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Nach der Trennung von Kermit und PiggyWirklich frei zusammen sein

Kommentar von Dirk Knipphals

In der Möglichkeit der Trennung kommt ein Paar erst ganz zu sich. Wer das nicht versteht, versteht die ganze Gesellschaft falsch.

Wir können jederzeit gehen, wenn wir wollen. Foto: dpa

W enn Paare sich trennen, bekommen Gesellschaftsanalytiker traurige Augen. Das Ende der Liebe ist gekommen. Individualisierung macht einsam. Der Kapitalismus lässt uns zu Egoisten werden. Solche Thesen sind schnell bei der Hand. Dabei ist es in Wirklichkeit ganz anders. Von der Tatsache, dass es Trennungen gibt, lässt sich nämlich gar nicht auf ein Ende des Paarmodells schließen. Vielmehr kann dieses Modell, wenn es vom Zwang befreit ist, Norm sein zu müssen, erst richtig zu sich kommen.

Der Punkt ist: Erst wenn Paare sich auch jederzeit trennen können, können sie auch wirklich zusammen sein. Denn erst dann hängt es nur von seinen Mitgliedern ab, ob das Paar zusammenbleibt – und nicht vom kirchlichen Segen oder gesellschaftlichem Druck, von Konventionen oder wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Die Mitglieder moderner Paare müssen sich so nahekommen – und dabei häufig narzisstische Selbstentwürfe überwinden –, dass sie aus sich heraus Stabilität herstellen. Das heißt aber: Paare sind heute viel intensiver zusammen, als sie es je zuvor waren. Und das können sie nur deshalb sein, weil sie nicht zusammen sein müssen.

Es wird Zeit, dass sich diese Erkenntnis weiter herumspricht. Man versteht unsere gesamte Gesellschaft falsch, wenn man diesen Punkt nicht versteht. Auch wenn sie es nicht mehr offen aussprechen, wittern Kirchenvertreter bei Trennungen immer noch Sittlichkeitsverfall.

Und linke Theoretiker schließen auf Konsumdenken innerhalb von Beziehungen oder auf einen selbst- und paarzerstörerischen Hang zur Selbstoptimierung. Individualisierung – das hat für sie etwas Defizitäres. Dabei ist es die Voraussetzung allen geglückten Lebens, ob nun als Single oder als Paar. Das bedeutet nun nicht, dass man sich freuen soll, wenn sich Paare trennen.

So wichtig die Möglichkeit dazu ist, so traurig ist es auch, wenn eine Liebe endet. Und so schwierig ist es. Mittlerweile muss man sich so stark auf den Partner einlassen, dass man sich nach dem Ende ernsthafter Beziehungen oft von Grund auf neu erfinden muss. Anstrengend? Ja. Niemand hat gesagt, dass Paarmodelle etwas für Feiglinge sind.

Aber man kann sich eben auch neu erfinden, während man früher nach Trennungen mit Makeln (als Frau) oder unter Wiederholungszwang (als Mann) leben musste.

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Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
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6 Kommentare

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  • „Und linke Theoretiker schließen auf Konsumdenken innerhalb von Beziehungen oder auf einen selbst- und paarzerstörerischen Hang zur Selbstoptimierung. Individualisierung – das hat für sie etwas Defizitäres. Dabei ist es die Voraussetzung allen geglückten Lebens, ob nun als Single oder als Paar.“

     

    Es gibt viele Arten, mögliche Kritiker im Vorwege zu desavouieren. Zum Beispiel kann man sie „linke Theoretiker“ nennen. Dadurch kommen die eigenen Mutmaßungen und Behauptungen wie Ergebnisse reiner Wissenschaft daher. Dass z.B. Selbstoptimierung und Individualisierung Voraussetzungen eines geglückten Lebens wären – egal in welcher Lebensgemeinschaft oder Ungemeinschaft .

     

    Wer konstatiert, Paarmodelle seien nix für Feiglinge, aber mit immer neuen Entwürfen von Gesellschaftsmodellen und vom Zusammenleben daher kommt, im Großen oder im Kleinen, soll bitte folgende Frage beantworten: „Wo bleiben die Non-Alphas? Was wird aus den Schwachen, Ängstlichen und aus den Mauerblümchen?“ Oder wird es die in einer „Brave New World“ bald nicht mehr geben?

  • Sehr geehrter Herr Knipphals

     

    Ihre Argumentation hat eine innere Logik, ist aber keineswegs zwingend.

     

    Gegenthese: Wenn sich kein Paar trennen dürfte, dann würden sich mehr Paare näher kommen! Denn um der Hölle einer schlechten Partnerschaft zu entkommen, bliebe nur noch die Möglichkeit, aufeinander einzugehen, sich gegenseitig wahrzunehmen und Wertschätzung entgegenzubringen. Es wäre also gut, wenn sich kein Paar trennen dürfte.

     

    Die Gegenthese folgt genau Ihrer Argumentationskette. Ich denke, Partnerschaften sind ein viel weiteres Feld, als Ihr Beitrag glauben machen will und der Wegfall der normativen Zwänge führt mitnichten zwingend zu einer gesellschaftlichen Verbesserung. Zumindest ist meiner Meinung nach Ihnen der Nachweis dazu nicht gelungen.

     

    Viele Grüße

    Günther Werlau

  • Was für ein Käse! Was für ein hedonistisches Beziehungsverständnis!

    Wie wäre es stattdessen mit Solidarität, auch und gerade wenn der Partner außer Form gerät. Denn das geschieht unweigerlich mit beiden - auf die eine oder andere Weise. Und einem: Wir halten zusammen, komme was mag - und setzen uns gerade deshalb immer wieder auseinander, um die Kompatibilität zu überprüfen und wo nötig zu korrigieren.

    Das erfordert aber Selbstreflexion, die Fahigkeit zur Selbstkritik, Bereitschaft, sich selbst an den Partner anzupassen.

    Die Beziehungsforschung (z.B. Jürg Willi) zeigt unmissverständlich, wer auf die Länge die Nase vorn hat - und das sind nicht die disponiblen Beziehungen.

    • Dirk Knipphals , Autor des Artikels, Literaturredakteur
      @Achtsamer:

      Aber genau das sage ich doch. Wer dich nicht trennen will, muss intensiv zusammen sein. Kompatibilität überprüfen, korrigieren... Und genau das macht man, weil es eben nur auf sich und den Partner ankommt. Glaube, wir sind nicht weit voneinander entfernt.

      • @Dirk Knipphals:

        Dennoch: Jürg Willis (Paarforscher Universität Zürich) Forschungen belegen unmissverständlich, dass der Vorbehalt der Trennung - in der Ehe ohne Trauschein - die Trennung praktisch programmiert.

        Darüber hinaus fand er zersplitterte Persönlichkeiten aus diesen hire-and-fire Beziehungsmodellen...

        Das 68er Beziehungsmodell taugt einfach nicht für die Realität.

        Geradezu katastrophal ist die implizite Beziehungsratgeberei in den unzähligen Filmen. "Ich hab mich nun mal in eine/n andere/n verliebt..."

        Statt zu erzählen, wie Beziehung geht, erzählt man, wie man (angeblich ganz leicht) aus der Beziehung geht. Mund abputzen, der Nächste bitte...

        (Dies schreibt übrigens kein Frustrierter, a la "Yesterday...")

        • @Achtsamer:

          Früher hätte man vielleicht zu recht gesagt, Sie, Herr Knipphals, und Sie, ACHTSAMER, klingen zusammen wie ein altes Ehepaar. Heute allerdings klingen die meisten ALTEN Ehepaare anders. Die, die so geklungen haben, sind nämlich längst schon keine mehr. Die haben sich getrennt. Sie haben einfach nicht gepasst (im Sinne von to fit).

           

          Bitte, meine Herren, folgen Sie mir gedanklich in folgenden Schwarz-Weiß-Filmausschnitt: Dirk Knipphals gibt den weiblichen Part eines gut betuchten Bürgerpaars, ACHTSAMER trotz seines selbstgewählten Namens den männlichen. Er hat studiert, sie hat geerbt. Die Kinder, die man aufgezogen hat, sind lange aus dem Haus. Die beiden streiten sich um eine Nichtigkeit. Der einen (Knipphals) kommt es darauf an, fast engelsgleich Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Was wäre sie denn ohne ihren Göttergatten? Dem anderen (ACHTSAMER) ist wichtiger, dass er die Federn richtig plustern kann. Die tollen Frauen, hat man ihm erzählt, mögen die richtig starken Kerle. Er spielt also auf seinen intellektuellen Vorsprung an ("Ätsch, ich hab Jürg Willis gelesen, einen Mann, der an der Uni Zürich forschen darf, und Du weißt nicht mal, wer das ist!") Sie gibt sich weiter friedlich, sucht die Lage zu entkrampfen und denkt im Stillen: "Armer Gockelhahn! Du wirst noch in der Suppe enden!"

           

          Ihr Disput bestätigt mir einmal mehr, dass Sie beide recht haben. Allerdings nur gemeinsam, nicht alleine. Sie müssen schließlich nicht zusammen müssen. Sie dürfen es. Das muss jedoch nicht heißen, dass Sie es auch richtig können. Denn dazu ist vor allem ein gewisses Wollen nötig. Wenn das nicht existiert, weil nach dem Müssen nur ein Garnichts kam, ist alles andere egal. So weit so klar?