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Nachruf auf Regisseur Menelik ShabazzAuf radikale Weise nicht radikal

Der Regisseur Menelik Shabazz weitete das Spektrum der Stimmen, die im britischen Kino Gehör fanden. Jetzt ist er 67-jährig gestorben.

Kam vom Aktivismus zum Filmemachen: Menelik Shabazz (1954-2021) Foto: Yves Salmon

Sechs schwarze Jugendliche auf dem Bürgersteig, scherzend, lachend. Eine Sirene hallt durch die Straßen, erst von Weitem, dann näher, die Jugendlichen scherzen weiter, doch die Blicke wandern immer öfter über die Schulter.

Menelik Shabazz’ halbstündiger Dokumentarfilm „Step Forward Youth“ entstand 1977 als Reaktion auf die Darstellung schwarzer Jugendlicher in britischen Medien. Mit Filmmaterial, das in den Kühlschränken befreundeter Kameramänner übrig geblieben war, drehte Shabazz seinen Debütfilm, eine mediale Intervention, in der er die Jugendlichen, über die so viel gesagt wurde, selbst zu Wort kommen lässt.

In einem Interview kommentiert Shabazz im Rückblick seinen Ansatz bei dem Film: „All das kam aus meinem Hintergrund als Aktivist und dem Bedürfnis, mein Bewusstsein rund um schwarze Politik in meine Arbeit zu übersetzen, Filmen sah ich als Werkzeug dafür.“ Am Dienstag ist Menelik Shabazz in Simbabwe im Zuge einer Operation, die durch seine Diabetes­erkrankung notwendig geworden war, gestorben. Shabazz arbeitete nach langen Jahren an einem neuen Film. Der Pionier des schwarzen Kinos in Großbritannien wurde nur 67 Jahre alt.

Referenz an Malcolm X

Geboren wurde Shabazz als Thomas Braithwaite 1954 auf Barbados. Mit sechs Jahren kam er mit seiner Familie aus der Karibik nach Großbritannien. Den Namen Shabazz nahm er an als Referenz an Malcolm X, der nach seiner Konvertierung zum Islam den Namen Malik el-Shabazz führte.

In den 1970er Jahren näherte sich Menelik Shabazz der Black Liberation Front an, einer Black-Power-Organisation junger schwarzer Aktivist_innen. Da eine Bewerbung um ein Stipendium abgelehnt wurde, verbrachte Shabazz gerade einmal sechs Monate an der London Film School – sechs Monate, die dazu führten, dass Shabazz seinen ersten Film anging: „Step Forward Youth“.

Kurz darauf entstand „Breaking Point“, der Teil einer Kampagne gegen ein Gesetz war, das es der Polizei erlaubte, Personen anzuhalten, zu durchsuchen und gegebenenfalls zu verhaften, die sie für verdächtig hielt, eventuell kriminelle Handlungen begehen zu wollen.

Ähnlich wie „Step Forward Youth“ gibt „Breaking Point“ den Erfahrungen schwarzer Jugendlicher mit den Schikanen durch die Polizei Raum. Anders als im vorangegangenen Film werden diese Erfahrungsberichte ergänzt durch Interviews mit schwarzen Intellektuellen wie Stuart Hall oder dem Anwalt und Bürgerrechtsaktivisten Rudy Narayan.

Neuer Schwung für das schwarze Kino Großbritanniens

Kurz bevor mit Margaret Thatcher der lange Winter sozialer Kälte anbrach, entstand Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von Spielfilmen, die dem schwarzen Kino Großbritanniens neuen Schwung verliehen: Horace Ovés „Pressure“ (1976), Norman Beatons „Black Joy“ (1977), „Babylon“ von Franco Rosso (1980) und 1981 Shabazz’ „Burning an Illusion“.

„Burning an Illusion“ ist deutlich inspiriert von der Arbeit mit Jugendlichen in „Step Forward Youth“ und „Breaking Point“ von 1978. Der Film folgt dem Leben seiner Protagonistin Pat Williams, zeigt, wie sie sich zögerlich auf eine Beziehung mit dem jungen Del einlässt. Nach kurzen Momenten des Glücks beginnt die gesellschaftliche Realität an dem Paar zu zerren. In einem Essay zum Film formuliert die britisch-nigerianische Drehbuchautorin Ade Solanke das Neue an „Burning an Illusion“: „Das Radikalste an ‚Burning an Illusion‘ ist, dass er von schwarzen Menschen handelt, die nicht radikal sind.“

Im selben Jahr, in dem „Burning an Illusion“ Premiere feierte, realisierte Shabazz gemeinsam mit Imruh Caesar einen kurzen, militanten Dokumentarfilm, der auf den Tod von 13 Jugendlichen in einem Feuer im Londoner Stadtteil New Cross entstand. Der Film weitet sich zu einer Anklage des Rassismus im Großbritannien der Thatcher-Jahre.

Gründer des Black Filmmaker Magazine

Trotz des Erfolgs von „Burning an Illusion“ blieb es schwer für Shabazz, weitere Projekte finanziert zu bekommen. Ende der 1990er wandte er sich vom Filmemachen ab. 1998 war Shabazz einer der beiden Gründer des Black Filmmaker Magazine (bfm), der ersten Filmpublikation, die sich schwarzen Filmemacher_innen aus aller Welt widmete. Im Jahr darauf folgte die Gründung eines Festivals, das mit der Zeitschrift verbunden war, das er lange Jahre leitete.

Später entstanden dann doch eine Reihe neuer Filme. 2011 feierte „The Story of Lover’s Rock“ Premiere, eine spielerische Hommage an den Reggae-Stil Lovers Rock, die Interviews und Spielszenen kombiniert, ohne in das übliche, nervige Reenactment zu verfallen. 2015 drehte er den weitgehend selbst finanzierten Film „Looking for Love“ über Singles in der Gegenwart. Es folgten ein Serienprojekt und Dokumentarfilme.

Menelik Shabazz weitete mit seinen Filmen das Spektrum der Stimmen, die im britischen Kino Gehör fanden. Umso mehr hätte man sich gewünscht, dass den posthumen Lobpreisungen Förderzusagen zu Lebzeiten vorausgegangen wären. Es gilt, die Ausschlüsse, gegen die die Filme von Shabazz intervenierten, zumindest im Rückblick, in der Filmgeschichtsschreibung nicht zu wiederholen.

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