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■ Nach der Niederlage beim Großen Lauschangriff gegen das "Volksfront"-Bündnis hat es den Unionspolitikern die Sprache verschlagen. Mit dem Staatsbürgerschaftsrecht bastelt die SPD schon am nächsten Koalitionskonflikt.Wie sag ich's nur dem

Wie sag ich's nur dem Kohl?

Der Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hat keine Lust zum Plaudern. „Ich sag' jetzt gar nichts“, meint er nach der Sondersitzung der Unionsfraktion am späten Donnerstag abend zu wartenden Journalisten. „Weil, wenn ich jetzt etwas sagen würde, dann wär's ein Fehler.“ Dann bleibt er doch noch einen Augenblick stehen. Es gebe natürlich immer verschiedene Möglichkeiten, sinniert er. Entweder so: Seine Hand beschreibt eine sanft abfallende Bewegung. Oder so: Die Hand fällt steil nach unten wie in einen Abgrund. Und für welche der beiden Möglichkeiten hat sich die Unionsfraktion gerade entschieden? Nun muß der Minister aber wirklich gehen. „Ich sag' jetzt gar nichts.“

Der CSU-Politiker sieht nicht so fröhlich aus wie sonst, als er dem Ausgang zustrebt. Dabei geht es den Kabinettsmitgliedern noch vergleichsweise gut. Sie dürfen in den nächsten zwei Wochen in ihren vertrauten Ministerien einfach regieren.

Die anderen Abgeordneten müssen jetzt in der sitzungsfreien Zeit der Bevölkerung in ihren Wahlkreisen erklären, inwiefern die Regierung allen anderslautenden Gerüchten zum Trotz ganz fabelhafte Arbeit leistet und warum sie deshalb auch die Bundestagswahlen souverän gewinnen wird. Es gibt in der Union viele, die diese Aufgabe schwierig finden.

Rupert Scholz hat auf der Fraktionssitzung schon mal eine Linie ausprobiert. Er nannte das Ergebnis der Abstimmung im Bundestag die erste Pleite von Gerhard Schröder, der doch ein überzeugter Anhänger des Lauschangriffs sei. Das kam aber bei den Fraktionskollegen nicht gut an. Sie lachten und johlten, wie ein Teilnehmer später erzählte. Die Sprachregelung, auf die sich die Fraktion schließlich verständigt, wird später draußen auch von Innenminister Manfred Kanther vertreten: Es habe sich eben gezeigt, daß beim Thema Innere Sicherheit nur auf die Union Verlaß sei. Der beste Dienst, den jemand der Inneren Sicherheit erweisen könne, sei daher, CDU zu wählen.

Diese Art der Vorwärtsverteidigung reicht aber nicht mehr aus, Unmut und Frustration in einer Fraktion zu dämpfen, in der viele Abgeordnete mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen jetzt um ihren Sitz im Parlament fürchten. Da nützt es auch nichts, wenn Fraktionschef Wolfgang Schäuble das Debakel „tiefer hängen“ will und versucht, der Entwicklung die Dramatik zu nehmen. Dazu steht Schäuble selbst viel zu sehr im Mittelpunkt des Geschehens.

Was noch zu Beginn der Woche nach der Wahlniederlage in Niedersachsen ein Tabu gewesen sei, das werde jetzt immer häufiger erörtert, wenn kleine Grüppchen von Unionsabgeordneten zusammenstehen, erzählen Abgeordnete. Die Diskussion über einen möglichen Wechsel des Kanzlerkandidaten sei in vollem Gange. Die brennende Frage dabei: Wie kriegt man es hin?

Manche würden Schäuble am liebsten gleich zum Kanzler wählen. Davor warnen andere. Es könne allzuleicht passieren, daß ein paar verärgerte Abgeordnete aus den eigenen Reihen bei der Kanzlerwahl gegen Schäuble stimmten – dann hätte die Union am Ende überhaupt keinen Kandidaten mehr. Also vielleicht doch erst nach dem 5. Mai, wenn auf dem EU-Gipfel der Euro feierlich beschlossen worden ist und Kohl das zum Abschluß als Krönung seines Lebenswerks feiern kann? Dagegen spricht, daß es für eine neue Wahlkampfstrategie dann reichlich spät ist. Und überhaupt: Macht der Kanzler mit? Über allen Diskussion schwebt die Erkenntnis, daß ein Wechsel nur möglich ist, wenn Helmut Kohl selbst erkennt, daß seine Zeit vorbei ist.

Wolfgang Schäuble, der dem Regierungschef über Jahre hinweg unangenehme Einsichten vermitteln konnte, ist in einer prekären Lage. Er hat öffentlich versprochen, den Kanzler niemals bescheißen zu wollen, und einmal erklärt, er werde ihm unter vier Augen sagen, es sei Zeit abzutreten. Falls das je nötig werde. Aber so etwas sagt sich leichter, wenn man nicht gerade selbst der designierte Nachfolger ist.

Manche fürchten, daß Helmut Kohl den Blick für die realen Tagesprobleme verloren hat. In der Fraktionssitzung hat er erklärt, die Zustimmung zum Vertrag von Amsterdam im Bundestag werde vor der Geschichte Bestand haben. Das sei doch viel wichtiger als das Gesetz zum Abhören von Wohnungen, das bald wieder Makulatur sein werde. „Historisch betrachtet mag das ja stimmen“, seufzt ein Abgeordneter. Aber im Augenblick helfe diese Sicht der Dinge doch nicht so recht weiter.

Als der Regierung im letzten Jahr wieder und wieder Handlungsunfähigkeit vorgeworfen worden war, glaubten viele Unionsabgeordnete, viel schlimmer könne es nicht mehr kommen. Da waren sie zu optimistisch. Die Regierung hat im Bundestag ausgerechnet in einem Bereich, der zentrales Wahlkampfthema der Union ist, eine qualifizierte Mehrheit gegen sich. „Und die Führung hat ja nicht etwa hektisch versucht, die Niederlage zu verhindern, sondern ihr fatalistisch ins Auge geblickt“, ärgert sich ein Abgeordneter. Ob die Talsohle nun erreicht ist? Bei den Landtagswahlen in Sachsen- Anhalt hofft die CDU immerhin auf ein Ergebnis von deutlich über 20 Prozent. Bettina Gaus, Bonn

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