Naturschutz auf den Galapagosinseln: Leben in der Ökodiktatur
Die Galapagosinseln wurden wegen ihres Ökosystems zum Unesco-Welterbe. Heute praktiziert Ecuadors Regierung dort Umweltschutz mit harter Hand.
Riesenschildkröten, Urzeitechsen und einzigartige Vogelarten haben die Galapagosinseln berühmt gemacht. 40 Prozent der Tierarten dort sind nirgendwo sonst auf der Erde zu finden. Für Besucher ist die Begegnung mit dieser Tierwelt faszinierend: Ob Pelikane oder Seelöwen – sie fürchten sich nicht einmal vor Menschen, denn im biologischen Gleichgewicht von Galapagos gibt es weder Jäger noch Gejagte.
In diesem Paradies zu leben erscheint verlockend. Doch begeisterte Touristen, die sich die teure Anreise leisten, übersehen leicht die Beschwerlichkeiten, unter denen die 30.000 Bewohner des Naturparadieses leben.
Unbequemlichkeit und Verbote prägen den Alltag auf dem Archipel. Das Leben auf den Galapagos gleicht einer Ökodiktatur. Der Arm staatlicher Stellen reicht in alle Lebensbereiche: Sie entscheiden anhand strenger Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, wer das Archipel überhaupt betreten und hier verweilen darf; wer ein Auto oder ein Motorrad nutzt; wer die Erlaubnis bekommt, sein Haus zu renovieren. Auch das wirtschaftliche Auskommen der Einwohner wird vom Staat so gelenkt, dass der Schaden für die Umwelt möglichst gering ausfällt: Für praktisch jede wirtschaftliche Tätigkeit vergeben die Behörden in ihrer Anzahl begrenzte und zeitlich befristete Lizenzen.
Fischer etwa dürfen nur in kleinen Booten ohne Sonnenschutz, ohne Netze oder motorbetriebene Winden angeln. Die Position ihrer Boote wird mithilfe von GPS-Technik permanent überwacht. Wer unerlaubt durch das 80 Meilen weite Meeresreservat schippert, dem drohen empfindliche Geldstrafen.
Die Galapagosinseln sind ein Naturparadies mit einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt, etwa 1.000 km vor der Küste Ecuadors. 4 der 19 Inseln des Archipels im Pazifischen Ozean sind bewohnt.
30.000 Menschen leben auf den Inseln. Rigide staatliche Eingriffe in viele Lebensbereiche sollen dabei helfen, das Ökosystem möglichst wenig zu belasten.
Bereits 1959 wurden die Galapagosinseln zum Nationalpark erklärt, 1978 erfolgte die Ernennung zum Unesco-Weltnaturerbe. Doch erst seit 1998 sorgt ein Gesetz dafür, dass strenger Naturschutz dort auch praktiziert wird.
Gefährdet wird das jahrmillionenalte Ökosystem etwa durch Ziegen und Ratten, aber auch durch eingeschleppte Pflanzenarten und Parasiten sowie Tourismus und illegale Fischerei. Die Hälfte der endemischen Tierarten gilt als bedroht.
Wichtigste Einnahmequelle bleibt der Tourismus. Jährlich besuchen etwa 170.000 Reisende das Unesco-Welterbe. 2007 stand dieser Titel auf der Kippe. Die Unesco drohte die Ehrung zu entziehen, weil Tourismus, Fischerei und Ansiedlungen zu starke Spuren in Flora und Fauna hinterließen. Seitdem versuchen Ecuadors staatliche Stellen mehr denn je den Fremdenverkehr durch strenge Auflagen umweltverträglich zu gestalten. Doch die Unesco ist weiterhin besorgt: „Die hohen Besucherzahlen überfordern die Insel.“
Staatlich geprüfter Naturführer
Jaime Navas lebt von den Touristen. Er wurde auf Galapagos geboren und besitzt eine der etwa tausend begehrten Zulassungen als staatlich geprüfter Naturführer. „Wenn man es ernst nimmt mit dem Naturschutz, dann braucht man strenge Regeln“, sagt Navas. Er hat auf dem Festland Biologe studiert. Seine Kindheit prägte naturverbundene Beschaulichkeit: „Wir hatten nicht einmal Strom. Auf unserer Farm trockneten wir das Fleisch nur mit Salz und Luft. Es gab auch keinen Reis, weil wir genügend Bananen und Yuccawurzeln hatten“, erinnert sich der 53-Jährige.
In Puerto Ayora ist davon nichts mehr zu spüren. Mit 15.000 Einwohnern ist die Stadt auf der Insel Santa Cruz ein gut erschlossenes Touristenzentrum. Elektrizität wird dort überwiegend mit Dieselmotoren erzeugt. Verkehrsprobleme gibt es in Puerto Ayora nicht. Der Grund ist simpel: Autos und Motorräder gibt es kaum. Drei von vier Autos auf den Inseln sind weiße SUV, die als Taxis ihre Runden ziehen. Nur wer beruflich auf ein Fahrzeug angewiesen ist, darf sich um eine Lizenz bewerben. Aber selbst Landwirte oder Bauunternehmer bekommen höchstens eine Lizenz für die ganze Familie. Den allermeisten bleibt nur das Taxi oder das Fahrrad übrig.
„Das ist manchmal etwas beschwerlich, aber man gewöhnt sich daran“, sagt Navas ohne jedes Bedauern. Die Kontrollwut der Behörden ist aber nicht nur unbequem: Jaime Navas hat sie die berufliche Existenz gekostet. Als Profitaucher arbeitete er 15 Jahre in den USA. Zurück auf Galapagos investierte er seine gesamten Ersparnisse in ein Ausflugsboot. Er bekam eine Betriebserlaubnis für sieben Jahre. Doch schon zwei Jahren später kam der Schock: Die Inselverwaltung widerrief elf Lizenzen, darunter seine.
Strohmänner eingesetzt
„Von heute auf morgen wurden die Regeln geändert“, erinnert sich Navas. „Wir haben das akzeptiert und legten unsere Boote ins Trockendock“, erinnert sich der Vater von vier Kindern. Nur was dann kam, „das war nicht in Ordnung“, schiebt er ohne hörbaren Groll nach: Das Geschäft übernahmen ausländische Boote, die auf den Namen Einheimischer registriert sind.
Seit fünf Jahren gammeln Navas Lebensersparnisse von 400.000 Dollar in einem Trockendock vor sich hin. Die Auflagen der Behörden machen es ihm und seiner Familie weiterhin schwer, selbst banale Einkommensquellen zu erschließen. „Ich würde gern zwei Zimmer an mein Haus anbauen, um sie an Touristen zu vermieten“, sagt Navas. Doch das ist wohl illusorisch. „Ich bekomme keine Baugenehmigung.“
Die Regierung hat die Banken des Landes angewiesen, so gut wie keine Immobilienkredite nach Galapagos zu vergeben. Auf der Insel Santa Cruz kann man Häuser bewundern, die auch nach 30 Jahren Bauzeit nicht fertiggestellt wurden. Für Hotelneubauten gilt seit Frühjahr gar ein achtjähriger Baustopp.
Ein Musterbeispiel für Naturschutz
Rückschläge und Beschwerlichkeiten haben nicht an Navas’ Überzeugung gerüttelt, dass die strenge Linie für das Naturparadies im Prinzip der richtige Weg ist: „Die Galapagosinseln sind ein Musterbeispiel für Naturschutz. Sie können ein Modell für andere Regionen der Welt sein, die Nachhaltigkeit anstreben.“
Für Jaime Navas verläuft die eigentliche Konfliktlinie nicht zwischen Natur und Wirtschaft, sondern zwischen Festlandinvestoren und der Inselbevölkerung. Tatsächlich profitieren die Bewohner bislang kaum von der ökonomischen Entwicklung. Nur etwa 35 Prozent der Firmen auf Galapagos befinden sich im Besitz von Einheimischen. 83 Prozent des Geldes, das auf den Inseln verdient wird, verlässt den Archipel in Richtung Festland.
Navas sieht die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung in Unternehmen, die im Besitz der Insulaner sind. Auf der Insel Floreana Island gibt es bereits ein Modellprojekt. Dort wird ein Hotel gebaut, das 120 Inselfamilien finanzieren. Zu dem Fonds gehören auch sechs Touristenboote. Deren Konzession zu streichen hat sich noch niemand getraut.
Der Autor bereiste die Galapagosinseln auf Einladung des ecuadorianischen Tourismusministeriums.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste