Nachruf auf Dirk Bach: Der Ernstzunehmende
Dirk Bach ist mit vielen Attributen zu charakterisieren – vor allem eines war er aber nicht: schrill. Allenfalls in den Augen der anderen.
Es war in diesem Herbst vor neun Jahren, da gastierte er in Berlin, von dem er sagte, das es für „einen Jungen wie ich einer bin viel zu groß ist“. Er spielte in einem Stück, das der Dramaturg Klaus Chatten ihm fast auf den Leib geschneidert hat: „Klassentreffen“.
Alles in allem ein Boulevardstück perfekt für das Westberliner Kudammpublikum – aber Dirk Bach gab schon der Premiere einen Swing aus freundlicher Traurigkeit und kühler Konsequenz, dass er hernach mit Beifall nachgerade überschüttet wurde. Und er plantschte in dieser Gunst, Dirk Bach, der Mann mit dem großen Bauch, wusste offenbar seine Zuschauer zu verführen.
Schrill hieß man ihn, grell – und nichts wäre zur Charakterisierung seiner Person falscher als eben dies. Eine Person, die schrill ist – das kann kein Mann sein. Dirk Bach wusste um diese freundliche Entmannung seiner Art – mit ihm nahm man seine Homosexualität hin, man sah sie ihm nach. Weil er doch, ich erinnere mich genau an den Kommentar einer Frau aus der fünften Reihe, so ein Netter, so ein Lustiger sei.
Ja, Dirk Bach, soweit man dies ersehen konnte, soweit dies seine KollegInnen ihm in aller Trauer nachsagen, war auch lustig. Kein fieser Sarkast, kein Zyniker – für beide Haltungen hätte er Momente des Bösen verströmen wollen. Wollte er aber nie. Dirk Bach gab in Chattens Theaterstück den Mann, der als Schüler irgendwie Außenseiter war – der Unterschied zum jungen Bach war und ist nur der, dass der erwachsene Bach sich nie selbst zu befreien hatte. Heike-Melba Fendel schreibt das über ihn, den ehemaligen Klassenkameraden, dass Bach nie auch nur ein bisschen anders war als so, wie er es zu sein beanspruchte – und war.
Er war der Junge, den seine Eltern liebten und die von ihm keine Tugenden als Sohn abforderten, die auf ein erzieherisches Abhärtungs-, Zucht- wie Züchtigungsprogramm hinausliefen. Dirk Bach war insofern ein schwuler Junge, ohne dass ihm das je ein Problem war. Wozu auch? Nach dem, was enge Freunde von ihm sagen, war es doch so: Wer Eltern wie Dirk Bach hat, muss nicht fürchten, ein anderer sein zu müssen als jener, der in einem steckt.
Auf der Premierenfeier fragte ich ihn, wie er denn dazu stehe, als Homosexueller heiraten zu können. Er meinte lachend, na, das ginge ja noch nicht – noch hieße das Verpartnerung. Und er lehne für die Besiegelung einer Liebesbeziehung „in guten wie in schlechten Zeiten“ eine solche Bezeichnung ab. Verpartnerung - „das ist was für Anwaltskanzleien“.
Bach und sein Lebensgefährte schworen einander zu heiraten, wenn es möglich ist, das so zu tun, wie das Heterosexuelle auch dürfen. „Nein, ich unterstütze jede Forderung nach Ehe für Lesben und Schwule“ - er zählte neben seiner Freundin Hella von Sinnen zu den wichtigsten Promotoren jeder Kampagne, die für Homosexuelle gleiche Rechte einfordert. „Ich will heiraten mit allem, was dazu gehört. Blumen, Musik – mit allem Trara, auf dass die Tränen der Freude fließen.“
Dirk Bach hatte sich in den vergangenen Wochen in Berlin auf ein Theaterstück vorbereitet, „Kleiner König im Dezember“ - als er zu den Proben nicht auftauchte, war man alarmiert. Dirk Bach war ein pünktlicher, krass disziplinierter Bühnenarbeiter. Man fand ihn schließlich leblos in seinem Appartment. Im Internet finden sich tausende von Beileidsbekundungen, bei seinem Heimatsender RTL trauert man um einen der wichtigsten Kollegen. Was hat er nicht alles gemacht: das Dschungelcamp, Kinderhörbücher, Theater mit Heiner Müller, Auftritte in New York, Utrecht, Brüssel, London und Wien. Und immer wieder Köln, das er liebte, wo er in Walter Bockmayers „Geierwally“ brillierte, viele Hundert Abende lang.
Dirk Bach war eine Bühnensau, und das möchte bitte unbedingt als Kompliment verstanden werden. Nur: Schrill war er nicht. Allenfalls in den Augen der anderen. Würde man ihn einen Ernstzunehmenden bezeichnen, einen, der das Leben als dauernden Ernstfall nimmt und nicht als nörgelnde Dauergeneralprobe, deren Premiere irgendwann mal anstehen könnte: Dann läge man richtig. Dirk Bach war die beste Wahl als Nachfolger von Thomas Gottschalk, auf die das ZDF nie kam. Diesem Sender reichte der flüchtige Augenschein so wie den meisten anderen.
Für die Mainzer Mainstreammacher war Dirk Bach der Frontmann einer Comedyserie, aber nicht der Präzeptor eines anspruchsvollen Kasperletheaters, der er hätte sein können – zumal im Fernsehen, wo ohnehin alle Rollen von Moderatoren auf diesen Inhalt hinauslaufen müssen. Bach, der glücklich war über jeden CSD, die in Köln, vor allem jene in kleinen Städten, ist ein Charakterschauspieler sondergleichen – gewesen. Man muss ihn, auch jene, die in ihm lediglich einen Paradiesvogel erkennen wollten, vermissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht