Nahender Wahlkampf in Brasilien: Bolsonaro spielt mit der Gewalt
Nach einer tödlichen Schießerei zwischen zwei Männern diskutiert Brasilien über politische Gewalt. Bolsonaro wird Hetze vorgeworfen.
BERLIN taz | Am vergangenen Samstag hat der Lokalpolitiker der Arbeiterpartei (PT), Marcelo Arruda, seinen Geburtstag in Foz do Iguaçu gefeiert. Die Stadt liegt im südbrasilianischen Bundesstaat Paraná, direkt an der Grenze zu Paraguay und unweit der weltbekannten Iguaçu-Wasserfälle. Gegen 11.30 Uhr tauchte ein Mann am Veranstaltungsort auf, bedrohte die Anwesenden und drückte lautstark seine Unterstützung für Präsident Jair Bolsonaro aus. In seinem Auto saßen seine Frau und sein Baby.
Der Mann zog nach einem Wortwechsel ab, drohte jedoch wiederzukommen und alle umzubringen. Das geht aus Zeugenaussagen, Polizeiberichten und Überwachungskameras hervor.
Arruda, der als Sicherheitsbeamter arbeitete, holte daraufhin seine Waffe aus dem Wagen, um sich bei einer Rückkehr des Mannes schützen zu können. Nach 20 Minuten kehrte der Mann, der inzwischen als der Gefängnismitarbeiter Jorge da Rocha Guaranho identifiziert wurde, tatsächlich zurück und öffnete das Feuer auf Arruda. Der vierfache Vater erwiderte die Schüsse. Beide Männer starben.
Ex-Präsident Lula sprach sein Mitgefühl für die Familie des Opfers aus und betonte, sein Parteikollege habe eine „größere Tragödie“ verhindert.
Schon 2018 drohte Bolsonaro mit Gewalt gegen die PT
Präsident Bolsonaro äußerte sich nicht direkt, schrieb aber bei Twitter, dass es keine Hilfe für diejenigen geben werde, „die Gewalt gegen Oppositionelle ausüben“.
Doch viele machen den ultrarechten Präsidenten für den Angriff mitverantwortlich. So auch der Polizist und PT-Politiker Leonel Radde. „Bolsonaro hetzt und fordert seine Anhänger ständig dazu auf, Gewalt auszuüben“, sagte er taz.
Schon bei einer Wahlkampfveranstaltung 2018 schnappte sich Bolsonaro einen Mikrofonständer, imitierte damit ein Gewehr und brüllte in das Mikrofon „Wir werden die petralhada (abwertende Bezeichnung für Anhänger*innen der PT, die Red.) erschießen.“ Auch durch seinen Kampf für lockere Waffengesetze ermögliche Bolsonaro solche Taten, sagen Expert*innen.
Erst letzte Woche versammelten sich Waffenfans in der Hauptstadt Brasília. Angeführt wurde der Protest vom Präsidentensohn Eduardo Bolsonaro. Guaranho, der Mörder des linken Lokalpolitikers, hatte im Juni 2021 ein Foto mit ihm bei Twitter gepostet.
Das Vertrauen in die Polizei ist gering
Viele rechnen mit Gewalt rund um die für Oktober angesetzte Wahl. Nicht erst seit dem jüngsten Mord wird deshalb diskutiert, wie man Lula schützen kann. Bei einem öffentlichen Auftritt in Rio de Janeiro trug der Ex-Gewerkschafter zuletzt eine kugelsichere Weste, aus Sicherheitsgründen soll er umgezogen sein.
Trotz aller Vorsicht kam es zu mehreren Zwischenfällen bei Veranstaltungen. Viele Linke wollen sich bei dem Schutz ihres Kandidaten nicht allein auf die Polizei verlassen, und das wohl nicht zu Unrecht. In mehreren Städten sollen Polizist*innen vertrauliche Informationen über Lulas Auftritte durchgestochen haben. Viele Polizist*innen in Brasilien unterstützen Bolsonaro.
Leser*innenkommentare
Ardaga
Zwei Dinge:
1) „ultrarechts“, als eigenschaftswörtlicher Beiwagen zu Bolsonaro gehört endlich abmontiert! Da lob ich mir die Kollegin Sandra Weiss vom (Wiener) Standard die für Bolsonaro zuletzt das richtige Label mit „neofaschistisch“ verwendete.
2) „Beide Männer starben“. Nein, der bolsonarrische Mörder lebt.