Nachdenken übers Humboldt Forum: Einmal versonnen ums Schloss

Mit einem Radiowalk kann man nun noch einmal 30 Jahre Schlossdebatte durchlaufen. Schade nur, dass die Zukunft des Humboldt Forums außen vor bleibt.

Öde Hülle, spannender Kern: Das Humboldt Forum Foto: dpa

Laufend denkt sich’s besser nach, das wusste schon mancher Dichter. Insofern ist die Idee des Deutschlandfunks Kultur sehr gut, einen Radiowalk namens „Große Geste Weiße Welt“ ausgerechnet rund um das nachgebaute Berliner Stadtschloss zu inszenieren, das Humboldt Forum inklusive ethnologischer Sammlungen aus Dahlem also, das ja diesen Winter endlich eröffnen soll.

Am sommerlichen Dienstagvormittag jedenfalls durfte die Presse, ab dem 19. September wird sich auch das Publikum an der Schinkel-Fontäne im Lustgarten versammeln. Die App hat man sich idealerweise bereits zu Hause installiert, man kann also sofort den Kopfhörer aufsetzen – und los.

Hörfunkautor Lorenz Rollhäuser geleitet den interessierten Hörer sanft, aber bestimmt von akustischer Miniatur zu akustischer Miniatur, auf einem Weg einmal um das Humboldt Forum herum und gedanklich auch mitten hinein ins Schloss, dessen Grundkonflikt – so die These – auch nach Eröffnung weiterschwelen wird.

Eine der ersten Aussagen in den Miniaturen, deren Radikalität den ganzen Spaziergang prägen, ist die von Grada Kilomba. Während man von den Stufen des Alten Museums langsam und versonnen auf das Schloss zuschlendert und noch einmal einen erstaunlichen Eindruck von der schieren Größe dieses zitronengelben Kastens bekommt, sagt die Künstlerin zu Recht, hier werde eine Vergangenheit inszeniert, die den Zugang zur Zukunft versperrt.

Sehr elegant

Wie soll der Widerspruch zwischen einem Hohenzollernschloss und 500.000 Objekten, die nur zu oft geklaut sind, je zu überwinden sein?

Es ist, als würde man mit Blick auf die letzten Bauarbeiten, quasi in Vorbereitung der Eröffnung in wenigen Wochen und vor dem Hintergrund des aktuellen Diskurses um Dekolonisierung und Restition, noch einmal die ganze Schlossdebatte der letzten 30 Jahre aufgerollt bekommen, sehr elegant, eben en passant.

Der Spaziergang schneidet noch einmal alles an: Warum befinden sich in den wichtigsten Positionen im Humboldt Forum nach wie vor nur weiße Männer? Warum fragen die europäischen Museen noch immer, ob die Herkunftsgesellschaften ihre Objekte bei Rückgabe auch angemessen verwahren könnten? Wie sollen überhaupt je die Provenienzen von so vielen Objekten geklärt werden?

Eigentlich gibt es nur zu kritisieren, dass am Ende der Radiowalk selbst wie eine Reise in die Vergangenheit wirkt. Denn auch, wenn der Kolonialismus noch lang präsent sein wird: Die Diskussionen haben begonnen. Die Ausstellungen müssen auf die Reibung zwischen Hülle und Inhalt reagieren, sie werden darum auch Interessantes hervorbringen werden. Das Humboldt Forum wird nicht abgerissen werden, es wird also eine Zukunft haben, wenn auch nicht die, die sich manche gewünscht haben, und das bleibt im Radiowalk leider außen vor.

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