Nachgefragt: „Abgehetzt“
■ Frauen und ihre (Arbeits-)Zeit
FrauenforscherInnnen der Universität Bremen starten heute eine Vortragsreihe zum Thema „Lebensentwürfe und Alltag von Frauen – Fragen und Ergebnisse der Frauenforschung“. Die Bremer Soziologin Prof. Dr. Helga Krüger-Müller spricht zum Auftakt über „Zeiten für Frauen? Wandel der Gestaltung des Alltags – Innovationsresistenz in den Berufen“ (Uni-Gästehaus am Teerhof 58, 19.30 Uhr). Wir sprachen mit der Spezialistin für Familien-, Berufs- und Bildungssoziologie.
taz: Was bedeutet eigentlich „Innovationsresistenz in den Berufen“?
Helga Krüger-Müller, Bremer Soziologin: Die Strukturen der Berufe selbst sind sehr resistent gegenüber Veränderungen in den weiblichen Lebensläufen. Die Berufe sind auf eine arbeitsteilige Familienform zugeschnitten. Männer bleiben den ganzen Tag abwesend und Frauen machen die Hausarbeit. Die Frauen versuchen aber heute, auch erwerbstätig zu sein, weil die Belastungen im Haushalt z.B. durch Technisierung zurückgegangen sind. Dadurch nimmt die Bedeutung von Berufen für Frauen zu.
Aber es gibt doch schon flexiblere Arbeitsmöglichkeiten für Frauen.
Ja, die Teilzeitlösung. Das bedeutet aber erhebliche Einbußen in Lohn- und Karrieremustern. Zugleich wird aber übersehen, daß faktisch alle Koordinationsaufgaben für Familien sich immer an den Normalöffnungszeiten orientieren müssen. Und dadurch kommen Frauen immer in Zwickmühlen. Frauen sind heute ständig unterwegs, um Kinder in den Kindergarten zu bringen oder für ihre Schulkinder am Mittag im Hause zu sein. Doch selbst Teilzeitorganisation paßt oftmals nicht in die anderen Öffnungszeiten von Ämtern, Kindergärten etc.
Was ist gegen diesen Mißstand zu tun?
Die Frauen werden immer auf der Verliererseite bleiben, wenn sich die Öffnungszeiten nicht ändern, damit sich auch Männer an der Organisationsarbeit beteiligen können.
Aber die Läden sind doch schon jetzt bis 20 Uhr auf, da können auch die Männer mal für die Familie einkaufen gehen?
Gott sei Dank. Das war damals, als ich es schrieb, noch nicht so weit. Außerdem muß mehr über flexiblere Arbeitszeiten und -formen nachgedacht werden, die auch die Männerseite umfassen. Damit Männer sich mehr an der Arbeit für die Familie beteiligen und sich nicht nicht mehr damit herausreden können, daß sie ja den ganzen Tag beschäftigt sind. Politisch fordere ich mindestens betreute Halbtags- wenn nicht Ganztagsschulen.
Und warum wird eine flexiblere Arbeitszeit immer wieder torpediert?
Das ist eine schwierige Frage. Meine These dazu ist, daß für Männer die klassische Lösung, daß sie dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehen und die Frauen den Rest schon irgendwie hinkriegen, für sie das übliche Denkmuster ist. Davon wollen sie auch nicht runter. Sie kaufen sich damit faktisch nur mehr Hausarbeit ein, der sie entgehen wollten. Außerdem haben die Unternehmen aus Kostengründen kein Interesse an Arbeitszeiten, die an Frauen-Lebensläufen orientiert sind. Fragen: kat
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