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Nach der Trump-ErklärungMesserattentat in Jerusalem

Die Proteste gegen die Botschaftsentscheidung des US-Präsidenten halten zwar an. Insgesamt gehen die Krawalle aber zurück.

Friedlicher Protest in der marokkanischer Stadt Rabat gegen Trumps Jerusalem-Entscheidung Foto: reuters

Bei einem Messerattentat am Zentralen Busbahnhof in Jerusalem hat ein israelischer Sicherheitsmann schwere Verletzungen im Oberkörperbereich davon getragen. Das Attentat ereignete sich am Sonntag am frühen Nachmittag. Polizeilichen Berichten zufolge wurde der Angreifer wenige Minuten nach dem Überfall auf der Flucht festgenommen.

Das Attentat steht möglicherweise im Zusammenhang mit der umstrittenen Erklärung von US-Präsident Donald Trump, der am Mittwochabend Jerusalem offiziell als Hauptstadt Israels anerkannte. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas protestierte gegen diesen Schritt und kündigte an, US-Vizepräsident Mike Pence, der plant, noch vor Weihnachten die Region zu besuchen, nicht zu treffen. Die US-Regierung habe, so ließ Abbas ausrichten, mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels „alle roten Linien überschritten“.

Die Fatah, die Partei von Abbas, hatte noch am Samstagabend dazu aufgerufen, die Proteste in den Palästinensergebieten fortzusetzen. Zwar blieb die Lage am Wochenende angespannt. Insgesamt gingen die Krawalle aber zurück. Nur ein paar tausend Demonstranten versammelten sich in verschiedenen Städten im Westjordanland, steckten Reifen, US-Flaggen und Plakate mit dem Bild Trumps in Brand.

Besonders folgenschwer blieben die Auseinandersetzungen im Gazastreifen, wo vier Menschen bei israelischen Luftangriffen und bei Feuergefechten im Grenzgebiet ums Leben kamen. Zuvor hatten Hamas-Kämpfer Raketen auf die israelische Stadt Sderot abgefeuert. Am Sonntag brachten israelische Soldaten einen Tunnel zum Einsturz, durch den die Hamas wahrscheinlich Terroristen nach Israel einschleusen wollte.

Mitglieder des EU-Parlaments wollen wegen zerstörter Projekte Geld von Israel sehen

Auch innerhalb Israels kam es am Wochenende zu heftigen Protesten. Drei Menschen trugen leichte Verletzungen davon, als Demonstranten im Anschluss an eine Kundgebung in der arabisch-israelischen Stadt Umm el-Fahm Steine auf einen Bus warfen und die Windschutzscheibe zerschmetterten. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman reagierte mit dem Aufruf, Umm el-Fahm zu boykottieren. Die gesamte Region von Wadi Ara, in der zahlreiche arabische Dörfer konzentriert liegen, müsse boykottiert werden. Die Bewohner Wadi Aras, so Lieberman, „gehören nicht zum Staat Israel“ und „sind hier nicht willkommen“.

Die Kritik an dem unilateralen Jerusalem-Beschluss des US-Präsidenten verlagerten sich unterdessen auf internationale Bühnen. In einer Dringlichkeitssitzung der Arabischen Liga, die am Samstagabend in Kairo stattfand, stellten sich die Außenminister der Mitgliedsstaaten einstimmig gegen die Ankündigung Trumps und erklärten sie für nichtig. Die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt habe keinerlei rechtliche Bedeutung, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Für die Palästinenser gilt es jetzt, die international günstige Stimmung zu nutzen und vor allem in Europa für eine Anerkennung Palästinas zu werben. Im Vorfeld einer Reise von Israels Regierungschef nach Paris und Brüssel unterzeichneten 56 Mitglieder des EU-Parlaments einen an Benjamin Netanjahu adressierten Aufruf zur Kompensationszahlung in Höhe von 1,2 Millionen Euro für die Zerstörung von EU-finanzierten Projekten. Dazu gehörten Schulen, Wasserleitungen und Zisternen sowie Energiegewinnungsanlagen. Die Rechnung sei, so heißt es in der von der ZeitungHaaretzveröffentlichten Anzeige, zahlbar bis zum 31. Dezember 2017. Tausende Israelis demonstrierten zudem erneut gegen die Korruption von Politikern und forderten den Rücktritt Netanjahus.

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3 Kommentare

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  • Ich habe gerade beim bügeln Anne Will geschaut. Und da gab es einen interessanten Satz von Herr Asselborn, zwischen den ganzen Floskeln. Wir konnten uns nicht auf ein Positionspapier innerhalb der EU Außenminister zur Jerusalemfrage einigen und Bibi kommt da morgen zu Besuch hin. Also wenn das schon nicht klappt, wie sollen die Palästinenser auf Hilfe hoffen. Ein arabisches Sprichwort sagt, "Die Welt gehört dem, der handelt." Und da ist die EU nicht gut darin.

  • "Für die Palästinenser gilt es jetzt, die international günstige Stimmung zu nutzen und vor allem in Europa für eine Anerkennung Palästinas zu werben." Warum ist die internationale Stimmung für Palästina gut? Die zwei klassischen Verbündeten waren Ägypten und Syrien, dazu die Geldgeber aus den Golfstaaten. Syrien wird als "echte" Hilfe auf Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte ausfallen. Die Hamas sind die palästinensischen Muslimbrüder, deren Zweig in Ägypten hat die Macht durch einen Putsch verloren und das Militär regiert jetzt und sperrt die ägyptischen Muslimbrüder ein und gegen viele ranghohe Muslimbrüder wurden Todesurteile erlassen. Das ägyptische Militär geht massiv gegen die Tunnel der Hamas nach Gaza vor und Hilfe wird es auch keine mehr geben. Die Golfstaaten unter Führung der Saudis haben sich mit dem Iran einen Gegner gesucht, der praktisch ihre ganze Aufmerksamkeit und Mittel beansprucht. Die Machtübergage in Gaza hat wieder nicht funktioniert, die Hamas will ihre Kräfte nicht entwaffnen, die Fatah den großen Apparat der Hamas nicht aus dem Haushalt bezahlen. Es gäbe also nicht mal eine gemeinsame Regierung, die für die Palästinenser verhandeln könnte. Seit 2006 gab es keine Wahlen mehr, die Hamas konnte die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Bevölkerung in Gaza nicht lösen, es gibt z.B. immer noch nicht 24 Stunden am Tag Strom für alle. Auch der pro Israel Kurs der Fatah hat sich leider nicht ausgezahlt, wenn die Fatah nicht anfängt, ebenfalls entschieden gegen Israel zu kämpfen, wird sie den letzten Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Die Reden von Erdogan und der arabischen Liga sind vielleicht für die Moral der eigenen Leute gut, aber praktisch bringen Sie den Palästinensern nicht viel, denn es werden wohl keine Sanktionen gegen Israel folgen. Und die EU kann nicht mal Konflikte vor ihrer eigenen Haustür schlichten, geschweige denn hunderte Kilometer entfernt, vor allem während eine Fraktion durch die USA unterstützt wird.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    "Insgesamt gingen die Krawalle aber zurück"..diese Korrespondentin, die die weltweiten Proteste nicht erwähnt (darunter Merkel und Macron), da nicht sein kann, was nicht sein darf, hat schon im letzten Kommentar von der konstruktiven Rolle Trumps und den tollen "neuen Chancen" für die Palestinenser geschwärmt. Will sie und die TAZ uns für blöd verkaufen oder lebt sie in einer anderen Wirklichkeit.