Nach dem Atomausstieg: Wenn Energielobbyisten feiern
Energieversorger schmeißen ihre Sommerfeste für Politiker, Bosse und Journalisten - wie jedes Jahr. Doch für wen lohnt sich die Energiewende am meisten?
BERLIN taz | Wenigstens das Wetter ist der Energie Baden-Württemberg (EnBW) derzeit wohlgesinnt. In Berlin unterhält der schwäbische Energieversorger eine eigene Repräsentanz mit einer weiträumigen Dachterrasse.
Als dort vergangene Woche Minister, Staatssekretäre, Bundestagsabgeordnete, Manager, Mitarbeiter und Journalisten beim alljährlichen Sommerfest des Konzerns auf weißen Sofas bei Streichmusik, Wein und Fleischspießen plauschten, trübte kein Wölkchen den Himmel. Trotzdem war die Stimmung eher bescheiden: "Die Beschlüsse des Bundeskabinetts treffen uns sehr hart", hatte Konzernchef Hans-Peter Villis zur Eröffnung gesagt - der Konzern unterhält vier Atommeiler.
Es ist die Zeit der Sommerfeste in Berlin. Jedes Jahr gibt es diese Saison der politischen Landschaftspflege durch die Wirtschaft. Nach der EnBW feierte RWE am Donnerstag im Haus der Kulturen der Welt, die Windkraftindustrie folgt diese Woche. In diesem Jahr geht es für die Wirtschaft um besonders viel: um die Frage, wer wie viel an der Energiewende verdient.
Zwar hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche den Atomausstieg bis 2022 beschlossen, ebenso die Gesetze für die Energiewende. Noch allerdings muss das Paket durch das Parlament und den Bundesrat. Genau in dieser Phase der Detailarbeit können noch wichtige Änderungen einfließen. Jeder Verband feilscht um seine Interessen - und versucht, die Gesetze noch in seinem Sinne zu verändern.
Eine kleine Änderung im Gesetz kann Millionen bringen
Beispielsweise das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien: Der Bundesverband Windenergie etwa will mehr Geld für Windkraftanlagen an Land herausschlagen, der Verein der Zuckerindustrie will eine höhere Vergütung für Strom aus Rübenresten, die Solarwirtschaft eine Förderung von kleinen Energiespeichern, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft will, dass die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept Kohlekraftwerke besser würdigt. Insgesamt 32 Verbände und Experten brachten jüngst bei einer Anhörungen im Umweltausschuss des Bundestags ihre Wünsche vor, viele drücken den Parlamentariern gleich neue Formulierungen für die Gesetze in die Hand. Eine kleine Änderung im eigenen Sinne bringt bisweilen Millionen ein.
Das allerdings sind die normalen, legitimen Wege der Gesetzgebung. Perfider ist die Dachterrassensaison. Ob sich am Ende der Interessenverband durchsetzt, dessen Vertreter mit den wichtigen Ausschussvorsitzenden des Bundestags in einer lauen Sommernacht ein Bier getrunken haben, lässt sich am Ende kaum entwirren. Falsch scheint das Vorgehen aber kaum zu sein: Fast jeder Verband, der die Mittel dazu hat, versucht es über die persönliche Schiene.
Beim Deutschen Bundestag haben sich derzeit 2.110 Verbände freiwillig registrieren lassen, die Lobbyarbeit in Berlin machen - da sind mehr als drei Institutionen pro Parlamentarier, mit 5.000 Mitarbeitern allein in Berlin. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow hat im vergangenen Jahr in seltener Offenheit seine Erlebnisse mit dieser Armada publiziert. Er schreibt: "Die Überflutung von uns Abgeordneten mit Unternehmensargumenten und Lobbyinteressen ist immens. Keiner bleibt davon unbeeindruckt.
Gut bezahlte Lobbyisten verstehen ihr Handwerk. Sie sind bestens ausgebildet, rhetorisch geschickt, immer freundlich und zuvorkommend. Sie schaffen - gerne bei einer Essenseinladung - eine gute Gesprächsatmosphäre und tasten sich nicht plump und direkt, sondern stets behutsam zum Kern ihres Anliegens vor." Auf dem Dach der EnBW und im Haus der Kulturen der Welt war die Atmosphäre jedenfalls entspannt. Anfang Juli werden die Gesetze zur Energiewende verabschiedet.
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