Nach dem UN-Gipfel: Der Wert des Klimas
Die Staaten schicken kaum noch Umweltminister zu den Verhandlungen, eher kommen Wirtschaftsvertreter. Gerettet wurde weniger das Klima als der UN-Prozess.
CANCÚN taz | Nachdem im mexikanischen Badeort Cancún bereits 2003 die Welthandelsrunde gescheitert war, deutete auch bei der UN-Klimakonferenz bis kurz vor Schluss vieles auf ein trauriges Ende hin. Es kam anders. Und es gibt wieder Bewegung im Klimaschutz.
Doch der Eindruck, dass in Cancún die Wirtschaft gescheitert ist und die Umwelt triumphiert hat, täuscht. In Wahrheit macht sich die ökonomische Logik auch im ökologischen Ansatz der internationalen Klimaverhandlungen breit. Europäische Länder leisten sich noch den Luxus, ihre Umweltminister zu den Verhandlungen zu schicken, doch aus anderen Regionen kommen längst Gesandte des Außenministeriums oder des Wirtschaftsministeriums oder gleich das Ölministerium.
Trotz aller Erfolgsmeldungen hat Cancún bestätigt, dass sich die großen Blöcke nur millimeterweise bewegen. Die großen Verschmutzer USA und China haben sich beispielsweise nicht konkret verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Es hat sich bereits in Kopenhagen gezeigt: Effizienter Klimaschutz ist mit den Mitteln der UN-Diplomatie nicht zu machen.
Weder die USA noch die Schwellenländer können der europäischen Idee der Selbstbeschränkung durch internationale Verträge etwas abgewinnen. Und bei allen ist die Einsicht verbreitet, der ressourcenfressende American Way of Life sei das Maß aller Dinge. Kopenhagen brachte die Einsicht, dass es mit einem verbindlichen Vertrag nicht getan ist, an den sich alle halten und so das Problem aus der Welt schaffen. Cancún bringt jetzt eine Ahnung, wo die Musik beim Klimaschutz künftig spielen wird: weniger bei der Politik als bei der Wirtschaft. Handel statt Verhandlung ist die Devise.
Ausgerechnet Bundesumweltminister Norbert Röttgen gab in Cancún diese Melodie vor: "Wir sehen den Klimawandel nicht als Bedrohung, sondern als Chance", erklärte der Minister. "Greentech" habe Deutschland aus der Krise geholt, Hightech werde das grüne Wachstum weltweit und zu Hause ankurbeln. Und wie die Bekämpfung des Klimawandels zum Businessplan gerät, ließ sich an vielen Punkten sehen.
Vor der Konferenz drängten wieder hunderte von multinationalen Konzernen im "Cancún Communiqué" auf effektiven Klimaschutz, weil sie andernfalls ihre Märkte bedroht sehen. Die Weltbank warb in vielen Veranstaltungen für grünes Investment und will auch die Wälder mit handelbaren Emissionszertifikaten belegen. Die Internationale Energieagentur (IEA), ursprünglich die Urlobby der fossilen Brennstoffe, warb eindringlich für Klimaschutz mit einem Kostenargument: Allein die Verzögerung durch Kopenhagen koste die Welt 1 Billion Dollar.
Am meisten beschäftigte die Experten aber die Frage, wie die großen Wirtschaftsblöcke die Märkte der Zukunft aufteilen. "Ich befürchte, dass die Europäer bei den Märkten für erneuerbare Energien und Effizienz hinter die Chinesen zurückfallen, wenn sie ihre Klimaziele nicht erhöhen", sagt ein Insider aus der UN-Klimabehörde. Bereits jetzt baut China jede zweite Windkraftanlage weltweit.
Andere verbreiten das Gerücht, dass die Chinesen die Klimaverhandlungen so lange verzögern, bis sie mit den neuen grünen Industrien international konkurrieren können, um dann von strikten Regelungen zu profitieren. Und auch Umweltschützer sind nicht böse, dass sich der Klimawandel aus der Ökologie- in die Ökonomieecke bewegt: "Das zeigt, dass die Energierevolution nicht mehr aufzuhalten ist", sagt ein Greenpeacer.
Wenn man für Klimaschutz nicht mehr zahlen muss, sondern damit Geld verdient, ändern sich natürlich die Interessen. Andrew Light vom US-Thinktank Center for American Progress versucht schon lange, die US-Ökonomie zu dieser Sichtweise zu bringen. Die US-Wirtschaft ist in einer prekären Lage: Durch die Konzentration auf fossile Brennstoffe hat GreenTech dort nicht den Stellenwert wie in Europa oder China. Die USA könnten zu den großen Verlierern einer solchen Umstellung gehören.
Wo allerdings die ökonomische Logik herrscht, fallen all jene hinten herunter, die nicht mithalten können, warnen die Hilfswerke. Wenn der Klimawandel "nicht mehr als Problem gesehen" wird, wie Norbert Röttgen sagt, geraten schnell die aus dem Blick, die massive Probleme mit Unwettern und Trockenheit haben. Denn der Klimawandel schlägt nicht zuerst in den Konzernzentralen von Europa oder Amerika zu, sondern in den Armenvierteln der Entwicklungsländer. Selbst vom Anstieg des Meeresspiegels sind zuerst die Armen betroffen, wie neue Studien zeigen, denn auf der Südhalbkugel steigt das Wasser deutlich höher als im Norden.
Die Klimakonferenzen werden weitergehen. Es müssen dicke Bretter gebohrt werden. Eine Alternative dazu ist nicht in Sicht. Aber die rasend schnelle Veränderung des Klimas jenseits der klimatisierten Luxushotels und der Hunger der Ökonomie nach den Märkten von morgen werden diesem Prozess weit vorauseilen. Für die UN bleibt noch eine Rolle wie bei anderen internationalen Konflikten: für die Opfer zu sorgen, während die Entscheidungen anderswo fallen. So könnte Business as usual im Klimawandel aussehen.
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