, wenn etwas Weltbewegendes geschieht!

     

    Diese absolut Einseitige Art und Weise mit der hier Gelder an die ÖR verteilt werden, obwohl diese Medien kaum noch Anklang in der breiten Öffentlichkeit finden, zumindest bei den unter 60ig jährigen, ist eine Phrase.

     

    Schaut man sich die Aktivitäten der ÖR an, sollte man sich wirklich fragen, ob dies noch zu dem Auftrag des ÖR Funks gehören.

    Sie sollen, wie eingangs bereits erwähnt, in erster Linie Informieren und mehr nicht, dies dürfte wohl auch mit einer Gebühr von monatlich 5,--Euro machbar sein.

     

    Für alles weitere von den Programmen, die nicht zu ihrem Auftrag gehören, können sie Pay TV Kanäle produzieren, dabei würden sie allerdings bei der Programmgestaltung sehr schnell hohe Verluste einfahren, die sie selbst bezahlen müssten.

     

    Was jetzt für ein Programm läuft, wird ja von der Allgemeinheit bezahlt und sie dürfen weiter machen auch wenn es nur noch Flops auf der Programmliste gibt.

     

    95% der Inhalte sind Ausschuss!!!

    • @urbuerger:

      So ist es! Und diese 5 € könnten letztendlich auch über Steuer eingezogen werden. Staatsnähe besteht zu 100% auch, wenn der Staat die Anstalten als Behörde operieren lässt. Die Unabhängigkeit müsste da auch nur auf Gesetzesfüße gestellt werden. Weniger Unabhängigkeit käme dabei auch nicht raus. Mit der Einführung dieser Gebühr hat sich der Staat was vom Hals geschafft.... und nicht zuletzt die immer mehr ausufernden, horrenden Pensionskosten. Es sollte in der Debatte nicht um eine Abschaffung des ÖR gehen, sondern um den sinnvollen Einsatz der Mittel. Ich kann nicht verstehen, dass wie auch immer man darüber debattieren will, sofort zum rechten Spektrum gerechnet wird und Abschaffungsbestreben attestiert bekommt.

      Schwarz und Weiß führt da eher ins aus des ÖR, als ein Reform, die den Namen verdient und kompromissfähig ist. Die Akzeptanz des ÖR, wie jetzt betrieben, wird von der Jugend ausgehend langfristig sinken, da bei diesen überwiegend längst andere Medien die Rolle spielen. Denen muss man als zukünftige Rentenverlierer auch klar machen, warum die hohen Pensionsrückstellungen des ÖR. Tendenziell wird das Thema Rundfunkgebühr einmal ganz anders behandelt, als sich das die jetzigen Alternativlos- Ja-Sager vorstellen können.

  • „als „linken Staatsfunk“ diffamierte SRG“

    „ersatzlose Streichung der bisherigen Verfassungsbestimmung, wonach Radio und Fernsehen „die Ereignisse sachgerecht darstellen“ [...] muß”

     

    Eine umständliche Art zuzugeben, dass die „alternative facts” erfundener Blödsinn sind.

  • Mehr Hintergrund-Info gibt es auf: https://www.republik.ch/2018/03/02/wie-das-fernsehen-wurde-was-es-ist

    Grüsse aus der Schweiz.

  • 9G
    95692 (Profil gelöscht)

    Was heißt den hier " Sieg der Zwangsgebühren "

    Klingt wie eine AfD Überschrift.

    Wollt ihr wirklich Gehirnwäsche durch ständige Werbung und ein Niveau wie auf RTL ?

    • @95692 (Profil gelöscht):

      Mal abgesehen davon, dass "Zwangsgebühren" auch ein rechter Kampfbegriff ist, so gibt´s doch am Wortsinn nichts auszusetzen. Resultat der Verweigerung ist die Zwangsvollstreckung.

      • @lions:

        Genauso wie es dann z.B. die Zwangsstraßenreinigungsgebühr, die Zwangsgewerbesteuersteuer und der Zwangsstudierenschaftsbeitrag heißen müsste?

        • @Hans aus Jena:

          Habe darauf gewartet. Zieht man auf die Kehrmaschine Goldbürsten auf und zahlt dem Kehrer ein Gehalt und Rente, die den OB blass werden lässt. Und muss die Gebühr bezahlt werden, obwohl der Anwohner mit einem ungekehrten Feldweg angebunden ist, so erlebt man auch diese Gebühr als Zwangsgebühr. Es ist also nicht nur eine Frage des Ob, sondern auch des Wie.

          • @lions:

            Nun, Ihre Anwort war auch erwartbar. Deswegen ein wenig Aufklärung: Der Lohn des Kehrers wird auch in Ihrer Gemeinde vom Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes festgelegt (und keine Angst, der ist da nicht zu hoch). Eine Gebühr kann nach deutschem Rechtssystem auch nur gegen eine Gegenleistung festgelegt werden. Zudem darf die Gemeinde über öffentliche Gebühren keinen Gewinn machen, sondern lediglich ihre Aufwendungen ersetzt bekommen. In Ihrem Fall legt diese Gebühr die Straßenreinigungsgebührensatzung Ihrer Gemeinde fest. Diese wird auch von der Rechtaufsichtsbehörde, die die Satzung Ihrer Gemeinde genehmigen muss, auf ihre genannten Voraussetzungen überprüft. Ob Ihr Feldweg gereinigt wird, steht wiederum in der Starßenreinigungssatzung, der die Straßen in einzelne Straßenreinigungsklassen einteilt, die wiederum die Anzahl der Kehrtouren pro Woche oder Monat bestimmen bzw. sogar die Reinigung durch die Anwohner selbst festlegen können. Eine Reinigung eines Feldweges dürfte bei der Rechtaufsichtsbehörde, die auch diese Satzung genehmigen muss, kaum durchkommen, da wie oben gesagt keine Gegenleistung erbracht werden kann. Beide Satzungen fallen i.Ü. auch nicht vom Himmel, sondern werden durch die gewählte Gemeindevertretzung Ihrer Kommune beschlossen (die auch entscheidet, ob goldene Besen angeschafft werden oder ob Sie die Straße vor Ihrem Haus selber reinigen müssen oder nicht). Am Ende ist also Ihre durch Sie zu zahlende Straßenreinigungsgebühr das Ergebnis eines demokratischen Aktes. Das mögen Sie subjektiv als "Zwang" erleben, ist aber am Ende auch in diesem Fall ein Aushandeln in ihrer für die Erfüllung bestimmter öffentlicher Anliegen (hier Sauberkeit des Ortsbildes) zuständigen Gemeinschaft, vulgo Gemeinde. Das dies ein demokratischer Proezess ist - glauben Sie es mir als Kommunalpolitker, gerade bei diesem Thema ist die Rückkopplung der Bevölkerung sehr direkt. Den Vergleich zu der anderen Gebühr und ihr dem. Zustandekommen, können Sie gern selbst ziehen,

  • In der Schweiz können sich die Leute wahrscheinlich die Gebühren auch easy leisten. In einer Stadt wie Berlin mag das anders aussehen.

    • @kditd:

      Nein nein, so ist es nicht. Auch in der Schweiz gibt es viele Haushalte, die sich die TV- und Radiogebühren nicht leisten können. Und die müssen auch gar nicht bezahlen. Denn RentnerInnen mit Ergänzungsleistungen, SozialhilfeempfängerInnen und andere, die unter oder nur mit dem Existenzminimum leben müssen, bezahlen (gesetzlich verankert) keine Gebühren.

  • Die komplette Abschaffung war zu radikal und, aus meiner Sicht, auch nicht sinnvoll.

    Wenn die sich darauf beschränkt hätten, dass man die Kosten senkt, wäre die Abstimmung vermutlich anders ausgegangen.

    Wobei die Schweiz durch die Mehrsprachigkeit natürlich mehr Programme benötigt als Deutschland (wobei wir vermutlich trotzdem deutlich mehr ÖR-Sender haben.)