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Nach der Ermordung Charlie KirksKriegserklärung von rechts oben

Nach dem Mord am extrem rechten Aktivisten Charlie Kirk sagt die US-Regierungsspitze der politischen und gesellschaftlichen Linken den Kampf an.

Der rechte Hetzer J.D. Vance moderiert eine Folge der „Charlie Kirk Show“ im Weißen Haus Foto: Doug Mills/The New York Times/ap/dpa
Bernd Pickert
Von Bernd Pickert aus Berlin

Vier Tage nach der Ermordung des extrem rechten Aktivisten und einflussreichen Trump-Unterstützers Charlie Kirk geht der innerste Machtkreis um den US-Präsidenten in die Offensive gegen die politische Linke. Am Montag fungierte Vizepräsident J D Vance aus seinem Büro im Weißen Haus als Host der Charlie Kirk Show. Zu Gast hatte er Trumps Vize-Stabschef Stephen Miller, und der kündigte an, alle den Bundesbehörden zur Verfügung stehenden Mittel ausnutzen zu wollen, um „die weitreichenden terroristischen Netzwerke“ zu zerstören, die zur Ermordung Charlie Kirks geführt hätten. Damit seien NGOs und sonstige linke Organisationen gemeint, die politische Gewalt beförderten, jemanden wie Charlie Kirk dämonisiert und entmenschlicht und damit zu seiner Ermordung beitragen hätten.

Vance bekräftigte das Vorhaben. Die Antifa – bekanntermaßen keine feststehende Organisation – müsse verboten werden. Das hatte in der Vergangenheit auch Donald Trump immer wieder gefordert.

Dabei war selbst am Montag, als – aufgrund der achtstündigen Zeitverschiebung nach Redaktionsschluss der taz – die Staatsanwaltschaft in Utah die Anklage gegen den mutmaßlichen 22-jährigen Täter Tyler Robinson veröffentlichen wollte, über dessen Motiv, ideologische Ausrichtung oder gar Vernetzung rein gar nichts bekannt. Der Angeklagte kooperiere nicht mit den Ermittlern, hieß es. Übersetzt bedeutet das: Er schweigt.

An der Überzeugung der MAGA-Führung, es sei nunmehr an der Zeit, gegen ihre politischen Gegner mit aller Staatsgewalt vorzugehen, ändert das nichts. Selbst der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson hielt sich mit einseitigen Schuldzuweisungen nicht zurück, als er am Sonntag in der TV-Show „Face The Nation“ auftrat. Dabei hatte Johnson nur wenige Sätze vorher davon gesprochen, die politischen Führer des Landes müssten sich im Ton mäßigen.

Die gesamte Rechte spricht Charlie Kirk heilig

Auch Charlie Kirks trauernde Witwe Erika trug zur aufgeheizten Stimmung bei: Ihr Weinen werde als „Schlachtruf“ um die Welt gehen – die Mörder ihres Mannes hätten keine Ahnung, was sie da entfesselt hätten, sagte sie am Wochenende.

Erhellend war in der von J D Vance gehosteten Sondersendung allerdings, dass Vance und Miller den großen Einfluss Kirks auf Trumps Entscheidungen bestätigten. Vance erzählte offen, dass er Kirk zu großen Teilen zu danken habe, weil der sich für seine Nominierung als Trumps Vizepräsident stark gemacht habe. Und in der Übergangsphase der Regierungsbildung sei Kirk an nahezu allen Entscheidungen maßgeblich beteiligt gewesen, ob es um Personalfragen oder Dekrete ging.

In der gesamten Rechten wird Kirk in diesen Tagen heiliggesprochen: als Christ, liebender Ehemann und Vater, Verfechter freier Rede und konservativer Werte. Im Umkehreffekt wird allen, die auf Kirks tatsächliche rassistische, frauenfeindliche, verschwörungstheoretische und rechtsextreme Positionen hinweisen, unterstellt, sie feierten seine Ermordung.

Das Besondere in diesem Fall: Solche Verdrehungen kommen nicht von irgendwelchen spinnerten rechten Youtubern, sondern direkt aus dem Weißen Haus, dem Justizministerium, dem Heimatschutzministerium und der Spitze des FBI. FBI-Direktor Kash Patel hatte in der vergangenen Woche seinen Auftritt bei der Pressekonferenz in Utah nach der Festnahme des mutmaßlichen Täters mit den Worten beendet: „An meinen Freund Charlie Kirk: Ruh dich jetzt aus, Bruder. Wir halten Wache. Wir sehen uns in Walhalla.“

Und am Montag kündigte Donald Trump an, die New York Times zu verklagen, weil sie „illegale Wahlkampfhilfe“ für Kamala Harris geleistet hätten und immer gegen ihn berichtete. Im Ergebnis geht in diesen Tagen eine echte Angst durch die USA. Es ist die Furcht davor, die Regierung könnte die Ermordung Charlie Kirks nutzen, um gegen absolut alle vorzugehen, die den laufenden autoritär-faschistischen Staatsumbau kritisieren. Eine Methode, die insbesondere in Deutschland historische Vorbilder hätte.

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12 Kommentare

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  • Ja vor dem Hintergrund der Gleichschaltungsprozesse in der US Medien- und Kulturlandschaft kann man vielleicht auch langsam das Wort "vibe shift" bei der aufgekratzten Berichterstattung über die neuesten "Trends in Mode und social media" sein lassen.

    Der Begriff vibe shift suggeriert, dass es sich um neue Trends handelt, die ganz natürlich aus der Gesellschaft kommen. Das lässt ausser Acht, dass weite Teile der US Kultur und Medien bereits von den Umbauprozessen in eine Diktatur betroffen sind und diese vermeintlichen Trends unter politischem Druck produzieren.

  • Man kann jetzt vor allem sehen, dass das Kapital mit den Faschisten zusammen Hand in Hand geht. Schon bei dem Rauswurf von Stephen Colbert ging es um die Übernahme eines anderen Konzerns durch die Milliarden von Ellison.



    Im Hintergrund zu Kimmels Rauswurf steht die Fusion von den Firmen Nexstar und Tegna, für die wiederum die Genehmigung der staatlichen FCC benötigt wird. Über diese Behhörde übt Trump seinen Einfluss aus.

    Auch so stehen schon viele Miliardäre fest an der Seite Trumps. Allen voran natürlich Elon Musk, der gerade erst in London bei einem Nazi-Aufmarsch zugeschaltet wurde und von einem Kampf von Leben und Tod schwadronierte. Aber er ist nur der lauteste, es gibt auch jene, die sich mehr im Hintergrund halten, wie Peter Thiel, der ein starker Förderer von JD Vance ist oder den bereits erwähnten Ellison, der offen von einer Totalüberwachung träumt, wie sie selbst Orwell nicht hätte ausdenken können.

    Momentan können wir in den USA sehen, wie die Redefreiheit eingeschränkt wird und es ist erst der Anfang. Die Macht des Kapitals zusammen mit der Staatsgewalt von Trump wird verstärkt auch bei uns eingreifen und zum Wohle der Wirtschaft wird man sich beugen.

  • Jimmy Kimmel Live ist schon mal das erste prominente Opfer dieser Repressionswelle.

    • @Deutschfranzose:

      Nein, vor ihm wurde schon Stephen Colbert ziemlich auf die gleiche Weise gefeuert.

  • Wir sollten die Gelegenheit nutzen um uns auch hier in Deutschland nochmal gründlich abzuklopfen im Hinblick auf unsere staatliche und gesellschaftliche Resilienz bei einem vergleichbar dramatischen zukünftigen Ereignis. Nach Solingen hatte ich den Eindruck, dass dort an vielen Punkten ganz ungünstige Mechanismen ineinander gegriffen und einen deutlichen politisch/gesellschaftlichen Wandel (Rechtsruck) ausgelöst haben, der nicht mehr zum Auslöser passte - weder in der Verhältnismäßigkeit noch in der Richtung - Maßnahmen wirkten ziellos und eher inszeniert. Heute sind Profiteure dieser Stimmungsänderung (oder welche die sich dafür halten) Teil der Bundesregierung. Wir sollten die Macht einzelner medienwirksamer Ereignisse und der dahinterstehenden Narrativbildung nicht aus dem Blick verlieren. Zwischen dem Aushebeln unserer demokratischen Grundprinzipien und deren Weiterbestehen steht nach einem Medienereignis ein Wort wie "Notverordnung", dessen gerichtliche Einschätzung, die Beachtung der Rechtsprechung durch die regierenden Akteure, die Kontrolle jenens Beachtens durch die Öffentlichkeit und anderer staatlicher Institutionen (bes. der Exekutiven) - alles muss funktionieren.

    • @drum:

      Wir erleben doch jetzt schon, wie Dobrindt Gerichtsurteile ignoriert und bestenfalls als Empfehlungen betrachtet, an die er sich nicht halten müsse.

      • @Schöneberg:

        Sehr guter Punkt. Muss er ja tatsächlich nicht. Und genau von solchen Unstimmigkeiten (die man sich mal genauer anschauen könnte) spreche ich.

  • ... wir sehen uns in Walhalla ... drunter tuns die Rechten nicht.



    Schlageter und Horst Wessel lassen grüßen.

    • @Fritz Müller:

      Jetzt klauen uns die Amis sogar unsere nordischen Mythen - eine Frechheit ist das. Haben die denn keine eigenen?

  • Der nicht zur OB-Wahl in Ludwigshafen zugelassene AfD-Kandidat Joachim Paul und die AfD-Vize Beatrix von Storch, begleitet vom Leiter Politik von NIUS, waren ins Weiße Haus eingeladen worden und sprachen dort unter anderem auch ihr Mitgefühl für Kirks Tod aus. Der eigentliche Reisegrund war aber die Diskussion über die angeblich nicht mehr vorhandene Meinungsfreiheit in Deutschland. Seitens der Gesprächspartner des Weißen Hauses (darunter hohe Vertreter aus dem Büro des Vizepräsidenten) seien die USA in großer Sorge um die Meinungsfreiheit in Deutschland und würden sich überlegen, wie sie wirtschaftlichen und militärischen Druck (eventuell über die Ukraine-Schiene) ausüben könnten, damit in D die Meinungsfreiheit (der AfD!) wieder hergestellt werden könne.

    Mich schaudert's!

    • @Sabine Hofmann-Stadtländer:

      Steve Bannon hat auch schon Champagner nachbestellt, weil er ja jetzt täglich eine Flasche auf die Erfolge seiner Bemühungen trinken kann: Die US-Lügenmaschine läuft auf Hochtouren.



      Gemäßigte Stimmen, selbst im Lager der Republikaner, werden mundtod gemacht. Mal sehen, wie lange es Gouverneur Cox durchhält und ob er als linker Verräter rausgeworfen wird.



      Ohne Mäßigung kann Trump den Bürgerkrieg überspringen, die Opposition komplett inhaftieren und in allen Städten Militär postieren. Die Tests dazu waren bereits erfolgreich und praktisch folgenlos.



      In der Türkei hat es auch gut funktioniert, wenn auch in anderer Reihenfolge. Aber mit Project 2025 sind die Trumpisten wohl besser Vorbereitet ...

    • @Sabine Hofmann-Stadtländer:

      Wobei man aber leider sagen muss, dass Dinge wie ChatControl auf EU-Ebene oder Rufe nach einem Verbot der AfD nur Wasser auf die Mühlen derer sind, die diese Sicht vertreten.