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NachrufEr war der organisierten Kriminalität im Weg

Eine Woche kämpften Ärzte um sein Leben, nun ist der mexikanische Umwelt- und Menschenrechtsaktivist Marco Antonio Suástegui gestorben.

Marco Antonio Suástegui, der Karfreitag ermordet wurde. Jahrelang suchte er nach seinem Bruder Vicente, der 2021 verschwand Foto: David Juarez/imago

Berlin taz | Er war einer der sichtbarsten Vertreter im Kampf gegen ein umstrittenes Staudammprojekt im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero: Marco Antonio Suástegui Muñoz. Wie so vielen in dem Land kostete ihn sein Einsatz nun das Leben. Am Freitag erlag der 49-Jährige den Schüssen, die ein Unbekannter auf ihn abgefeuert hatte.

Am Sonntag wurde er auf dem Friedhof in seinem Heimatdorf Cacahuatepec beerdigt. „Marco hat uns gelehrt, wie man die Menschenrechte mit der Machete in der Hand verteidigt“, sagte Abel Barrera, der Leiter des Menschenrechtszentrums Tlachinollan, vor der Trauergemeinde. Zugleich verwies er darauf, dass Suástegui auch eng mit den Behörden und der UNO zusammengearbeitet hatte, um seine Ziele zu erreichen.

Am Karfreitag hatte ein Mann im nahe gelegenen Acapulco auf Suástegui geschossen, als er den Strand der Urlauberstadt verlassen hatte, wo er als Vertreter von Ar­bei­te­r*in­nen des Tourismusgewerbes tätig war. Eine Woche lang kämpften die Ärzte um sein Überleben. Gemeinsam mit seiner Familie hatte sich Suástegui gegen die lokalen Machthaber für die Rechte der armen Bevölkerung eingesetzt, seit 22 Jahren kämpfte er mit der Organisation CECOP gegen den Bau des Staudamms La Parota. Mit Blockaden, Öffentlichkeitsarbeit und juristischen Maßnahmen konnten sie das Projekt bis heute verhindern.

Sollte die staatliche Energiebehörde CFE die Anlage eines Tages bauen, würden mehrere am Rio Papagayo liegende Gemeinden und 17.000 Hektar Ackerland überflutet werden. 25.000 Menschen müssten ihre Dörfer verlassen, die Plantagen und Felder mit Zitronen, Melonen, Kokos und Mangos würden zerstört. Und das, kritisieren Bewohner*innen, damit die Ur­lau­be­r*in­nen mit Strom und Wasser versorgt werden. Sie selbst gingen leer aus.

Dreimal saß Suástegui wegen seines Einsatzes unschuldig im Gefängnis. Da alle Vorwürfe konstruiert gewesen seien, wie der Anwalt Vidulfo Rosales betont, wurde er immer freigelassen.

Sein Bruder tauchte nie wieder auf

Im August 2021 verschleppten Unbekannte seinen Bruder Vicente, der ebenfalls zu den Anführern der CECOP zählte. Seither widmete sich Marco auch der Suche von Vicente, der nie wieder auftauchte. Suástegui wusste ganz genau, dass er sich in Gefahr befand. Allein 2024 wurden in Mexiko 25 Umwelt- und Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t*in­nen ermordet.

Auf ihrer Suche nach den insgesamt 127.000 Verschwundenen werden immer wieder Angehörige umgebracht. Zuletzt traf es Ende April María del Carmen Morales. Sie suchte ihren verschleppten Sohn und musste sterben, nachdem ihre Gruppe ein Folterzentrum des kriminellen Jalisco-Kartells öffentlich gemacht hatte.

Suástegui befand sich in einem staatlichen Schutzprogramm, weil er in letzter Zeit mehrmals Morddrohungen erhalten hatte. In der von Gewalt gezeichneten Stadt seien 5.000 Sicherheitskräfte mobilisiert worden, um Tou­ris­t*in­nen zu schützen, erklärte Suásteguis Frau Maria de Jesús Pérez, doch am Strand sei kein Uniformierter zu sehen gewesen.

Acapulco wird wie fast der gesamte Bundesstaat Guerrero von Mafiagruppen kontrolliert. Politiker*innen, lokale Sicherheitskräfte und Un­ter­neh­me­r*in­nen sind meist in die kriminelle Struktur integriert. Suásteguis Einsatz habe die „wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer, der Gruppen an der Macht“ angegriffen, sagte er. Und damit auch die der organisierten Kriminalität.

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