Nachruf auf Patricio Aylwin: Chiles erster Präsident nach Pinochet

Der chilenische Politiker Patricio Aylwin ist tot. Er war nicht immer Gegner des Militärs, setzte sich aber für ein Ende der Pinochet-Diktatur ein.

Vor Patricio Aylwins Haus in Santiago trägt sich ein Mann in ein Kondolenzbuch ein.

Vor Patricio Aylwins Haus in Santiago trägt sich ein Mann in ein Kondolenzbuch ein Foto: ap

BUENOS AIRES taz | Patricio Aylwin ist tot. Als erster gewählter chilenischer Präsident nach der Militärdiktatur von Augusto Pinochet hatte er 1990 verkündet, er wolle „voranschreiten in der unausweichlichen Aufgabe, die Wahrheit zu finden und Gerechtigkeit zu schaffen“ – fügte jedoch einschränkend hinzu, „en la medida de lo posible“, in dem Maße, in dem es möglich ist.

Entsprechend seinem Leitsatz wurde 1990 die Kommission für Wahrheit und Versöhnung eingesetzt. In ihrem nach dem Vorsitzenden der Kommission Raúl Rettig benannten Bericht „Informe Rettig“ werden 2.279 Todesopfer der Diktatur aufgezählt. Zwar löste der Bericht eine erste öffentliche Auseinandersetzung mit den Menschenrechtsverbrechen der Diktatur aus, juristische Konsequenzen wurden jedoch nur wenige daraus gezogen.

Aylwin war nicht immer ein Gegner der Militärs gewesen. Wenn er zwischen einer marxistischen und einer Militärdiktatur wählen müsste, dann würde er sich für letztere entscheiden, sagte Aylwin noch nach dem Putsch am 11. September 1973.

Bis 1972 Senatspräsident, war der Christdemokrat einer der schärfsten Kritiker des sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende und trat offen für dessen Sturz ein. Nicht der Putsch war für ihn der Fehler. Dass die Militärs statt übergangsweise langfristig an der Macht blieben, machte Aylwin zum Gegner der Diktatur.

16 Jahre als Senator

Sein vehementer Einsatz bei der 'Kampagne für das Nein“, mit der sich die ChilenInnen schließlich in einer Volksabstimmung gegen Pinochets Verbleib an der Macht aussprachen, brachten ihn zurück ins politische Rampenlicht. Als Kandidat des Mitte-Links-Bündnisses wurde er 1989 zum Präsidenten gewählt.

„Aylwin wurde von einer Gesellschaft ins Amt gebracht, die Frieden machen wollte und das Ende der jahrelangen Konfrontation und Gewalt herbeisehnte,“ beschreibt es der chilenische Journalist Ascanio Cavallo.

Als Sohn eines Rechtsanwalts und späteren Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes war der junge Aylwin selbst als Rechtsanwalt in die Fußstapfen des Vaters getreten. Als Sekretär schaffte er es ins Oberste Gericht. 1957 nahm er an der Gründung der Christdemokratischen Partei teil, ein Jahr später hatte er deren Vorsitz inne.

Von 1965 bis 1981 saß Aylwin als Senator im Kongress. Seiner Amtszeit als Präsident wird das Etikett Transitionsprozess angeheftet, ein Übergangsprozess, bei dem er auf allen Felder der Politik „im Rahmen des Möglichen“ agierte.

Am Dienstag ist Patricio Aylwin im Alter von 97 Jahren in seinem Haus in Santiago gestorben.

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