Nazi-Vernetzungstreffen in Goslar: Den Nazis keine Zukunft
Am Samstagnachmittag demonstrierten 265 Rechtsextreme in Goslar gegen Überfremdung. Ihnen gegenüber standen 3.000 Gegendemonstrant*innen.
Am Einsatzort fanden die Beamten nach Angaben eines Sprechers einen Zettel auf dem „Stellt den Bahnverkehr ein“ stand. Die Buchstaben seien aus Zeitungen ausgeschnitten worden, hieß es. Zum „Tag der deutschen Zukunft“ hatten unter anderem rechtsextreme Kameradschaften und die Partei „Die Rechte“ bundesweit aufgerufen, es kamen aber gerade mal 265 Neonazis. Gegen das Nazi-Treffen protestierten mindestens 3.000 Menschen – da waren sich Veranstalter, Polizei und Beobachter einig.
Gegen 10.30 Uhr setzte sich der vom Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus organisierte „Marsch für Demokratie“ in Bewegung. „Goslars Zukunft bleibt bunt. Kein Platz für Rassismus“, stand auf dem Transparent, das Bündnismitglieder an der Spitze des Zuges hochhielten.
In den ersten Reihen hatte sich Prominenz aufgestellt: Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk, einige Landtags- und Bundestagsabgeordnete, Sigmar Gabriel. „Die rechtsradikalen Gruppen, die sich heute in meiner Heimat Goslar treffen, sind nicht Deutschland“, twitterte der ehemalige Außenminister: „Im Gegenteil: WIR sind Deutschland.“
Demonstranten reckten selbst gebastelte Schilder in die Luft: „Gegen Nazis“ war darauf zu lesen. Kirchenglocken bimmelten zur Unterstützung, in einigen Schulen hatten Kinder die Fenster mit den Worten „Wir sind bunt“ beklebt. Antifa-Gruppen, die in Göttingen und anderen norddeutschen Städten kräftig zu den Protesten mobilisiert hatten, waren in der Menge zunächst kaum auszumachen.
Initiiert hat den „Tages der deutschen Zukunft“ Dieter Riefling. Er ist ein mehrfach vorbestrafter, ehemaliger Kader der verbotenen FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) und Mitgründer mehrerer neonazistischer Kameradschaften.
Das erste Treffen fand 2009 in Pinneberg statt. Seit 2014, als Dresden Veranstaltungsort wurde, gilt der „Tag der deutschen Zukunft“ als bundesweites Vernetzungstreffen der Nazi-Szene.
Zum Abschluss des letztjährigen Aufmarsches war verkündet worden, dass das zehnjährige Jubiläum in der „Reichsbauernstadt“ Goslar stattfinden solle. Die Nationalsozialisten nannten Goslar zwischen 1936 und 1945 „Reichsbauernstadt“ .
Das kann auch daran liegen, dass die Polizei rund um Goslar Sperren errichtet hatte. Beamte winkten Bussen und Autos heraus, kontrollierten Fahrzeuge und Insassen. Mehr als 400 Gegenstände seien dabei sichergestellt worden, sagte ein Polizeisprecher, darunter „diverse Schutzbewaffnungen und Stöcke“. Viele Demonstranten erreichten Goslar erst verspätet.
Einige Nazi-Gegner beteiligten sich zudem nicht an dem Protestzug, sondern versuchten auf die Marschstrecke der Neonazis im Stadtteil Georgenberg zu gelangen. Ein paar Rangeleien, 19 Platzverweise, zwei Ingewahrsamnahmen lautete hier die Bilanz der Polizei. In zwei Fällen setzten die Beamten größere Gruppen linker Demonstranten vorübergehend fest.
Aktivisten aus Hildesheim berichteten, in ihrer Stadt habe der Staatsschutz Busunternehmen abtelefoniert, ein vom Asta gecharterter Bus sei daraufhin von der Firma storniert worden. Erhärten lies sich der Vorwurf zunächst aber nicht.
Der Treffpunkt der Nazis nördlich des Bahnhofs füllte sich unterdessen nur schleppend. Als einer der ersten Rechtsextremisten zeigte sich am Mittag Dieter Riefling. Der ehemalige Kader der verbotenen FAP und Mitgründer mehrerer neonazistischer Kameradschaften gilt als „Erfinder“ des „Tages der deutschen Zukunft“.
Zwei Stunden später als angekündigt und abgeschirmt von der Polizei zogen die Nazis los. Einige schwenkten schwarz-weiß-rote Fahnen. Auch ein Transparent, das die Freilassung der kürzlich inhaftierten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck forderte, war zu sehen.
Dass die Rechtsextremisten überhaupt demonstrieren durften, war im Vorfeld auf Kritik gestoßen. „Da trifft sich die Avantgarde der militanten Nazi-Szene in Goslar, eine Versammlung von Holocaustleugnern und Gewalttätern, und die Versammlungsbehörde kann kein Gefahrenpotenzial entdecken“, sagt Sebastian Wertmüller vom DGB. Die Stadt Goslar hätte die Versammlung untersagen müssen, meint er.
Das Bündnis gegen Rechtsextremismus hatte sich „irritiert“ gezeigt, dass die Goslarer Polizeiführung und Teile der Stadtverwaltung davon ausgingen, „dass von unseren Gegenprotesten eine größere Gefahr ausgeht als von den Neonazis“. Die Polizeichefin Petra Krischker hatte zuvor erklärt, die Rechtsextremisten würden sich an vorgegebene „Spielregeln halten“. Durch solche Äußerungen, so das Bündnis, würden die Ziele der Faschisten „gefährlich verharmlost“.
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