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Nach der Festnahme von Daniela KletteFestgenommener nicht von der RAF

Nachdem Terroristin Daniela Klette gefasst wurde, erfolgt eine weitere Festnahme. Nun erklärt das LKA, der Mann sei kein RAF-Mitglied.

Bisher keine Mittäter gefasst: Polizisten am Wohnort Daniela Klettes in Berlin Kreuzberg Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Es klang, als würde nun alles ganz schnell gehen. 30 Jahre wurde erfolglos nach dem untergetauchten RAF-Trio Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub gesucht. Am Montagabend wurde dann Klette in Berlin-Kreuzberg festgenommen. Am Dienstag folgte eine weitere Festnahme in Berlin, ein Mann ähnlichen Alters. Jetzt aber ist klar: Er gehörte nicht zur RAF. Am Mittwochmorgen sagte eine LKA-Sprecherin der taz: Der Festgenommene sei wieder frei, es handele sich weder um Staub noch um Garweg.

Niedersachsens LKA-Chef Friedo de Vries hatte die Verhaftung des Mannes am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, als über die Festnahme von Klette berichtet wurde. Die Identifizierung aber zog sich über Stunden. Am Mittwoch erklärte eine LKA-Sprecherin, das diese nun erfolgt sei – und es sich um keinen der Gesuchten handelte. Die Fahndung nach Garweg und Staub dauere daher weiter an.

Es ist nicht die erste Verwechslung: Erst vor anderthalb Wochen war es zu einem großen Polizeieinsatz in Wupptertal gekommen, als in einem Regionalzug ein Mann fälschlich für Ernst-Volker Staub gehalten wurde.

Gegen Klette wurde derweil Untersuchungshaft verhängt, sie sitzt nun in einer JVA in Niedersachsen. Die 65-Jährige wird der dritten und letzten Generation der RAF zugerechnet. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, an Anschlägen 1990 auf die Deutsche Bank in Eschborn, ein Jahr später auf die US-Botschaft in Bad Godesberg und 1993 auf die im Bau befindliche JVA Weiterstadt in Hessen beteiligt gewesen zu sein – im letzteren Fall zusammen mit Staub und Garweg. Seitdem wurde das Trio gesucht, zuletzt auch mit Auslobung einer Belohnung von bis zu 150.000 Euro für Hinweise.

Von 1999 bis 2016 soll das abgetauchte Trio dann sechs Raubüberfälle in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen begangenen haben, um ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Zwei Millionen Euro sollen dabei erbeutet worden sein. Wegen dieser Überfälle hatte zuletzt das niedersächsische LKA Klette, Staub und Garweg gesucht – und wegen dieser Taten wurden gegen Klette nun auch die Haftbefehle verhängt. Weil bei den Überfällen auch Schüsse fielen, lautet der Vorwurf unter anderem auf versuchten Mord.

Klette war am Montagabend in einer Wohnung im Berliner Stadtteil Kreuzberg festgenommen worden. Zuvor hatte es im November 2023 einen Hinweis aus der Bevölkerung auf diese Wohnung und Klette gegeben. Nachbarn berichteten Medien, dass Klette bereits seit Jahren in dem Haus gelebt habe und auch Nachhilfe gab. Sie soll sich als „Claudia“ ausgegeben haben. Unter diesem Namen betrieb sie auch ein Facebookprofil. Offenbar war Klette auch längere Zeit, bis mindestens 2019, in einem Kreuzberger Capoeira-Verein aktiv, wie Social Media Fotos zeigen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich hocherfreut über die Festnahme gezeigt: Der Rechtsstaat zeige Beharrlichkeit und langen Atem. Niedersachens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sprach von einem „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.

Die Rote Hilfe, die verfolgte Linke unterstützt, erklärte dagegen, die Festnahme Klette sei das Ergebnis einer „jahrzehntelangen Verfolgungswut“ und eines „staatlichen Rachebedürfnis“ gegen einstige Mitglieder von Stadtguerilla-Gruppen. Es sei zu befürchten, dass in dem neuerlichen RAF-Verfahren „sämtliche rechtsstaatliche Standards außer Kraft gesetzt werden, um eine möglichst hohe Haftstrafe zu erreichen und Reuebekundungen zu erpressen“.

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8 Kommentare

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  • Wieso ist es eine so geniale kriminalistische Leistung, wenn die Polizei nach vielen Jahren und vermuteten X Raubüberfällen eine von 3 Gesuchten schnappen kann? Nun hat man bereits zweimal die falschen Männer vorübergehend eingebuchtet. Schließlich waren Sie im Alter der Täter. Mein ehrlich empfundenes Mitgefühl für diese unschuldigen Oper genialen kriminalistischen Handelns.

  • Wieviele traumatisierte Senioren wird man im Zuge dieser Hexenjagd noch produzieren? Die Festnahmen und anschließenden Verhöre finden ja sicher nicht nach dem altenglischen Ritus "Ihren Degen, Sir! . Ihr Gefangener, Sir!" statt

  • "Die Rote Hilfe, die verfolgte Linke unterstützt, erklärte dagegen, die Festnahme Klette sei das Ergebnis einer „jahrzehntelangen Verfolgungswut“ und eines „staatlichen Rachebedürfnis“ gegen einstige Mitglieder von Stadtguerilla-Gruppen."



    Verfolgungswut? Die RAF hat 33 Personen ermordet, dazu plusminus 200 Verletzte bei diversen Anschlägen zu verantworten.



    Das waren keine knuffigen Stadtguerillas, das waren skrupellose ideologische Mörder, die sich immer wieder nicht konsistente Sinnsysteme erdachten, um dadurch (oft erst hinterher) sich für ihre Taten zu rechtfertigen und zu ermächtigen.



    Schon klar das die Rote Hilfe sich gern das linke Auge zuhält, das sei ihr auch zugestanden, aber irgendwo wirds lächerlich wenn man derart an der Realität vorbei Geschichtsrevisionismus betreiben will.

  • Auch wenn ich Gewalt niemals gutheiße,



    frage ich mich, ob solch ein Aufwand wohl betrieben wird,



    wenn es um Rechtsradikalen Terror in unserem Rechtsstaat geht.



    Doch mein weinendes linkes Auge sieht den Staat auf dem rechten Auge noch blinder als ich in meiner Jugend je für möglich gehalten hatte.

    Anfängen, die sich seit Jahrzehnten konstant im Untergrund, der Politik, der Judikative und Exekutive, der Wirtschaft und in der Gesellschaft kann man sich nicht erwehren. Umso mehr muss dass "Nie wieder ist jetzt" von allen mündigen Demokraten gelebt werden.

  • Wenn du eine Bank ausraubst, kommt die Polizei. Dahinter steckt kein staatliches Rachebedürfnis, wie die Rote Hilfe meint, sondern der Rechtsstaat. If you can't do the time, don't do the crime.

    • @Jochen Laun:

      Wenn eine Bank ihre Mitarbeiter um viel Geld betrügt, wer kommt dann?

  • Irgendwie amüsant...da ist man "untergetaucht" und betreibt ein facebook-Profil. Dann hat Frau Klette immer noch den gleichen Haarschnitt und Haarfarbe wie früher, also entweder ist das maximal unvorsichtig oder sie wollte gefasst werden.

    • 9G
      94799 (Profil gelöscht)
      @charly_paganini:

      Nee - die Strafverfolger waren zu doof für eine erfolgreiche Fahndung und die Festnahme erfolgte über eine als drittklassig eingestufte Spur, von SEK Einsatz bei so einer "gefährlichen Person" keine Spur, trotz stramm rechter CDU-Regierung in Berlin.