Nach der Wahl in Guatemala: Angriffe des „Pakts der Korrupten“
Guatemalas Wahlgericht bestätigt den Sieg des Antikorruptionskandidaten Bernardo Arévalo. Gleichzeitig lässt ein Richter dessen Partei suspendieren.
Hamburg taz | Die Entscheidungen in Guatemala könnten kaum widersprüchlicher sein. Auf der einen Seite bestätigte das Oberste Wahlgericht am Montag den Sieg des bei der Stichwahl am 20. August zum Präsidenten gewählten Bernardo Arévalo. Auf der anderen Seite wurde Arévalos Partei Movimiento Semilla (Bewegung Samenkorn) auf Anordnung eines Richters suspendiert.
Das Arbeitsverbot für die Partei erfolgte alles andere als überraschend, denn bereits im Wahlkampf hatte die Justiz den ersten Anlauf genommen, um sie auszuschalten. Da hatte das Wahlgericht dem Antrag von Richter Fredy Orellana und Staatsanwalt Rafael Curruchiche nicht stattgegeben und auf die Verfassung verwiesen, die im laufenden Wahlkampf ein Parteienverbot verbietet.
Geschützt wurde Semilla auch durch internationale Aufmerksamkeit, denn mit einer Visite des Sekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der klaren Haltung von USA und Europäischer Union geriet die guatemaltekische Justiz und Politik unter Druck.
Nach den Wahlen scheint das anders. Für den 64-jährigen Sozialdemokraten Arévalo ist die Suspendierung „vollkommen illegal“. Er kritisierte das Vorgehen der Justiz als „Prozess der politischen Verfolgung“, bei dem die Justiz „auf illegale Weise gegen Semilla und unsere Kandidatur eingesetzt wird“, erklärte er am Montag in Guatemala-Stadt vor Journalisten.
Mehr internationaler Druck wird gebraucht
Das sehen auch viele Experten so. In Guatemala wird seit 2018/2019 die Justiz immer stärker instrumentalisiert, um unbequeme Richter:innen, Staatsanwält:innen, Journalist:innen, aber eben auch Politiker:innen und Parteien zu kriminalisieren, sagt Héctor Reyes, Direktor der Menschenrechtsorganisation CalDH. Gleich drei Kandidat:innen für die Präsidentschaft wurden unter dubiosen Anschuldigungen vom Wahlgericht nicht zugelassen. Richter Fredy Orellana und Staatsanwalt Rafael Curruchiche, Leiter der Abteilung gegen Straflosigkeit, sind die Gesichter der instrumentalisierten Justiz.
Ihre Namen stehen auf der US-amerikanischen „Liste Engel“, auf der mittelamerikanische Politiker:innen und Unternehmer:innen landen, die sich antidemokratisch verhalten und nachweislich korrupt sind. Ihnen werden die Einreise und jegliche Geschäftsaktivitäten in den USA verboten.
So etwas wünscht sich der ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte, Jordán Rodas, auch von der EU. Mehr internationaler Druck und mehr Aufmerksamkeit könnten helfen, um das willkürliche Vorgehen der Justiz gegen Arévalo und seine Partei, aber auch gegen unbequeme Jurist:innen wie Claudia González zu erschweren.
Pakt der Korrupten
Die Verteidigerin des in den USA exilierten ehemaligen Antikorruptions-Staatsanwalts Juan Francisco Sandoval ist in Guatemala am Montag verhaftet worden – unter dem Vorwurf des Missbrauchs ihres Amtes. Eine typische Anklage in Guatemala gegen aufrechte Mitarbeiter:innen im Justizsektor, die sich nicht vom „Pakt der Korrupten“ korrumpieren lassen und für eine unabhängige Justiz eintreten.
Das Vorgehen der Justiz stieß sowohl bei der UNO als auch beim OAS-Generalsekretär Luis Almagro auf Kritik. Er drückte sich erneut deutlich aus und erklärte, die Justiz verliere ihre Glaubwürdigkeit mit Maßnahmen wie der Verhaftung von González und verurteilte auch die Suspendierung von Movimiento Semilla.
Die Anwälte der Partei haben gegen deren Suspendierung Rechtsmittel angekündigt, sodass sich alsbald die gleichen Richter:innen mit dem Fall befassen müssen, die den Wahlsieg Bernardo Arévalos in der Stichwahl bestätigten.