Nach der Wahl in Guatemala: Sieg bestätigt, Partei suspendiert
Guatemalas oberstes Wahlgericht bestätigt den Wahlsieg des Antikorruptionskandidaten Bernardo Arévalo. Aber die Wahlbehörde suspendiert seine Partei.
Die Suspendierung von Movimiento Semilla bestätigte ein Anwalt der Partei am Montag (Ortszeit) der Nachrichtenagentur AP. Kurze Zeit später erklärte das oberste Wahltribunal Arévalo zum Wahlsieger.
Der 64-jährige Arévalo bezeichnete die Suspendierung seiner Partei als „vollkommen illegal“. Es gebe einen „Prozess der politischen Verfolgung“, bei dem die Institutionen der Justiz auf illegale Weise gegen Semilla und unsere Kandidatur eingesetzt werden“, erklärte er am Montag vor Journalisten. Arévalo hatte den Behörden schon vor der Wahl politische Verfolgung vorgeworfen.
Richter und Staatsanwalt stehen auf US-Korruptionsliste
Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 25. Juni hatte Richter Fredy Orellana auf Antrag des Staatsanwalts Rafael Curruchiche die Wahlbehörde angewiesen, Semilla zu suspendieren und mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung von Mitgliedern während der Parteigründung im Jahr 2017 zu prüfen.
Die Wahlbehörde war der Anordnung des Richters damals mit der Begründung nicht gefolgt, dass es nicht möglich sei, eine Partei mitten im Wahlprozess zu suspendieren. Nach der Wahl erfolgte dies nun. Die Partei hat jetzt drei Tage Zeit, die Entscheidung anzufechten.
Richter Orellana und Staatsanwalt Curruchiche stehen beide auf einer US-Liste von Bürgern zentralamerikanischer Länder, die mit „Korruption und antidemokratischen Aktivitäten“ in Verbindung gebracht werden.
Arévalo bezeichnete das vorläufige Arbeitsverbot für seine Partei als rechtlich ungültig und kündigte an, sie werde dagegen in Berufung gehen. „Nach aktuellem Stand kann mich niemand daran hindern, am 14. Januar das Amt anzutreten“, ergänzte Arévalo. Im Berufungsverfahren würde sich mit dem Fall seiner Partei Guatemalas oberstes Wahlgericht befassen, das nun seinen Wahlsieg bestätigt hat.
Kampfansage gegen die grassierende Korruption
Arévalo ist der Sohn des früheren Präsidenten Juan José Arévalo und war in Guatemala kaum bekannt, bis er aus der ersten Runde der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende Juni zur Überraschung der etablierten Kräfte als Spitzenreiter hervorging. Da er die absolute Mehrheit verfehlte, ging es am 20. August in die Stichwahl gegen die frühere First Lady Sandra Torres.
Im zweiten Wahlgang setzte sich Arévalo mit 60,9 Prozent der Stimmen durch, Torres kam auf 37,2 Prozent, wie aus dem offiziellen Ergebnis hervorgeht. Die Wahlverliererin hat ihre Niederlage indes noch immer nicht eingestanden. Sie wirft Arévalo Wahlbetrug vor. Ihre Partei Unidad Nacional de la Esperanza (Nationale Einheit der Hoffnung), die sich als sozialdemokratisch versteht, hat die Stimmenauszählung angefochten. In einigen Regierungsbehörden und Gerichten, die mit den Klagen gegen das Wahlergebnis befasst sind, sitzen Amtsträger, die von den USA wegen Korruptionsvorwürfen mit Sanktionen belegt worden sind.
Im Wahlkampf hatte sich Arévalo mit seinem Eintreten für sozialen Fortschritt und einer Kampfansage gegen die grassierende Korruption den Rückhalt vieler Bürger gesichert und das politische Establishment verstört. Haftbefehle gegen Amtsträger sowie Razzien in der Zentrale von Movimiento Semilla haben unter Anhängern der Partei und in der internationalen Gemeinschaft Sorge ausgelöst, hinzu kommen Berichte aus seinem Team über ein mögliches Mordkomplott gegen Arévalo.
Erst kürzlich rief die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte die guatemaltekische Regierung auf, den Schutz des designierten Präsidenten zu gewährleisten. Der scheidende konservative Amtsinhaber Alejandro Giammattei hat sich bisher nicht zu dem Aufruhr rund um seinen gewählten Nachfolger geäußert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen