Nach langen Verhandlungen: EU-Gaspreisdeckel kommt
Die EU hat den Gaspreisdeckel beschlossen. Deutschland stand dem Vorhaben skeptisch gegenüber, handelte aber im Gegenzug etwas heraus.
Die Bundesregierung hatte sich lange gegen einen solchen Mechanismus gesträubt und Probleme bei der Versorgungssicherheit befürchtet. Deutschland konnte nun auch dank verschiedener Sicherheitsmaßnahmen zustimmen. „So, wie die anderen Länder solidarisch mit Deutschland in der Vergangenheit waren, haben wir heute die Solidarität mit dem Instrument gezeigt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Beschluss sei mit großer Mehrheit gefasst worden. Habeck betonte jedoch auch, dass er die Sache weiter mit Skepsis betrachte.
Die Niederlande, die gemeinsam mit Deutschland gegen einen Preisdeckel waren, waren weniger überzeugt und enthielten sich. „Ich bin nach wie vor besorgt über Störungen auf dem europäischen Energiemarkt, über die finanziellen Auswirkungen und vor allem über die europäische Versorgungssicherheit“, sagte der niederländische Energieminister Rob Jetten. „Ich hoffe, dass sich unsere Sorgen als unbegründet erweisen werden.“
Gaspreisdeckel ist dynamisch
Das Vorhaben betrifft grundsätzlich Großkunden, die am TTF handeln – nicht Endverbraucher, wie etwa bei der Gaspreisbremse der Bundesregierung. Konkret soll der Preisdeckel ausgelöst werden, wenn der Preis am Großhandelsplatz TTF drei Tage in Folge 180 Euro pro Megawattstunde überschreitet und gleichzeitig 35 Euro höher ist als der internationale LNG-Preis.
Der regulierte Preis soll dann nicht bei 180 Euro festgelegt werden, sondern jederzeit 35 Euro über dem internationalen LNG-Preis liegen. Somit kann der Preis, wenn der Mechanismus ausgelöst wurde, auch über 180 Euro pro Megawattstunde liegen. Wird der Mechanismus ausgelöst, soll er für 20 Tage gelten. Er soll Verträge betreffen, mit denen Gas ein Monat, drei Monate oder ein Jahr im Voraus gehandelt wird.
Zuletzt lag der Gaspreis am TTF am Montag um die 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde. Verbraucherpreise werden indirekt durch die Preise im Großhandel beeinflusst.
Möglichen Engpässen soll vorgebeugt werden
Deutschland konnte verschiedene Sicherheitsmaßnahmen durchsetzen, um Versorgungsengpässen vorzubeugen. „Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren“, sagte Habeck. So soll der Mechanismus außer Kraft gesetzt werden, wenn der Gasverbrauch steigt, wenn der Handel mit Gas zwischen den Mitgliedstaaten abnimmt, wenn es Probleme bei der Versorgung gibt oder Risiken an den Finanzmärkten auftreten.
Zudem soll der Mechanismus erst ab dem 15. Februar in Kraft treten und für ein Jahr gelten, wie aus der Mitteilung hervorgeht. In der Zeit sollen weitere Prüfungen vorgenommen werden. „Sollte sich herausstellen, dass ein Markteingriff nicht opportun ist, dann hoffe ich, dass wir die politische Kraft finden, das auch noch mal in Frage zu stellen“, sagte Habeck.
Weitere Vorhaben nach Einigung beschlossen
Durch die Einigung auf den Gaspreisdeckel konnten auch andere Vorhaben beschlossen werden, die Gaspreisdeckel-Verfechter vorher blockiert hatten. So einigten sich die Ministerinnen und Minister darauf, Gaseinkäufe und das Füllen der Speicher künftig zu koordinieren. Durch die gebündelte Marktmacht erhoffen sich die EU-Staaten günstigere Preise am Weltmarkt.
Sie verabschiedeten auch eine Notverordnung für beschleunigte Genehmigungen etwa von bestimmten Solaranlagen und legten ihr Verhandlungsmandat für ein Gesetz fest, womit auch langfristig erneuerbare Energie-Projekte schneller gebilligt werden sollen. „Das wird für den Ausbau von Windenergie, für Stromnetze beispielsweise ein großer Beschleunigungsfaktor sein“, sagte Habeck. Nach Angaben von Teilnehmern des Treffens waren Zugeständnisse beim schnelleren Ausbau Erneuerbarer mit ausschlaggebend für die deutsche Zustimmung zum Gaspreisdeckel.
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