Nachruf auf Journalisten Willi Germund: Auf die ganze Welt neugierig
Der Journalist Willi Germund, einst taz-Korrespondent, berichtete nacheinander aus drei Kontinenten. Jetzt ist er im Alter von 68 Jahren gestorben.
Über 40 Jahre lang berichtete er aus Lateinamerika, dann Afrika, zuletzt Asien, auch immer wieder für die taz, zuletzt über Kriegsverbrechen in Myanmar und noch Mitte August über stinkendes Obst in Thailand.
Zur taz stieß Willi 1990, als er aus Zentralamerika nach Südafrika übersiedelte, von einem Befreiungskampf zum nächsten. Er berichtete über die Bürgerkriege in Angola und Mosambik, später war das Ende der Apartheid in Südafrika sein Thema, ein Weltereignis aus nächster Nähe.
Seine Vertrautheit mit lateinamerikanischen Revolutionären half ihm, auf Akteure im südlichen Afrika unbefangener zuzugehen, als es damals unter weißen Journalisten am Kap üblich war. Für ihn waren die Schwarzen keine fremden Wesen, sondern einfach Gesprächspartner.
Erst Zentralamerika, dann südliches Afrika, dann Asien
Für Weiße, die zwecks Überwindung ihrer eigenen Apartheid plötzlich ihre wohltätige Ader für Schwarze entdeckten und damit ihre Überlegenheit bewahren wollten, hatte er in seinem Johannesburger Haus vor allem leisen Spott übrig.
Früh geißelte er die Arbeitsweisen von Hilfsorganisationen in Afrika – „Eine Katastrophe stellt für diese Gruppierungen ein Geschenk des Himmels dar“, bilanzierte er in einer Polemik 1994 – und blickte mit Skepsis in Südafrikas Zukunft: „Nur No Future, Bier und Gewalt?“ hieß eine Reportage 1993, ein Jahr bevor Nelson Mandela überhaupt Präsident wurde.
Aus der Zusammenarbeit mit der taz wurde ein Buch (Willi Germund/Dominic Johnson, „Wie ein Floß in der Nacht“) über Afrikas Gratwanderung „zwischen Aufbauträumen und Katastrophenstimmung“ Ende des 20. Jahrhunderts.
1995 zog Willi nach Indien, 2001 nach Thailand, wo er sich schließlich zur Ruhe setzte. Kulturelle Sensibilität war ihm auch in Asien zuwider.
In einem Journalistenkurs in Afghanistan schaffte er es binnen zwei Wochen, alle Teilnehmer gegen sich aufzubringen: Der Kurs fand auch während des Ramadan statt und Willi bestand darauf, dort auch tagsüber in den Pausen zu essen. Er sah überhaupt nicht ein, warum er auf die Gefühle seiner muslimischen Schüler Rücksicht nehmen und wenigstens außer Sichtweite essen sollte. Später tauchte er allerdings tief und kenntnisreich in die islamistischen Machtstrukturen der Region ein.
Umstrittener Kauf einer Spenderniere samt Buch darüber
Dass er sich im Alter eine Spenderniere kaufte – erworben in Afrika und eingepflanzt in Mexiko, wie die Stationen seines Lebens – und darüber auch noch ein Buch schrieb, brachte ihm 2015 viel Aufmerksamkeit und auch Befremden in Deutschland ein.
Er schien damit für manche aus der Zeit gefallen zu sein, ein skurriler Weltenbummler. Aber die Kritik ließ ihn zumindest äußerlich unbekümmert.
Willi war ein kauziger Typ: meinungsstark, hilfsbereit, äußerst erfahren, bestens informiert, furchtlos, mit allen Wassern gewaschen und stets eigen und kompromisslos.
Er verkörperte eine Ära, in der Reporter noch Zeit hatten, in der man auf die eigenen Augen und Ohren vertraute statt aufs Internet. In der Nacht zum 27. September ist er im Alter von 68 Jahren in einem Krankenhaus im lettischen Riga gestorben.
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