Naziszene im Südwesten (Teil 2): Heil Bronner!

Ein jüdischer Barbesitzer erhält Morddrohungen, ein Nazi- Versandhandel floriert: Dennoch wollen Polizei und Stadt nichts von rechten Umtrieben wissen.

Schön grün der Landkreis Heilbronn – aber mit braunen Stellen Bild: imago / suedraumfoto

BERLIN taz | Obwohl Stadt und Polizei Probleme mit Rechtsextremen in Heilbronn bestreiten, bekam es ein jüdischer Barbesitzer mit Neonazis zu tun. Im Frühjahr 2010 erhielt er regelmäßig Morddrohungen via Telefon. Als er an der Außenwand seines Lokals Hakenkreuze und das Wort „Jude“ entdeckte, erstattete er Anzeige. Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden. Immerhin: Seitdem ist Ruhe.

Heftig kritisiert wird der polizeiliche Umgang mit Neonazis vor allem von der Antifaschistischen Aktion (Antifa) Heilbronn. Einer ihrer Vertreter wirft den Ermittlern vor, dass sie die Rechtsradikalen verharmlosten: „Die Szene in und um Heilbronn ist eine der aktivsten in Baden-Württemberg“, sagt er.

Erst kürzlich outete die Antifa die Leiterin der Jungen Nationaldemokraten (JN) Heilbronn-Hohenlohe, die Jugendorganisation der NPD. Isabel Z. wolle eine Beamtinnenlaufbahn einschlagen, schildert der junge Antifa-Vertreter. Dazu absolvierte die JN-Aktivistin in ihrer Heimatstadt – nur zwölf Kilometer südlich von Heilbronn – ein sechsmonatiges Praktikum in der Verwaltung. Dort wusste offenbar niemand von ihrer Gesinnung.

„In der Schule war bekannt, dass sie in einer rechten Clique ist“, sagt hingegen ein ehemaliger Mitschüler. Der Ort sei klein, die Stadtverwaltung hätte es „auf jeden Fall rausbekommen können“. Besonders pikant: Während des Praktikums hatte sie Zugang zu persönlichen Daten der Bürger.

„Weiße Rebellion“

Nach Einschätzung der Antifa halten NPD und JN die Strippen in der Szene zusammen. Mit einer gewaltbereiten autonomen Kameradschaft, den Freien Nationalisten Kraichgau, sei die JN gut vernetzt, sagt der junge Mann. Einige Heilbronner seien dort aktiv.

Die Kameradschaft agiert vor allem //linksunten.indymedia.org/de/node/81796:im Raum Sinsheim, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Heilbronn. Staatsschützer Lars Fuhrmann bestätigt: „Es gibt eine Handvoll Personen aus dem Randbereich des Landkreises, die bei den Freien Nationalisten aktiv sind.“ Seine Behörde sei dafür aber nicht zuständig, da Sinsheim von einer anderen Polizeidirektion betreut werde.

Für noch gefährlicher hält die Antifa eine weitere Gruppe: die „Weiße Rebellion“. Auch bei ihr sind Personen aus dem Kreis Heilbronn aktiv. „In der konspirativen Gruppe finden sich überwiegend Skinheads“, sagt der Antifa-Aktivist. Laut einem internen Polizeipapier handelt es sich bei der „Weißen Rebellion“ um eine „Organisation mit festen Strukturen“.

Auch Verbindungen in den Kreis Heilbronn werden erwähnt: Von dort seien „derzeit mehrere Angehörige der rechtsextremistischen Szene bekannt, welche Kontakte zur ’Weißen Rebellion‘ und den ’Freien Nationalisten‘ pflegen“. Verantwortlich ist die „Weiße Rebellion“ laut Papier „für mehrere Demonstrationen und Straftaten im Bereich Propaganda- und Körperverletzungsdelikte“.

Also gibt es doch eine rechtsextremistische Szene? Überrascht wiegelt die Polizei auf Nachfrage ab. Es möge sein, dass Heilbronner dort aktiv seien, „ob es Mitglieder sind, weiß man aber nicht“, so Fuhrmann.

Man dachte, der Nazi sei weggezogen

Neben aktiven Gruppen wartet die Heilbronner Szene auch mit mehreren rechtsextremen Einzelpersonen auf: Da wäre zum Beispiel Lars Käppler, der einen der führenden rechten Versandhandel mit Sitz in einer Landkreisgemeinde und Postfach in Heilbronn betreibt. Von Neckarwestheim aus führt der Neonazi den „Weltnetzladen“, seitdem er sich von seinen öffentlichen Auftritten als JN- und NPD-Funktionär zurückgezogen hat. Wegen Volksverhetzung wurde Käppler bereits 2009 vom Amtsgericht Heilbronn zu einer Geldstrafe verurteilt.

Auf Nachfrage zu dem rechten Online-Händler gibt sich Staatsschützer Fuhrmann erstaunt: Man dachte, der Neonazi sei samt seinem Verhandhandel aus dem Raum Heilbronn weggezogen.

Und dann ist da noch die mutmaßliche Betreiberin des rechten Internetforums „thiazi.net“. Sie wohnt in einer Landkreisgemeinde nördlich von Heilbronn. Nach BKA-Angaben gilt das Forum als die bedeutendste deutschsprachige rechtsextremistische Internetplattform. Bei einer Razzia des BKA im Juni 2012 wurde die damals 30-Jährige in ihrem Haus festgenommen. Gemeinsam mit einem gleichaltrigen Erzieher aus Mecklenburg-Vorpommern soll sie eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, so das BKA. Inzwischen hat das Landgericht Rostock gegen die beiden Beschuldigten Anklage wegen Volksverhetzung erhoben.

Hier geht es zu Teil 1 des Artikels.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.