Guatemala wählt Antikorruptionskandidat: Der „Kandidat der Hoffnung“ siegt

Bernardo Arévalos Sieg gegen das korrupte Establishment ist so eindeutig, dass der scheidende Präsident eine geordnete Übergabe versprechen muss.

Bernardo Arévalo und Karin Herrera jubeln.

Karin Herrera und Bernardo Arévalo jubeln Sonntagnacht in Guatemala-Stadt Foto: Pilar Olivares/reuters

HAMBURG taz | Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen ist der Vorsprung von Bernardo Areválo uneinholbar. Der „Kandidat der Hoffnung“ wird neuer Präsident Guatemalas. Der scheidende Präsident Alejandro Giammattei gratulierte seinem Nachfolger gegen 22 Uhr Ortszeit bereits zum Wahlsieg. Das ist positiv, denn der alte Präsident steht für ein hochkorruptes politisches Establishment, das nach dem ersten Wahlgang vom 25. Juni auch die Stichwahl verloren hat – trotz aller erdenklichen Manipulationen.

In Guatemala wurde landesweit gefeiert, denn Bernardo Areválo war der „Kandidat der Hoffnung“ und wird nun zum „Präsidenten der Hoffnung“, so Héctor Reyes, Direktor der Menschenrechtsorganisation CalDH. Der Anwalt erlebte den Wahltag in Cobán, Hauptstadt des indigen geprägten Verwaltungsbezirks Alta Verapaz, wo die Partei des neuen Präsidenten Semilla (Samenkorn) besonders gut abschnitt.

Aber auch in vielen anderen Wahlkreisen gewann Areválo, der im Wahlkampf sehr volksnah und authentisch aufrat, so deutlich, dass seine Gegenkandidatin Sandra Torres von der „Einheit der Hoffnung“ UNE der anberaumten Pressekonferenz am Wahlabend fernblieb.

Areválo lag da mit 58 Prozent der Stimmen vor Torres mit 37 Prozent. Hinzu kommt, dass die Wahlbeobachtungskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Wahlen als korrekt und sauber einstufte. Die entsprechende Erklärung und das Statement der US-Botschaft in Guatemala, dass das Ergebnis nun verteidigt werden müsse, lassen der noch bis zum 14. Januar amtierenden Regierung Giammattei wenig Spielraum für Manipulationen.

Menschenrechtler rechnet mit Wahlanfechtungen

Dabei spielt die OAS, dessen Sekretär Luis Almargo Guatemala kurz vor den Wahlen besucht hatte, eine ungewohnte Rolle: Sie verwies deutlich auf demokratische Spielregeln, warnte vor der Korruption und wies das Wahlbeobachter-Team an, bis zur Vereidigung des neuen Präsidenten im Land zu bleiben.

Gleichwohl ist sich Héctor Reyes sicher, dass der „Pakt der Korrupten“ nicht einfach klein beigeben wird. Deren Kandidatin Sandra Torres, ehemalige First Lady an der Seite des damaligen Präsidenten Àlvaro Colom (2008–2012), hat in den letzten 18 Monaten mit der extrem korrupten Regierung Giammattei gestimmt und ist dabei deutlich nach rechts gerückt.

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„Sie werden das Ergebnis anfechten, Wahlkreis für Wahlkreis, Auszählung für Auszählung, wie sie es vorab angekündigt haben. Nur sind die Aussichten für sie negativ“, so Reyes gegenüber der taz. Für ihn ist sicher, dass die als Bastion des „Paktes der Korrupten“ geltende Generalstaatsanwaltschaft neue juristische Fußangeln gegen die Partei Semilla und den designierten Präsidenten lancieren werde.

Das glauben auch Michael Mörth, deutscher Anwalt mit mehr als dreißigjähriger Präsenz in Guatemala, und Claudia Samayoa, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Udefegua. „Sie werden das Verfahren zur Annullierung der Partei Semilla des designierten Präsidenten Bernardo Areválo wieder aufnehmen“, glauben beide. Semilla ist mit 21 Abgeordneten drittstärkste Partei im Parlament. Guatemalas politisch gesteuerte Justiz ermittelt wegen Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung der Partei. Dabei soll es sich um angeblich nicht korrekt erfolgte Unterschriften handeln.

Wahlsieger dürfte viele Institutionen gegen sich haben

Das Verfahren liefert so etwas wie einen Vorgeschmack auf die Amtszeit Areválos, die mit seiner Vereidigung am 14. Januar beginnen soll. Sicher ist, dass er gegen die vom „Pakt der Korrupten“ kontrollierten Institutionen des Landes wie die Generalstaatsanwaltschaft, das Verfassungsgericht oder die Ombudsstelle für Menschenrechte wird regieren müssen.

Auch die Situation im Parlament ist alles andere als komfortabel. Dort haben die progressiven Kräfte nur 58 von 160 Mandaten. Doch Claudia Samayoa hofft, dass die von Areválo angekündigte strikte Antikorruptionspolitik dazu führen könnte, dass Abgeordnete das Lager wechseln und dass so die Re-Demokratisierung des Landes langsam vonstattengehen könne.

Die steht und fällt mit der Person des Präsidenten, der im Wahlkampf trotz Sicherheitsbedenken volksnah und authentisch auftrat. „Das sollte sich ändern“, meint Michael Mörth. Er möchte das Risiko eines Attentates minimieren, denn das könne alle Hoffnungen auf den Wandel zunichtemachen.

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