Nach der Snowden-Affäre: Profit statt Bürgerrechte

Trotz der NSA-Spionage will die EU mit den USA über das Feihandelsabkommen verhandeln. Die Affäre soll jetzt nur im Ausschuss aufgeklärt werden.

Prost auf den Freihandel: Merkel und Obama können anstoßen. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Im Streit um den Spionageskandal stellt die Europäische Union die Bürgerrechte hintan. Trotz der vermuteten massiven Ausforschung in europäischen Ländern sowie der EU-Vertretung in Washington durch den US-Geheimdienst NSA sollen am kommenden Montag wie geplant Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA beginnen. Dies setzten Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso gegen anfänglichen Widerstand des französischen Staatspräsidenten François Hollande durch.

Merkel telefonierte zum Thema mit US-Präsident Barack Obama. Auch das Europaparlament fand sich am Donnerstag damit ab, Boykottforderungen der Linken und Grünen wurden abgeschmettert. „Leider hat es im Europäischen Parlament nur für Empörung gereicht“, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Rebecca Harms. Konservative und Sozialdemokraten hätten eine Verschiebung der Verhandlungen verhindert. „Das ist feige“, fügte Harms hinzu – und warb für eine Online-Petition gegen die Gespräche.

Immerhin fordert das Parlament nun per Resolution einen Stopp aller Ausspähaktionen. Die USA sollten den Europäern alle Informationen über das Überwachungsprogramm „Prism“ sofort zur Verfügung stellen. Ein Ausschuss des Europaparlaments soll die Vorwürfe untersuchen.

Auf den zunächst geforderten Sonder-Untersuchungsausschuss verzichteten die EU-Abgeordneten. Angeblich, weil es zu lange dauere, diesen auf die Beine zu stellen. Der nun federführende Ausschuss für bürgerliche Freiheiten soll nicht autonom arbeiten, sondern eng mit einem Gremium von Experten aus EU und USA kooperieren.

Kungeln im Kanzleramt

Die Runde geht auf ein Kungeltreffen zwischen Merkel, Barroso und Hollande am Mittwoch im Kanzleramt zurück – und nicht etwa auf einen ordentlichen EU-Beschluss. Die Zusammenkunft hatte Merkel nach ihrem Sondergipfel zur Jugendarbeitslosigkeit einberufen. Damit war sie auch der Abstimmung im Europaparlament zuvorgekommen.

Freihandel sei wichtiger, sagte Barroso, schon im Irak-Krieg ein treuer Verbündeter der USA. Zuletzt hatten sogar Wirtschaftslobbyisten Bedenken angemeldet – sie fürchten, dass die USA in der EU Industriespionage betreiben und Europa bei der Freihandelsrunde übers Ohr hauen könnte.

Bei den Gesprächen geht es um den Abbau von Zollschranken, aber auch von so genannten nicht-tarifären Handelshemmnissen – Verbraucherschutz, Industrienormen oder Umweltstandards. Unklar ist, ob die EU die Verhandlungen stoppen könnte, wenn die USA die Affäre nicht vollständig aufklären. Die Entschließung des Europaparlaments lässt dies zumindest hoffen.

Die Vorwürfe könnten das geplante Abkommen „untergraben“, heißt es in der Resolution. Es müsse untersucht werden, inwieweit Bürgerrechte und auch Datenschutzbestimmungen der EU verletzt wurden. Zudem sollen künftig „Mehrwert und die Verhältnismäßigkeit“ von Spähaktionen bei der Terrorismusbekämpfung geprüft werden.

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