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Nachruf auf den Journalisten Jürgen RothAlte Schule

Sein Thema war der Filz von wirtschaftlicher, politischer und krimineller Macht. Ein Nachruf auf einen, der keine Angst hatte, sich Feinde zu machen.

Jürgen Roth, Oktober 2016 Foto: Imago/Sven Simon

Wenn von dem investigativen Journalisten Jürgen Roth die Rede war, musste ich immer auch an einen anderen Frankfurter denken; und ich meine jetzt weniger den Fußballexperten und Wahrheit-Autor Jürgen Roth, mit dem ich vergnügliche Telefonat hatte, wenn ich mal wieder versehentlich ihn statt den „Mafia-Roth“ angerufen hatte. Ich denke an den Frankfurter Schriftsteller Jörg Fauser und seine Figur Siegfried Blum aus dem Roman „Der Schneemann“: Ich denke an Blum, weil der wie Jürgen Roth einer ist, dem alle immer durchaus robust zu verstehen geben, dass man allein keine Chance hat gegen die großen Player; und der diese Lektion schon versteht – aber überhaupt keine Lust hat, sein Einzelkämpfertum deswegen aufzugeben.

Ich habe Jürgen Roth vielleicht ein knappes Dutzend mal persönlich getroffen, bei unseren letzten Begegnungen duzten wir uns. Mir gefiel seine Erscheinung, sein hessischer Singsang, mir gefiel sein Hund, seine Lässigkeit in Verbindung mit Hartnäckigkeit. Ich habe ihn als Sozialdemokraten alter Schule kennengelernt – also als einen, der leidenschaftlich die öffentliche Sache gegen ein Geflecht aus Wirtschaftsmacht, populistisch-politischem Despotismus und organisierter Kriminalität (und der ihr verbundenen Anwaltschaft) verteidigt.

Deswegen hatte wohl sein in der taz veröffentlichtes Statement zu Gerhard Schröders Putin-Connection diese Härte: „Schröder ist ein politischer Triebtäter, dem inzwischen jegliche ethische politische Grundfesten verloren gegangen sind.“ Jürgen hätte seinen Teil beitragen können, zu dem, was man spätestens seit dem Wahlsonntag nicht mehr Erneuerung der Sozialdemokratie nennen kann, sondern fällige Neubegründung nennen muss.

Bei der Premiere seines Buches „Der tiefe Staat“ im Januar vergangenen Jahres in Berlin machte ich mir ein Zitat von Jürgen zu eigen und bekam Hassmails wie bei keinem anderen Artikel zuvor. Ich hatte in meinem Veranstaltungsbericht geschrieben: „Gefragt, ob er die Sache mit dem Rechtsextremismus nicht zu deutschzentriert sehe, sagte Jürgen Roth etwas so Naheliegendes wie Verdrängtes: Deutschland ist das Land des Holocaust. Wer hierzulande für Pegida auf die Straße geht, wer AfD wählt, wer Hasskommentare in sozialen Medien schreibt, wer Unterkünfte für vertriebene Menschen anzündet, der tut das in der Nachfolge des industriellen Massenmords an den Juden. Das muss man wissen.“

Im November erscheint sein Buch „Die neuen Paten: Trump, Putin, Erdogan, Orbán & Co. – Wie die autoritären Herrscher und ihre mafiosen Clans uns bedrohen“ im Heyne-Verlag. Am 28. September ist Jürgen Roth im Alter von 71 Jahren in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main gestorben.

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3 Kommentare

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  • Dank für den Nachruf. Und insbesondere für diese so einfache wie treffende Feststellung "... der tut das in der Nachfolge des industriellen Massenmords an den Juden."

  • Die Gleichsetzung von Pegida-Demonstranten und AfD-Wählern mit den Verbrechern, die Flüchtlingsheime anzünden, ist dann doch etwas heftig. Das hieße ja, dass ein Achtel aller Wähler den Feuerangriff auf Migranten gutheißt. Das mein dochn hoffentlich niemand im Ernst, oder?

  • Das Buch „Die neuen Paten: Trump, Putin, Erdogan, Orbán & Co. – Wie die autoritären Herrscher und ihre mafiosen Clans uns bedrohen“ werde ich mir kaufen. Ich habe auch ein paar Bücher von ihm gelesen, schade, dass er nun nicht mehr schreiben kann. Legendär auch seine Diskussion mit Dschango von den Hell's Angeles bei Anne Will. So viel Mut haben heutzutage nur sehr wenige. Und nur wenige Menschen machen sich darüber Gedanken, welche Konsequenzen Organisierte Kriminalität für ein Land hat. Immerhin ist es momentan in Deutschland legal, ein neues Mitglied in die Cosa Nostra, Camora oder Ndragheta aufzunehmen! Unglaublich, weil wenigstens bei der Cosa Nostra nur zu oft ein Mord verlangt wird, um Loyalität zu zeigen und so eine Aufnahme bestätigt, dass ein Mensch bereits kriminell war.