■ Nachschlag: Die Aktionstheatertruppe "Vis a Vis" gastiert in der Arena
Vom Fluß her riecht es nach Brackwasser. Mückenschwärme, Möwengekreisch. Die Spreeoberfläche reflektiert hübsch die Lichter der Fabrikanlagen am jenseitigen Ufer. Abends auf der weitläufigen Uferterrasse der backsteinernen Arena beschleichen einen im Schatten der Treptower Parks urbane Gefühle. Hier fusioniert es sich: ein Stückchen Restnatur, Industrieromantik, Verfall und Aufbau. Vom Strandkorb aus ein bißchen herbeiassoziiertes New York, London, Amsterdam.
Hierher lud am Samstag die niederländische Aktionstheatergruppe „Vis à Vis“ zur Weltpremiere ihrer vierten Produktion „Mirage“ ins neue Freilufttheater der Arena. Im Vorfeld war davon die Rede, daß die 1989 gegründete Truppe mit höchst spektakulären Bühnenkonzeptionen das Verhältnis Mensch/Maschine neu auszuloten versucht. Doch wer auf technoide Brachialkunst im Stile „La Fura Dels Baus“ hoffte, wurde enttäuscht. In der Regie von Michael Helmerhorst versucht „Mirage“ in Form einer revuehaften Geschichtsexkursion die Frage zu beantworten, weshalb es den Menschen seit jeher zum Fliegen drängt. Die Show beginnt in der Ära Business-class, gleitet hinüber in die SF-Vision des pauschal gebuchten Planet-Hoppings und macht sich dann in gröblichen Sprüngen auf die Reise zurück. Klamaukige Szenen aus dem Kalten Krieg, einem nicht näher bestimmten „Mittelalter“ und dem alten Ägypten führen zum Neandertaler-Panorama im Keulenambiente: Der erste Schritt zum Fliegertraum, so erfährt man hier, war die Kulturleistung des aufrechten Ganges, und den hat der Mensch – wie so vieles – seinem Sexualtrieb zu verdanken.
Solch frappanter Szenenwechsel erfordert natürlich ständiges Kostümgewechsel und flotten Kulissenumbau, vor allem aber immer neue Ideen, die für die fehlende Handlungsstringenz entschädigen. Diese Einfälle beschränken sich auf pantomimische Stand-up- Comedy, mit dessen Hilfe sich die SchauspielerInnen von Kalauer zu Gag und wieder zurück hangeln. Konnte man anfangs noch über einen dezent tuntigen Stewart lachen, so kommen die aufgenähten Riesenpenisse der präindustriellen Epoche eher ballermännisch. Was im Pressetext als „vierter Weg“ zwischen Film, Theater und Zirkus beschworen wird, gehört trotz aufgefahrener Traktoren, Monsterseifenkisten und Stahlkonstruktionen eher in die Kategorie Straßentheater, und dem tut der Schritt zur Materialschlacht vor großem Publikum gar nicht gut. Eva Behrendt
20.–23.7. und 25.7.–2.8. im Freilufttheater der Arena, Eichenstraße
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