Nachruf auf Michael Ratner: Anwalt gegen die Mächtigen
Er war Anwalt von Wikileaks und kämpfte für Guantánamo-Gefangene: Mit Michael Ratner ist ein US-Menschenrechtler gestorben.
Drei US-Präsidenten hat er verklagt, Julian Assange und Wikileaks hat er verteidigt, für die Gefangenen von Guantánamo erreichte er 2004 das bahnbrechende Urteil des obersten US-Gerichtshofs, dass auch sie ein Anrecht auf gerichtliche Haftprüfung haben. Am Mittwoch ist der Menschenrechtsanwalt Michael Ratner mit 72 an Krebs gestorben.
Seit viereinhalb Jahrzehnten war Ratner eine feste Größe der US-amerikanischen und der internationalen Menschenrechtsszene. 1971, nach seinem Jura-Abschluss an der Columbia University, schloss er sich als junger Anwalt dem Center for Constitutional Rights an, das er später über viele Jahre leiten sollte und das auch dank seines Engagements zu einer der wichtigsten Bürger- und Menschenrechtsorganisationen der USA wurde.
2007 half er in Berlin bei der Gründung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), dem er als Vorstandsvorsitzender bis zum Schluss verbunden blieb. ECCHR-Chef Wolfgang Kaleck lernte Ratner 2004 kennen, als sie beide an der Klage gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen der Folter in Abu Ghraib arbeiteten. In Ratner fand Kaleck einen „Kampfgenossen und Freund“, der nie die Bodenhaftung verloren habe.
Der Völkerrechtsprofessor und frühere UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, erinnert sich an Ratner als „große Inspiration, ungewöhnlichen Menschenrechtsverteidiger und liebenswerten, bescheidenen Menschen“. Lotte Leicht, EU-Direktorin von Human Rights Watch, trauert um „unseren Mentor, Mitstreiter und moralischen Giganten.“
Reed Brody, Anwalt von Human Rights Watch USA, sagt: „Von der Verteidigung von Bürgerrechten in den USA über die Verteidigung zentralamerikanischer Revolutionen gegen die USA, von der Vertretung HIV-positiver Haitianer, die in den frühen 90ern in Guantánamo festgehalten wurden, bis zur Verteidigung der dort gefangenen Muslime zehn Jahre später, von den Klagen gegen ausländische Folterer in den USA bis zu Anklagen von US-Folterern im Ausland – Michael Ratner war immer instinktiv am richtigen Ort, kämpfte den richtigen Kampf.“
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