piwik no script img

Nationaler Bildungsrat vor dem AusCSU lässt CDU im Stich

Bayern will aus dem geplanten Beratungsgremium aussteigen, das Projekt steht auf der Kippe. Anja Karliczek sieht nun die Länder am Zug.

Abiturprüfungen an einem Gymnasium in Vilsbiburg Foto: Falk Heller/argum/imago-images

Berlin taz/dpa | Schon mal was vom Nationalen Bildungsrat gehört? Nein. Das Gremium gibt es ja auch noch gar nicht. Und voraussichtlich wird es, den Rat wohl auch nie geben.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Sonntag erklärt, dass Bayern aus dem geplanten Nationalen Bildungsrat aussteige. Auch Baden-Württemberg zog flugs nach. „Der Nationalen Bildungsrat ist ein komplett überflüssiges Gremium, auf das man folgerichtig verzichten kann. Deshalb ist der Entschluss Bayerns logisch und konsequent“, so die Baden-Württembergische CDU-Bildungsministerin Susanne Eisenmann am Montag in einer Presseerklärung.

Dabei steht der Bildungsrat im Koalitionsvertrag, welchen unter anderem die CSU und Ländervertreter:innen aus Baden-Württemberg mit ausgehandelt und unterzeichnet hatten. Das Gremium sollte aus Experten und Vertretern von Bund und Ländern bestehen und Vorschläge für mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen. Etwa zur Vergleichbarkeit des Abiturs oder dazu, wie ein Umzug von Familien mit Schulkindern von einem Bundesland in ein anderes erleichtert werden kann.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, CDU, sagte am Montag vor Journalisten, sie sei betrübt über die Entscheidung Bayerns und könne sie nicht nachvollziehen. Der Bildungsrat sei weder, wie über die Medien verbreitet, als bürokratisches Monstrum geplant, noch eine Erfindung des Bundes. Es ginge nicht darum in die Bildungssysteme der Länder hinein zu regieren. Dennoch sehe sie etwa angesichts von 6,2 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland, eine gesamtstaatliche Verantwortung für gute Bildung.

Netter Versuch

Söder verteidigte die Entscheidung am Montag erneut. „Wir glauben einfach nicht an die Zukunft dieser Idee. Es war ein nett gemeinter Versuch, das mal zu probieren. Aber es ist letztlich auch ein Widerspruch zu der föderalen Bildungsverfassung, die unser Deutschland hat“, sagte der CSU-Politiker. Dass in Berliner Ministerien entschieden werde, was in bayerischen oder Bremer Schulzimmern stattfinde, das sei „zum Scheitern verurteilt“.

Eine Argumentation, die Karliczek nicht nachvollziehen kann. Es sei nie darum gegangen, die Standards zu senken. Das habe sie auch versucht, Herrn Söder zu erklären. Andere CDU-Bildungspolitiker sind ebenfalls konsterniert. Tankred Schipanski, Mitglied des Bildungsausschuss im Bundestag, sieht eine Chance „für die Verbesserung unseres Bildungssystems vertan.“ Mit dem Nationalen Bildungsrat solle das Leistungsniveau nicht gesenkt, sondern bundesweit verbessert werden, so Schipanski.

Dabei hatten sich die Verhandler:innen von Bund und Ländern schon recht weit angenähert. Im Dezember sollte der Nationale Bildungsrat auch beim Treffen der Kultusminister:innen diskutiert werden. Fest stand, dass das Gremium aus zwei Kammern bestehen und mit zwei Drittel Mehrheit Empfehlungen verabschieden sollte. Neben Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen sollten dem Rat auch Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen angehören. Wer wie viele Personen entsendet war noch strittig, fest stand aber, dass Bund und Länder nicht in der Lage sein sollten, sich gegenseitig zu überstimmen.

Bildungsrat „kein Dogma“

Stecken also andere Überlegungen hinter dem Rückzug Bayerns und Baden-Württembergs als inhaltliche? In Baden-Württemberg versucht sich Bildungsministerin Eisenmann derzeit auch als Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahlen gegen den Grünen Ministerpräsidenten zu profilieren. Und gern auch mal gegen die eigenen Parteifreunde. CDU-Kollegin Karliczek legte sie im Streit um den Standort einer Batteriefabrik bereits den Rücktritt nahe.

Bei Söder in Bayern konstatiert die bayerische Grünen-Vorsitzende Sandra Detzer „Effekthascherei.“

Bundesbildungsministerin Karliczek sieht nun die Länder am Zug. Verkämpfen wird sich die CDU-Politikerin beim Thema Bildungsrat wohl nicht. Am Ende sei der Bildungsrat kein Dogma, so Karliczek. An den Zielen mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Qualität im Bildungssystem, werde sie aber festhalten. Nächste Woche trifft sie ihre Länderkolleg:innen wieder. Dann stellen alle gemeinsam die Ergebnisse der Pisa-Studie vor.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ein solcher Bildungsrat kann nur funtionieren, wenn man Bayern und Baden-Württemberg in allen Fragen ein Veto- und Leitungsrecht einräumt. Schließlich wollen sich Musterschüler verständlicherweise nicht von den Schmuddelkindern regieren und reinreden lassen.

    Warum führen wir nicht einfach und ohne Bildungsrat deutschlandweit das bayrische Schulsystem ein?

    Können wir ja gerne nach der Pisapräsentation diskutieren.

    • @DiMa:

      😉. Tja, kann man es wirklich Jemanden verübeln, wenn die Bildungsleistungen in Bremen und Berlin als wenig attraktiv eingeschätzt werden ? Wohl kaum.



      Die Aufarbeitung der Defizite braucht nicht zwingend einen Rat - Selbstkritik schon.

  • Zitate Frau Lehmann (TAZ):



    "Und voraussichtlich wird es, den Rat wohl auch nie geben."



    "Dennoch sehe sie etwa angesichts von 6,2 Millionen funktionalen Analphabeten in Deutschland, eine gesamtstaatliche Verantwortung für gute Bildung."



    Mir scheint, dass Frau Lehmann - zumindest was die Interpunktion betrifft - vom funktionellen Analphabetismus nicht besonders weit entfernt ist.



    Und müsste es - in Analogie zu dem, was sie sonst im Artikel politically correct formuliert hat - nicht auch "funktionelle Analphabet:innen" heissen?