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Nachruf auf Hans HammerschmidtHipster der Popmusik

Er ließ rote Rosen für Hildegard Knef regnen und bastelte die musikalischen Intros für die Schwarzwaldklinik: Der Komponist Hans Hammerschmid ist tot.

Hans Hammerschmid wurde 94 Jahre alt Foto: Stefan Götz/BR

BERLIN taz | Seine buchstäblich ihm nachgesagte Lebenslust äußerte sich vor allem in der Musik: Hans Hammerschmid, 1930 in Wien geboren, geprägt vom Jazz und vom Swing, die die amerikanischen Aliierten ins kriegsbesiegte Nazi­österreich brachten, war früh und nachhaltig geflasht von der Moderne, die von der anderen Seite des Atlantiks eingeweht wurde. Das ganze Dudel-&-Apfelstrudel-Gepäck der deutschsprachigen Unterhaltungsästhetik war ihm vielleicht kein Graus, aber einfach nicht sein Passion.

Er hatte mit all den Kollegenjuwelen seiner jungerwachsenen Jahre produktiv zu tun: Er arbeitete mit Stan Getz, lebte in New York und leitete, zurück in Europa, das Südwestfunk-Tanzorchester – alle öffentlich-rechtlich finanzierten Combos waren fest in der Hand von jazzaffinen Arrangeuren und Komponisten. Hammerschmids Haus in München zählt zu den architektonischen Brillanten der Gegend: bungalowartig, luftig, wie unverschlossen, offen – ganz wie dieser Musiker von Kollegen und Kolleginnen selbst immer beschrieben wurde.

In den sechziger Jahren war er der entscheidende Musikmacher, Orchesterpartiturenschreiber wie Tonsetzer, der spätere Megastars wie die Ofarims produzierte und vor allem in der Kooperation mit der Chanteuse (und Schauspielerin) Hildegard Knef sein Lebens­werk krönte. Ihr schrieb er „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ und „Von nun an ging’s bergab“ – elegante, jazzig angehauchte Stücke, geeignet für eine Sängerin, deren größte Begabung nicht in der Entfaltung von Großstimmigkeit lag, sondern in der Entwicklung von intimen Atmosphären mit absolut geschmackvoller Orchesterbegleitung.

Mit ihr erarbeitete er auch in den frühen Siebzigern, als die Knef zum bundesdeutschen Megastar geworden war, die LP namens „KNEF“, ein kommerzieller Flop, künstlerisch eines der besten Alben, swingend, jazzy, unter anderem mit dem Lied „Die Herren dieser Welt“ oder „Ich brauch’ Tapetenwechsel“.

Auch beim Grand Prix Eurovision reüssierte er

Er kannte im Übrigen keine Genregrenzen im engeren Sinne. Er war ein, in seiner Zeit, Hipster der popularen Musiken, ein Pop-Erfinder, verstand sich indes auch auf die Komposition von kongenialen TV-Jingles. Die musikalischen Intros der „Schwarzwaldklinik“ oder des „Traumschiffs“ hatte er sich aus Noten erbastelt, durchaus die Wünsche der Produzenten (beim ZDF) ernst nehmend, dass einleitende Tonspuren nicht von der Filmgeschichte ablenken sollen – sondern dabei helfen, das Publikum am Ball zu halten, einzuschmusen, mit gefälligen Sounds etwas zu verheißen.

Hans Hammerschmid war ein verehrter Held von Musikern: 1966 dirigierte er beim ESC (damals: Grand Prix Eurovision) in Luxemburg das Siegeslied mit Udo Jürgens, „Merci, Chérie“ und machte in drei Minuten aus einer einfachen Melodie eine existenziell angehende und verführende Geschichte.

Mit ihm wollten sie arbeiten, er hatte das Händchen, aus Popularem Pop zu machen, eingängig und doch nicht simplizierend: Donna Summer, Anneliese Rothenberger, Helmut Zacharias, Miriam Frances, Curd Jürgens und eben immer wieder die Knef. Auszeichnungen hat er natürlich auch erhalten, noch als Minderjähriger 1947 mit dem Mozartpreis, 2016 das Große Ehrenzeichen der Republik Österreich. Er machte aus potenziell zur Seifigkeit einladenden Kompositionswünschen anständige, irgendwie weltgewandt sich anhörende Musiken.

Am 30. November ist Hans Hammerschmid im bayerischen Gräfelfing im Alter von 94 Jahren im Kreis seiner Lieben gestorben.

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