Nachwuchstenöre aus der Gropiusstadt: Dick auftragen ist immer gut
Die Staatsoper unter den Linden richtet in Neukölln ihr fünftes Kinderopernhaus ein. Die Grundschulkinder sind begeistert dabei.
Hat eigentlich jemals jemand behauptet, die Oper sei eine aussterbende Kunstform? Im Gemeinschaftshaus in der Gropiusstadt stehen Grundschüler*innen der Walter-Gropius-Schule auf der Bühne und wirken ziemlich lebendig. Sie singen „Kaufen, kaufen, kaufen – wir haben alle Wörter da“. Auf den kleinen Bauchläden, die sie sich umgeschnallt haben, stehen Wörter wie „Körperteile“ oder „Tiere“.
Offenbar möchten sie den Bilderbuchklassiker „Die große Wörterfabrik“ in eine Oper übersetzen. Im Buch von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo wird der Wert der Wörter verhandelt, der ins Unermessliche steigt, wenn nicht allen gleichermaßen der Zugang zu Sprache gewährt ist.
So neu der Kosmos Oper vielen Kindern sein mag: Altmodisch scheint er den meisten Nachwuchssopranistinnen und -tenören hier schon jetzt kaum mehr vorzukommen. Die Kinder der Walter-Gropius-Schule und der ebenso beteiligten Lisa-Tetzner-Schule proben nun schon seit September 2022 freiwillig wöchentlich in Schul-AGs. Im September 2023 wird dann hier auf der Bühne mit einer großen gemeinsamen Aufführung das Kinderopernhaus Neukölln eröffnet.
Es ist nicht das Erste seiner Art, das die Staatsoper Unter den Linden im Rahmen ihres Education-Programms für Kinder initiiert. Auch in Lichtenberg, Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf gibt es schon Kinderopernhäuser des Projekts – und auch im rosa Prachtbau in Berlins Mitte selbst können am Ende alle landen, die lang genug dabei bleiben – so wie zuletzt in „Sehnsucht. Lohengrin“, für das sich 32 Berliner Kinder mit Identitätsfragen in Wagners großer romantischer Oper beschäftigt haben.
Sie brennen für die Oper
Trotzdem ist es in der Gropiusstadt, diesem von Christiane F. bis Felix Lobrecht viel beschriebenen Quartier, noch einmal etwas ganz Besonderes, wenn die Kleinsten auf einmal ausgerechnet für die Oper brennen. Auf dem Podium sitzen unter anderen Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) und der Intendant der Staatsoper, Matthias Schulz, im Zuschauerraum sitzen Dutzende Eltern, Stadtteilmütter, Leute vom Quartiersmanagement, Bewohnerinneninitiativen und auch Vertreter der beteiligten Schulen.
Am größten ist das Gelächter, als einer der beteiligten Jungs berichtet, dass er auch gerne moderne Musik hört, die Musik von Rammstein zum Beispiel. Auch das ist eine Erkenntnis: Kinder lieben es oft sehr, wenn in der Musik stiefeldick aufgetragen wird – und das gilt vermutlich für die meisten Kinder der Welt.
Und häufig ist es ihnen dabei ziemlich schnurz, ob sie einen guten Rocksong, einen Schlager oder eine Oper hören. Umso schöner, dass nun einige von ihnen auch als Akteure in die heiligen Hallen der Hochkultur mitsamt schicken Kronleuchtern herzlich eingeladen sind.
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