Nach dem Geiseldrama in Sydney: Viel mehr Polizei
Der Iran wirft der australischen Regierung schwere Versäumnisse vor. Warnungen vor dem Täter seien ignoriert worden. Premier Abbot verspricht Aufklärung.
SYDNEY afp | Nach dem Geiseldrama in Sydney hat Australiens Premierminister Tony Abbott eine transparente Untersuchung versprochen. Es werde einen Bericht zu den Umständen der mutmaßlich islamistisch motivierten Geiselnahme geben, der „für jeden“ zugänglich sein müsse, sagte Abbott am Mittwoch dem Radiosender ABC. Der Iran warf den australischen Behörden vor, Warnungen vor dem Täter ignoriert zu haben. In Sydney wurden derweil die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.
Der Geiselnehmer, ein Iraner namens Man Haron Monis, war der Polizei des Staates New South Wales sowie der Bundespolizei und den Sicherheitsdiensten bekannt, stand aber trotzdem nicht unter konkreter Beobachtung. „Wir möchten wissen, weshalb er nicht beobachtet wurde“, sagte Abbott über den 50-jährigen Bewaffneten. Das Sicherheitssystem sei mit dem Mann ganz offenbar nicht „angemessen umgegangen“. Daran bestehe kein Zweifel und das sei der Grund dafür, weshalb Lehren aus der Geiselnahme gezogen werden müssten.
Abbott versprach, die australische Bevölkerung bei der Untersuchung einzubeziehen. Die Öffentlichkeit werde „Zugang“ zu ihm selbst und zur Regierung haben, sagte er. Der Geiselnehmer war mehrfach vorbestraft und als Verdächtiger nach der Ermordung seiner Ex-Frau nur auf Kaution frei.
Der iranische Vize-Außenminister Ebrahim Rahimpur warf Abbotts Regierung schwere Versäumnisse vor. Angesichts der kriminellen Vergangenheit des Geiselnehmers habe Teheran die australischen Behörden mehrfach vor ihm gewarnt. „Wir haben ihnen Informationen geliefert und darum gebeten, ihn unter Beobachtung zu stellen, aber leider haben sie dies nicht beachtet“, erklärte Rahimpur.
Drama im Lindt-Café
Der Bewaffnete hatte am Montagvormittag (Ortszeit) in einem Lindt-Café am Martin Place im Zentrum von Sydney 17 Geiseln genommen, von denen sich einige im Laufe des Tages befreien konnten. In der Nacht zum Dienstag stürmte die Polizei das Café. Im Zuge des Dramas wurden der Geiselnehmer sowie zwei Geiseln getötet und mehrere weitere verletzt.
Als Konsequenz aus der über 16 Stunden langen Geiselnahme herrschten in Sydney am Mittwoch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Hunderte zusätzliche Polizisten waren an öffentlichen Plätzen und im Nahverkehr im Einsatz. Einsatzleiter Michael Fuller sagte, es sei wichtig, dass die Bevölkerung sich in diesen „schwierigen Zeiten“ sicher fühle und die Polizei in der Nähe wisse.
Trauer um Opfer
Es gehe den Beamten vor allem um eine „sichtbare“ starke Polizeipräsenz, sagte der Beamte. Derzeit sind wegen der anstehenden Weihnachtsfeiertage und der Silvester-Feierlichkeiten zahlreiche Touristen in der Stadt. Fuller sagte weiter, es gebe keinen Grund anzunehmen, dass sich solch eine Tragödie wiederhole. „Aber wir alle haben die Gesichter der Menschen am Martin Place gesehen und sie haben Angst.“
Der Platz liegt mitten im Finanz- und Geschäftsbezirk von Sydney. Auch am Mittwoch gingen wieder viele Menschen dorthin, legten Blumen und Briefe nieder und trauerten um die Opfer. Eine Passantin verteilte Taschentücher an die Menschen. Die Stimmung sei sehr emotional und „überwältigend“, sagte Cat Delaney.
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