Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg: Blumen und Kerzen und Hetze
Trauer um die Opfer der tödlichen Messerattacke eines 28-jährigen Afghanen. CDU-Kanzlerkandidat Merz versucht die Tat für den Wahlkampf zu nutzen.
Am Mittwoch hatte ein 28-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan in diesem Park einen kleinen Jungen und einen Mann mit einem Messer erstochen. Drei weitere Menschen wurden ebenfalls verletzt.
„Die Stimmung ist sehr ernst, und die Leute sind sehr schockiert“, sagt die Seelsorgerin Eva Meder-Thünemann, die seit Donnerstag vor Ort Hilfe und Gespräche anbietet. „Vor allem die Kinder sind sehr betroffen“, fügt sie hinzu.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kündigte als Reaktion auf die Tat an, am ersten Tag seiner möglichen Kanzlerschaft werde er die deutschen Grenzen für alle Geflüchteten schließen. Zurückweisungen solle es „ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch“ geben. Außerdem forderte Merz zeitlich unbegrenzte Abschiebehaft zu ermöglichen. Diese Positionen seien Bedingung für eine künftige Koalition nach der Bundestagswahl am 23. Februar. „Kompromisse sind bei diesen Themen nicht möglich.“
Im Kern fordert die Union dies schon länger, neu ist lediglich die Ankündigung, dies am ersten Tag umzusetzen. Dies erinnert an US-Präsident Trump, der am ersten Tag seiner zweiten Amtsperiode den nationalen Notstand an der Grenze zu Mexiko ausgerufen hatte.
Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, es brauche einen „Aufnahmestopp und Grenzschließung für illegale Migration“ Es gebe „ein Kernversagen“ in der Bundesregierung. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) müsse „noch heute“ nach Afghanistan fliegen, um über Abschiebungen zu verhandeln. Die in Afghanistan herrschenden Taliban werden von der Bundesrepublik nicht anerkannt. Söder kündigte zudem an, die Regelungen für Einweisungen in Psychiatrien zu „härten“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte sich den Unionsforderungen am Donnerstag entgegen. Sie sehe keinen Bedarf für weitere Gesetzesverschärfungen, Merz Vorschläge für Zurückweisungen seien nicht mit dem Europarecht vereinbar. Die Zahl der neuen Asylanträge sei bereits massiv gesunken, das sei ein Erfolg der Grenzkontrollen, die es ohnehin schon gebe. Es sei an den Bundesländern, die Möglichkeiten auszuschöpfen.
Bei der Frage nach Behördenversagen schieben sich Bund und Länder bislang gegenseitig die Verantwortung zu. Faeser nannte Söders Wortmeldungen „befremdlich“ und betonte, die bayerischen Behörden hätten auf vorangegangene Gewalttaten des Täters nicht reagiert und so dafür gesorgt, dass er auf freiem Fuß blieb. Der Mann war im Vorfeld der Tat bereits drei Mal mit Gewaltdelikten aufgefallen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte am Donnerstag, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe die bayerischen Behörden zu spät informiert, dass Bulgarien für den Asylantrag des Täters zuständig war. Die Frist für eine Abschiebung sei schon fast abgelaufen gewesen, als man davon zum ersten Mal erfahren hätte.
Der Täter wollte freiwillig ausreisen
Der 28-jährige Täter war laut Behörden im Herbst 2022 über Bulgarien nach Deutschland gekommen, Anfang 2023 stellte er einen Asylantrag. Im Dezember 2024 brach der Mann sein Asylverfahren dann selbst ab, seitdem war er ausreisepflichtig. Den lokalen Behörden kündigte er an, freiwillig auszureisen. Dass der Mann seine Ankündigung nicht in die Tat umsetzte, lag wohl auch daran, dass er die dafür benötigten Papiere vom afghanischen Generalkonsulat bisher nicht erhalten hatte.
Der Mann lebte laut Polizei zuletzt in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete in der Gegend von Aschaffenburg. Das Gebäude wurde bereits am Mittwoch durchsucht, die Ermittler*innen fanden offenbar Medikamente gegen psychische Krankheiten. Landesinnenminister Herrmann legte am Donnerstag eine schizophren-paranoide Störung nahe. In der Folge seiner Gewalttaten war der Mann jeweils in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht, wurde aber immer wieder entlassen. Seit Dezember 2024 hatte er wegen seiner psychischen Probleme eine gesetzliche Betreuerin.
Leo Teigler von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer kritisiert die mangelhafte Versorgungslage für psychisch kranke Geflüchtete: Bundesmittel seien zuletzt um die Hälfte auf 7 Millionen Euro gekürzt worden. „Die Kapazitäten, die eigentlich gebraucht würden, um den Bedarf an Unterstützung zu decken, sind finanziell überhaupt nicht abgesichert.“ Studien zeigten, dass rund 30 Prozent der Geflüchteten eine posttraumatische Belastungsstörung hätten. Aber man könne nur rund 3 Prozent davon adäquat versorgen.
Morddrohungen an Sprecher der Initiative „Aschaffenburg bleibt bunt“
Rechte Gruppierungen und auch die AfD nutzen den Angriff inzwischen bereits für ihre Hetze gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund.
Axel Teuscher, Sprecher der Initiative „Aschaffenburg bleibt bunt“, die immer wieder Proteste gegen rechts organisiert, berichtet der taz, dass er seit Mittwochabend seine sozialen Medien deaktivieren musste. Sein Postfach sei seit dem Angriff mit Morddrohungen überfüllt.
Für Donnerstagabend rief die Initiative zu stillem Gedenken in der Innenstadt auf – ohne Plakate oder Redebeiträge, nur mit Kerzen. „Lasst uns angesichts des Schreckens und der Trauer in dieser schweren Zeit Rücksichtnahme, Solidarität und Zusammenhalt zeigen“, heißt es in einer Mitteilung der Initiative. „Es ist unser stärkstes Mittel gegen den Hass.“
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