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Nebenwirkungen

Anabole Steroide – genauer: anabol androgene Steroidhormone – sind Abkömmlinge des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Die Einnahme dieser Substanzen bewirkt einen stärkeren Muskelaufbau und damit verbundene Leistungssteigerungen im Sport.

Doch die Anabolika haben fatale, vor allem langfristig schädliche Nebenwirkungen – ganz besonders für eine Frau. Schon die kleinste Dosis beeinträchtigt ihren Hormonhaushalt: starke Akne, Störung der Fruchtbarkeit, irreversible Stimmvertiefung, Zunahme der Körperbehaarung und Klitoriswachstum sind die Folgen.

Bei Männern hingegen werden andere Nebenwirkungen beobachtet: Im Männerkörper werden Anabolika zum Teil in Östrogene umgewandelt. Davon abgesehen, dass dann das Hodenvolumen geringer wird und die Spermienzahl abnimmt, wachsen gedopten Sportlern plötzlich Brüste. Um die so genannten bitch-tits in Schach zu halten, werden zusätzlich Antiöstrogene eingenommen.

Bei Frauen und Männern zieht die Einnahme anaboler Steroide häufig kardio-vaskuläre Probleme nach sich: Es kommt zu einer Veränderung von Blutlipiden und der Herzmuskulatur, was zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führt. Ferner steigt durch anaboles Doping die Krebsgefahr.

Rund fünfhundert Fälle von Herz- und Krebserkrankungen unter DDR-Sportlern sind bis heute bekannt, hinzu kommen Menschen mit Leberschäden sowie Muskel- und Sehnenverletzungen. Nicht zu unterschätzen sind starke psychische Erkrankungen (Aggressivität, Depressionen, Essstörungen), die selbst nach Absetzen der Präparate anhalten können.

Der gewünschte Muskelaufbau durch Anabolika ist bei Frauen effektiver als bei Männern. Was man auch an den sinkenden Leistungskurven bei weiblichen Kraftsportlerinnen seit Einführung regelmäßigen Trainingskontrollen Ende der Achtzigerjahre bemerkt. Die heutige Weltmeisterin im Kugelstoßen hätte vor zwanzig Jahren bei keiner internationalen Meisterschaft Endkampfchancen gehabt.

Nicht nur dem sportlichen Größenwahn der DDR fielen viele Athleten zum Opfer – sie wurden auch als Versuchskaninchen für pharmazeutische Experimente missbraucht. Besonders die volkseigene Arzneimittelfirma Jenapharm, die heute zur Schering AG gehört, arbeitete eng mit dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) zusammen.

In ihrem Buch Verlorene Spiele. Journal eines Dopingprozesses (Transit, Berlin 2001, 160 Seiten, 15,23 €) beschreibt die ehemalige DDR-Sprinterin Ines Geipel den Berliner Dopingprozess, bei dem der Chef des DTSB, Manfred Ewald, und der Leiter des sportmedizinischen Dienstes der DDR, Manfred Höppner, 2000 wegen „vorsätzlicher Körperverletzung in 142 Fällen“ zu leichten Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt wurden.

Zeitgleich zum Erscheinen des Buches im Mai hat sie mit vierzehn Sportlerinnen einen offenen Brief an den Bundestag geschrieben. Seitdem befasst sich der Sportausschuss verstärkt mit dem Dopingthema. Die Bundesregierung hat mittlerweile zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Anlaufstelle für betroffenen Sportler: Doping-Opfer-Hilfe (Luisenstraße 23, 69469 Weinheim), die kostenlose Beratung anbietet. JH

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