Nach den Kommunalwahlen in der Türkei: Kurdischer Hoffnungsschimmer
In Van wollte die Wahlbehörde dem Kurden Abdullah Zeydan das Amt als Bürgermeister verweigern. Nach landesweiten Protesten knickte sie nun ein.
taz | Die Proteste zeigten Wirkung: Am Mittwoch revidierte die Wahlbehörde in der türkisch-kurdischen Stadt Van die Entscheidung, dem Politiker Abdullah Zeydan von der kurdischen Partei DEM das Amt als Oberbürgermeister zu verweigern. Zeydan gewann am 31. März mit über 55 Prozent der Stimmen die Wahl als Co-Oberbürgermeister, gemeinsam mit seiner Parteikollegin Neslihan Şedal. Zeydan wurde allerdings die Ernennungsurkunde verweigert – sein Konkurrent, der Kandidat der AKP, der nur etwa 27 Prozent der abgegebenen Stimmen bekam, sollte Oberbürgermeister werden.
In Van sowie in anderen überwiegend kurdisch bewohnten Städten im Südosten des Landes, aber auch in Istanbul und Izmir kam es im Anschluss zu Protesten. Am Mittwoch wurde Zeydan nun doch zum Oberbürgermeister ernannt. In oppositionellen Kreisen sorgte die Entscheidung für Erleichterung und Freude.
Die Begründung, Zeydan keine Urkunde zu geben, lautete, dass sein passives Wahlrecht zwei Tage vor den Wahlen aufgehoben worden sei. Dies mache seine Kandidatur ungültig. Der Entscheidung der Wahlbehörde lag eine frühere Verurteilung Zeydans zugrunde. Ihm wurden 2016 Unterstützung einer Terrororganisation und Terrorpropaganda vorgeworfen. Er wurde insgesamt zu mehr als acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, verbrachte etwas mehr als fünf Jahre im Gefängnis. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung 2022 hatte Zeydan seine Strafe bereits abgesessen. Vom zweiten Vorwurf wurde er freigesprochen. 2023 entschied ein Strafgericht, dass er erneut gewählt werden dürfe.
Abdullah Zeydan wurde 1972 in Yüksekova, Hakkâri im Südosten der Türkei geboren. Bis zu seinem Studium an der privaten Internationalen Amerikanischen Universität auf Zypern lebte er in Yüksekova. Er arbeitete mehrere Jahre als Architekt und Bauunternehmer. 2012 verließ er seine ehemalige Partei AKP, wechselte zu der sozialdemokratischen BDP. Der Vater dreier Kinder wurde 2015 als Abgeordneter der kurdisch-linken Partei HDP gewählt. 2016 wurde seine Immunität aufgehoben, er wurde verhaftet.
Gesicht der kurdischen Freiheitsbewegung
Der kurdische Politiker war in Edirne im Westen der Türkei inhaftiert, gemeinsam mit seinem ehemaligen Parteikollegen Selahattin Demirtaş. Ein Foto der beiden im Gefängnishof, lächelnd spazierend, kursierte damals im Netz und in den Medien. Das Bild war für viele eine Quelle der Hoffnung, da es stellvertretend für die kurdische Freiheitsbewegung gelesen wurde, die sich trotz der Repression des türkischen Staats nicht unterkriegen lässt. Ihm wurde damals auch die Teilnahme an der Beerdigung eines PKK-Kämpfers und laut seiner Schilderung eine aus dem Zusammenhang gerissene Äußerung zur Last gelegt.
Im Zuge eines türkischen Luftangriffs gegen die PKK in Nordirak 2015 sagte der Politiker: „Die PKK ist eine Friedens- und Volksbewegung, die zum Ziel hat, die Türkei und den Nahen Osten in einen Rosengarten zu verwandeln. Wenn die PKK die Türkei nicht in einen Rosengarten verwandeln wollte, hätte die PKK die Macht, sie mit ihrer Spucke zu ersticken.“
Van, wo Zeydan jetzt als Oberbürgermeister wirken soll, wurde von der AKP in den vergangenen zwei Legislaturperioden unter Zwangsverwaltung gestellt. Im Zuge der dramatischen Niederlage der AKP und dem Sieg der Opposition bei den Kommunalwahlen am 31. März stimmen die Nachrichten aus Van viele Menschen in der Türkei hoffnungsvoll. Allerdings könnte die AKP die Auseinandersetzung auch während seiner Amtszeit fortführen und Zeydans Legitimität weiter infrage stellen.
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