Nach dem Brand im Rauch-Haus: Feuer aus - und alle Fragen offen
Bei einem Brand im Georg-von-Rauch-Haus werden 12 Menschen verletzt. Die Polizei vermutet Brandstiftung.
Von Beschaulichkeit kann am zweiten Weinachtsfeiertag im Georg-von-Rauch-Haus keine Rede sein. Einen Tag, nachdem am frühen Morgen des 25. Dezembers ein Brand in dem alternativen Wohnprojekt ausbrach, müssen sich die Bewohner noch von dem Schock erholen. In Einkaufswagen und Kartons schleppen sie ihre Habseligkeiten aus Gebäude, manche haben sich einen Schal vor den Mund gebunden. Ein scharfer Gestank nach Rauch und verschmortem Plastik füllt das Gebäude, Asche hat den Eingangsbereich, die Decken und Wände schwarz gefärbt.
"Die Feuerwehr hat uns gesagt, das Gebäude sei nicht einsturzgefährdet, wir können weiter hier wohnen," sagt ein Bewohner. "Aber der Aschestaub ist giftig. Ich habe heute hier geschlafen, das war wohl keine gute Idee." Am schwarzen Brett hängt ein Zettel des Hausprojektes Köpi: Die Bewohner seien willkommen, dort am Abend hinzukommen, es gebe warmes Essen, Schlafplätze stünden bereit.
Solidarität aus der linken Szene gibt es viel - ebenso wie Mutmaßungen über mögliche politische Hintergründe des Brandes. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, im Internet wird bereits über einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat diskutiert. "Wir müssen unseren Schutz selbst in die Hand nehmen und den Nazis zeigen, was Sache ist", kommentiert ein User auf dem linken Portal indymedia. Die Bewohner selbst wollen sich vorerst nicht äußern. Am Abend soll zunächst ein Plenum stattfinden, auf dem das weitere Vorgehen abgesprochen wird.
Gegen 6.30 Uhr morgens war am ersten Weihnachtsfeiertag das Feuer in dem mehrstöckigen Gebäude ausgebrochen - die rund 40 Bewohner sowie zahlreiche Gäste einer Weihnachtsfeier am Vorabend wurden im Schlaf überrascht. Das Feuer brach gleichzeitig im Keller und im Treppenhaus aus, dort begann die "Freebox" zu brennen, eine Art Tauschladen für Gegenstände die umsonst mitgenommen werden können. In dieser lag auch eine Matratze. Die Sogwirkung im Treppenhaus verteilte den Rauch rasch im ganzen Haus. Als die Feuerwehr kurz vor 7 Uhr eintraf, herrschte bereits Chaos: Menschen riefen aus den Fenstern um Hilfe, anderen rannten in Panik vor dem Gebäude umher. Zwei Männer waren bereits aus dem ersten Stock gesprungen und hatten sich schwer verletzt. Die Feuerwehr rettete 26 Menschen, darunter mehrere Kinder, aus dem brennenden Gebäude, einige über Leitern und Drehleitern. 10 Menschen mussten wegen Rauchvergiftung ärztlich behandelt werden, darunter zwei Kleinkinder. Am Montag waren Bewohnern zufolge noch drei Personen im Krankenhaus, eine schwangere Frau aufgrund der erlittenen Rauchvergiftung sowie die beiden Verletzten, die sich Arme und Beine gebrochen hatten.
Die Kriminalpolizei hält eine Brandstiftung für wahrscheinlich. Es sei ungewöhnlich, dass ein Feuer an zwei Stellen zeitgleich ausbreche. Polizeibeamte haben am Sonntag mit der Spurensicherung begonnen, sie untersuchen unter anderem, ob Brandbeschleuniger verwendet wurden. Dazu lagen laut einem Sprecher am Montag noch keine Erkenntnisse vor. Auch wenn keine Einsturzgefahr besteht - der Brand hat schwere Schäden verursacht. Fenster zersprangen, Elektrizitätsleitungen und Teile der Wohnungen sind zerstört.
Das Georg-von-Rauch-Haus wurde 1971 besetzt, der Song "Das ist unser Haus" der Band Ton Steine Scherben machte es zum Symbol der Hausbesetzerbewegung. Bis heute wird es als Wohnprojekt genutzt. Das Gebäude gehört zum ehemaligen Krankenhaus Bethanien, in dessen Hauptgebäude bezirkliche Einrichtungen, ein Restaurant und Ausstellungsräume untergebracht sind. Im Südflügel befindet sich mit der "NewYorck" ein weiteres linkes Projekt. In dessen Treppenaufgang war es im Oktober 2008 ebenfalls zu einem Brand gekommen, der jedoch ohne Schäden gelöscht werden konnte. Auch damals ging die Polizei von Brandstiftung aus, in der linken Szene kursierte die Vermutung, Rechtsextreme hätten das Feuer gelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?