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Nach der Wahl im IranDie Party ist vorbei

Vom Wahlkampf zu Krawallen: Seit Bekanntgabe der Wahlergebnisse im Iran liefern sich Anhänger des Herausforderers Mussawi militante Kämpfe mit der Staatsmacht.

Steine fliegen: Auseinandersetzung nach der Wahl in Nord-Teheran. Bild: dpa

TEHERAN taz | Der Odeur des Unmuts riecht nach verbranntem Müll und schwelenden Autoreifen. Und er hängt den ganzen Abend über Teheran. Er stammt von brennenden Müllcontainern und mit Benzin übergossenen Autoreifen, mit denen Jugendliche an zahlreichen Kreuzungen in Teheran Barrikaden errichtet haben. Hatten sie am Tag zuvor sich noch erwartungsvoll bei den Wahllokalen angestellt, ließen sie jetzt ihrem Frust freien Lauf.

Begonnen hatte alles am Fatimi-Platz, im Zentrum Teherans direkt neben dem Innenministerium, als dunkelgrüne Uniformen auftauchten. Das war ein schlechtes Zeichen. Denn bei den Trägern dieser Uniform handelt es sich um eine polizeiliche Sondereinheit der berüchtigten Revolutionsgarden. Und die fackelten nicht lange und stürmten mit ihren Schlagstöcken hinter den Grüppchen von Studenten her, die sich auf dem Platz versammelt haben, um gegen das zu protestieren, was ein paar Meter weiter im Innenministerium stattfand: die Verkündung des amtlichen Ergebnisses der iranischen Präsidentschaftswahlen.

Danach kam der gegenwärtige Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf 62,6 Prozent der Stimmen, sein größter Herausforderer Mir Hossein Mussawi auf nur 33,6 Prozent. Kaum dass das Ausmaß des Sieges von Ahmadinedschads bekanntgegeben war, sprach die Opposition von einer Art Putsch und zweifelte das Ergebnis an. Am Sonntag forderte Mussawi die Annullierung der Wahl. Er habe einen Antrag beim für die Organisation der Wahl zuständigen Wächterrat gestellt, sagte er in Teheran. Der Grund seien "Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl am Freitag.

Am Tag zuvor hatte sich die Wali-e-Asr-Straße im Zentrum Teherans innerhalb weniger Stunden in ein Kriegsgebiet gewandelt. Überall liegen umgekippte brennende Müllcontainer herum. Drum herum haben sich Jugendliche, vermummt mit grünen Tüchern - der Wahlkampffarbe Mussawis -, versammelt. Auch viele junge Frauen sind darunter, die sich praktischerweise ihre Gesichter mit ihren Kopftüchern verhüllen. "Ihr habt unsere Stimme geklaut, gebt sie uns zurück!" und "Ahmadinedschad, tritt zurück!", rufen sie und klatschen, als jemand mit einem Mussawi-Poster die Straßen entlangläuft.

Dann taucht eine staatliche Schlägertruppe auf Motorrädern auf. Jeweils ein Fahrer, während hinten der Mann mit dem Schlagstock sitzt. "Weicht nicht zurück!", machen sich die Jugendlichen Mut. Die Schläger sind offensichtlich überrascht von der Überzahl der Demonstranten und von deren Furchtlosigkeit. Später breiten sich die Unruhen auf viele andere Straßen und Kreuzungen in der Innenstadt und im Norden Teherans aus. Immer wieder kann man am Straßenrand Jugendliche sehen, die sich mit anderen per Handy koordinieren. Am Abend schalten die Behörden als Gegenmaßnahme das gesamte Teheraner Mobilfunknetz aus.

Doch noch nach Mitternacht ziehen 50 Jugendliche den Afrika-Boulevard im Norden der Stadt entlang, werfen in den Banken die Scheiben ein und zünden einen Kiosk an. Als sie an einer Holzbaracke der Verkehrspolizei vorbeikommen und diese angreifen wollen, ziehen die fünf anwesenden Polizisten ihre Waffen und schießen in die Luft. Die Jugendlichen ziehen an ihnen vorbei. Offensichtlich gibt es in dieser Nacht zu viele Unruheherde, denn außer den fünf Verkehrspolizisten ist kein Vertreter der Staatsmacht der Islamischen Republik zu sehen.

All das findet spontan und ohne jegliche politische Koordination statt. Hatte Ahmadinedschads Gegenkandidat Mir Hossein Mussawi sich noch am Vorabend kurz nach Schließung der Wahllokale in einer Pressekonferenz zum "definitiven Sieger" erklärt, hüllte er sich am nächsten Tag zunächst in Schweigen. Eine Pressekonferenz am Morgen und eine weitere am Mittag wurden kurzfristig abgesagt. Keiner seiner Berater und engeren Wahlkampfhelfer war den ganzen Tag über telefonisch zu erreichen. Mussawi meldete sich auf seiner Webseite zu Wort, und unter dem Titel "Ich werde nicht vor dieser gefährlichen Manipulation kapitulieren" rief er seine Unterstützer auf, "dem Regime der Lügen und der der Diktatur zu widerstehen". Die Menschen würden niemals jene respektieren, die an diesem Betrug teilgenommen haben. "Die Ausrufung von Ahmadinedschad zum Sieger ist ein Verrat an den Stimmen der Menschen", heißt es dort weiter. Später taucht er mit drei anderen Gegenkandidaten im Fernsehen auf, die alle erklären, sie wollten "den Präsidenten" unterstützen, ohne den Namen Ahmadinedschad zu nennen. "Voraufgezeichnet", sagen die Oppositionellen auf der Straße.

Auf dem Vali-e-Asr Platz bei der großen Siegesfeier Ahmadinedschads herrscht am nächsten Tag eine völlig andere Atmosphäre. Hier hat keiner Zweifel daran, dass Ahmadinedschad die Wahlen rechtmäßig gewonnen hat. Zu tausenden sind sie in die Innenstadt geströmt, um ihren Erfolg zu feiern. Sie sind zu weit weg, um Ahmadinedschads Siegesrede hören zu können. Das tut ihrer guten Laune keinen Abbruch. Sie verteilen Süßigkeiten, halten das Bild des Präsidenten hoch. Viele schenken die iranische Nationalflagge. Es herrscht Volksfeststimmung. "Wir sind gekommen um zu zeigen, dass die Wahl nicht gefälscht war , sagt die Lehrerin Elahe Amiri, die in eine iranischen Flagge gewickelt ist "Unser Präsident hat uns mit dem Atomprogramm stolz gemacht und er wird auf unseren Stolz aufpassen und nicht vor den Großmächten in die Knie gehen«, führt sie fort. "Ich wünschte Ahmadinedschad wäre der Präsident der Welt", meint die Informatikerin Sediqe Rohani. Allahu Akbar - Gott ist groß", rufen die Umstehenden. "Die Wahl hat gezeigt, dass die Menschen weiter die islamische Revolution unterstützen", glaubt der islamische Rechtsgelehrte Nabih.

Die Opposition versucht indes auf legalem Wege den Wahlsieg anzufechten. Eine Kommission lokaler Wahlbeobachter, die während der Präsidentenwahlen von den Oppositionskandidaten ausgesandt worden war, um über Verletzungen des Wahlrechts zu berichten, hatte angekündigt, beim Islamischen Wächterrat, einem der höchsten Gremien des Landes, Protest einzulegen, und fordert eine Neuwahl.

Doch sie haben schlechte Karten, nachdem der oberste geistliche Führer Ajatollah Ali Chamenei kurz nach der Verkündung des amtlichen Endergebnisses in einer Fernsehansprache Ahmadinedschad gratuliert hat. Er erklärte das Ergebnis zu einer "göttlichen Beurteilung" und rief alle Kandidaten auf, den Präsidenten zu unterstützen. Chamenei hat in allen wichtigen innen- und außenpolitischen Fragen im Iran das letzte Wort.

Mussawi steht vor einer schwierigen Entscheidung. Ruft er seine Anhänger auf die Straße, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren, riskiert er einen Zusammenstoß mit der Staatmacht. Es ist eine Sache, wenn die "grüne Bewegung" vor den Wahlen tagelang für ihren Kandidaten auf den Straßen tanzt. Es ist eine andere, nach den Wahlen auf die Straße zu gehen, das offizielle Ergebnis anzuzweifeln und eine Konfrontation mit den Revolutionswächtern zu riskieren. Zu diesem Schritt hat er sich nun offenbar entschieden.

Viele Iraner erinnern sich an ähnliche Zeiten im Verlauf der 30-jährigen Islamischen Republik, bei denen im Verlauf solchen Konfrontationen tausende Menschen festgenommen wurden. Ihr Zögern, auf die Straße zu gehen, ist verständlich.

Deutliche Warnungen gegen diesen Schritt gibt es genug, allen voran vom geistlichen Führer Chamenei, der die Opposition mahnt, "provokatives Verhalten zu vermeiden". In einer Fernsehansprache erklärte er: "Ich gehe davon aus, dass unsere Feinde versuchen, die Süße dieser Wahl durch provokative Taten zu zerstören."

Der politische Anführer der Revolutionsgarden, Jadollah Dschawani, hatte bereits im Vorfeld die Mussawi-Anhänger vor einer Art samtenen Revolution gewarnt und angekündigt, einem solchen Versuch "in den Hintern zu treten".

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9 Kommentare

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  • MM
    Martin Möller

    ...Das iranische Volk ist ein großartiges, sehr intelligentes und hochzivilisiertes Volk. Es sorgt trotz massiver Propaganda durch Massenverdummungsmedien immer für eine Überraschug in der Welt: Trotz achtjähriger Krieg gegen Irak, fast 30 jährigem Embaro gegen das Land, Herrschaft von Terror und Repressalien... macht das Volk Fortschritte in der Nanotechnologie, Raumforschung, nukleartechnologie, Stammzellenforschung und unheimliche Fortschritte in der Medizin (Zumindest das letzte ist uns Deutschen hierzulande bekannt); wussten Sie z.B., dass es nur in Teheran mehr als 20 Universitäten gibt, dass die reichen Sozialschmarotzer, die Ölscheikhs am Persischen Golf, zur medizinischen Behandlung in den Iran fliegen... Selbst die friedlichen Demonstrationen, die momentan von Islamofaschisten niedergeschlagen werden, die zum größten Teil aus arabischen Söldnern und Nutznießern der Provokationspolitik von Ahamadinedschad bestehen, zeigen wie anders und wie weit die Iraner im Vergleich zu ihren Nachbarländern sind. Im Ausland vermittelt man, bewusst oder unbewusst, ein verzehrtes und konfuses Bild von diesem Land. Ich bin einige Male im Iran gewesen... Der Autor des Artikels, Herr Karim El-Gawhari, der selbstgenannte Nahostexperte, schreibt so einen provokativen, mit Lügen aufgefüllten und auf politischen Analphabetismus basierenden Artikel mit einem noch provokativerem Titel über ein großartiges Volk, das immer wieder beweist, dass es nicht nur existieren, sonder auch bewegen und ändern kann...

  • TS
    Tolmei Solva

    Im Grunde ist völlig egal, wie die Wahl ausgeht, denn die Macht im Staate und das letzte Wort hat nicht der Gewählte oder sonst ein gewähltes Gremium, sondern der Wächterrat. Der Iran ist damit keine Demokratie, sondern ein Land, das von einer Clique Religiöser beherrscht wird, die glauben sie wären von ihrem Gott dazu berufen. Ein zumindest nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung scheint das zu wollen.

     

    Hätten sie kein Öl, würde das keinen Menschen interessieren. Sie wären vergessen wie Ghana oder Niger und welchen Stein sie nun endlos umrunden wäre kein Thema.

  • Q
    "Irani"

    Liebe leute, es wundert mich nicht, dass es so ein falsches Bild im Westen von unserem Volk vorherrscht.

     

    Ich sage, ohne jetzt Beweisführung machen zu wollen, was möglich ist und auch früher oder später zu Tage treten wird, die Wahlurnen waren erst gar nicht geöffnet, als dieser Mann für Gewinner erkärt wurde.

     

    Es wurden die Namen auf dem Zettel gesetzt und mit Hilfe von Excel Zahlenreihen produziert und alles war von langer Hand geplant. Es ist ein kalter politischer Putsch, begangen von Herrn Führer und seine Generäle gegen das eigene Volk.

     

    Als Moussavie sich für Sieger erklärt hat, zuerst gab es fernmündlich die Einwilligung vom Führer an sein Wahlbüro. Kaum Stunden später erschienen drei Offiziere in seinem Büro mit einem Schreiben mit Führer Unterschrift, dass die Niederlage von Ahmadinedschad seine eigene Niederlage(Velayate Fagih: Herrschafts des Rechtsgelehrten)wäre und dies ist mit Nichten hinzunehmen.

     

    Moussavie witterte Putsch und wollte persönlich zu Führer Khamenei, er wurde darauf hin festgesetzt und ihm wurde Gewalt angedroht und fast alle prominente Politiker um ihn herum außer Khatami wurden verhaftet. Soger der Bruder vom Khatami und seine Frau, die Enkeltochter vom Ajatollah Khomeini ist. Inzwischen sind durch Vermittlung vom Parlamentpräsidenten Laridschani diese wieder auf freiem Fuß. Aber die Strategen unter den Reformern sitzen im Gefängnis!

    Internet und Mobilfunk funktionieren nicht oder ganz schlecht.

     

    Wir im Ausland unterstützen die Verbreitung von Nachrichten und Videos so gut wir können.

     

    Und unsere Hauptmedium ist diese Adresse:

     

    http://balatarin.com/links/live

     

    Gestern wurde ca. 15000 $ im Internet gesammelt und unsere Freunde haben neue Server angeschafft und alles fundktioniert bestens. Die Seite ist auf Persisch und ich bitte alle meine Landsleute und Freiheit liebende Menschen uns durch Weitergabe der Nachrichten zu unterstützen. Wo es keine andere journalistische Möglichkeit gibt, wir im Ausland müssen unseren Schwestern und Brüdern, allen diesen tapferen Menschen und unserem geschundenen Land helfen. Bitte helft uns!

     

    Vielen Dank!

     

    ein Irani

  • I
    Irani

    Bitte seht diesen Kurzfilm an. Sonntag nachmittag in Teheran. Bulvare Keschavarz

     

    Frauen gehen mit leeren Händen gegen die Prügelmiliz und Polizei vor. Bitte unterstütz uns in unserem friedlichen Kampf für unsere Würde als Menschen Vielen Dank!

     

    http://www.youtube.com/watch?v=xlu-qx8ohL8&eurl=http%3A%2F%2Fwww.iranpressnews.com%2Fsource%2F060564.htm&feature=player_embedded

  • V
    vic

    Ich hörte gestern von einigen Korrespondenten z.B. im "ARD Weltspiegel", dass Wahlfälschung in derartig großem Stil nahezu ausgeschlossen ist.

    Diese Regierung wird von den Ultrareligiösen massiv unterstützt. Und die stellen nun mal die Mehrheit des Volkes. Übel ist zweifellos der Umgang mit Oppositionellen, Demonstranten und Medien. Aber wie es scheint ist die Lunte gelegt. Wenn Irans Intellektuelle, und die gemäßigte Jugend es wollen, wird sich die Situation langfristig ändern. Niemand kann auf Dauer gegen sein Volk regieren.

  • TD
    Tyler Durden

    Man kann Herrn Mussavi nur wünschen, dass er sich an das Schicksal der aufständischen Iraqis erinnert, die in einer ähnlichen Situation von Bush senior plötzlich ihrem Schicksal überlassen....

  • T
    twitter

    Es sind Tausende im Iran gegen das Regime auf den Straßen, und an den Medien geht das völlig vorbei: Full coverage gibt es nur auf twitter search tag: #iranelection

  • LH
    Ludwig Hoffmann

    es kann einem schon ärgern, welche Unwahrheiten Herr Nirumand verbreitet! Herr Musawi hat sich während des aAhlkampfes nie für die Gleichstellung von Mann und Frau oder Pressefreiheit ausgesprochen, diese Forderungen stellte Karoubi, der eigentlich reformistische Kandidat.

    Am Ende fragt Herr Nirumand, wie die Machthaber mit einem Volk umgehen wollen, das sie mehrheitlich nicht haben will. 85% haben, leider, an den Wahlen teilgenommen. Diese Zahl scheint betrugfrei zu sein. Davon haben 99% für Mousawi oder Ahmadinejad gestimmt, beide verwicklet im Regime. Die Mehrheit der Iraner will leider genau dieses Regieme.

  • D
    dea

    Nun wird sich zeigen, ob das iranische Volk genauso charakterlos ist wie das amerikanische in 2000.