Nach dem Anschlag in Tunesien: Im Fadenkreuz des IS
Tausende Urlauber wurden nach dem Anschlag aus Tunesien ausgeflogen. Präsident Essebsi reagiert mit einem Notfallplan auf den IS-Terror.
Tausende Urlauber wurden von den Reiseveranstaltern übers Wochenende panikartig in ihre Heimat ausgeflogen. Vielerorts kam es zu spontanen Demonstrationen gegen den islamistischen Terror und für ein freies, demokratisches Tunesien.
„Der Krieg betrifft nicht nur Armee und Polizei (…) er betrifft die gesamte Bevölkerung“, erklärte der säkulare, liberale Staatspräsident Béji Caïd Essebsi. Nur Stunden nach dem Blutbad erließ er einen Notfallplan mit 13 Maßnahmen. Unter anderem sollen 80 nichtoffizielle Moscheen, in denen radikale Prediger am Werk sind, geschlossen werden. Parteien und Organisationen, „die die Verfassung nicht respektieren“, werden untersucht. Und nach der Sommerpause werden Parteien und Zivilgesellschaft zu einem „Nationalen Kongress gegen den Terrorismus“ gerufen.
Doch die Maßnahmen kommen nicht überall gut an. Rachid Ghannouchi, Chef der islamistischen Partei „Ennahda“, die nach dem Sturz der Diktatur 2011 für zwei Jahre die Übergangsregierung stellte, warnt davor, dass der Polizeistaat die Freiheiten einschränken könne. Er fürchtet wohl um islamistische Organisationen zwischen seiner Partei und dem radikalen Lager.
Die Grenze zu Libyen kontrollieren
Für Präsident Essebsi kam der Anschlag alles andere als überraschend. Bereits vor einigen Wochen warnte er in einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender ZDF: „Der Islamische Staat ist in Libyen fest verankert. Und die nächste Beute nach der Strategie des IS ist: Tunesien.“ Immer wieder waren tunesische Einrichtungen und Bürger Ziel von Anschlägen und Entführungen im Nachbarland Libyen geworden. Tunis hat mittlerweile seine diplomatische Vertretung aus Tripolis abgezogen.
Libyen ist nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi im Oktober 2011 mit Hilfe von Nato-Luftangriffen völlig zerfallen. Die Regionen werden von lokalen Milizen kontrolliert, zwei Regierungen streiten um die Macht im Land. Seit Ende 2014 ist ganz offiziell der „Islamische Staat“ (IS) in der libyschen Wüste aktiv. Ziel: das Kalifat vor den Toren Europas auszubauen. 3.000 tunesische Kämpfer haben sich –so die Behörden – dem IS in Syrien, dem Irak und auch in Libyen angeschlossen. Immer wieder werden Waffenschmuggler an Tunesiens Grenze verhaftet.
Dennoch sind große Mengen Kriegsmaterial eingesickert. Dort kämpfen in einer Bergregion an der Grenze zu Algerien seit über zwei Jahren Milizen gegen die tunesische Armee und Gendarmerie. Erst vergangene Woche wurde das Gebiet einmal mehr großflächig von der Luftwaffe bombardiert. Jetzt wird Essebsi, als eine seiner Maßnahmen, die gesamte Bergregion zum militärischen Sperrgebiet erklären. Reservisten werden zurück zur Armee gerufen. Die Grenze zu Libyen soll mit 15.000 Mann kontrolliert werden.
Finanzielle Unterstützung aus den USA
Essebsi sucht internationale Verbündete. Noch nicht einmal ein Jahr im Amt, traf er sich bereits mit seinem algerischen Amtskollegen Abdelaziz Bouteflika, mit europäischen Regierungen und mit US-Präsident Barack Obama. Dieser brachte im US-Kongress einen Antrag ein, dem kleinen nordafrikanischen Land mit über 130 Millionen Dollar unter die Arme zu greifen.
Die Hälfte des Betrages – einige Experten in Washington sprechen gar von 80 Prozent – wird für die Aufrüstung der tunesischen Armee und Polizei sein. Militärfahrzeuge, ein Patrouillenboot, und ein Dutzend hochmoderner Kampfhubschrauber made in USA sollen bald zum Einsatz kommen. Tunesien wird damit zu einem der wichtigsten Partner der USA und der Nato in der Region.
Die Sicherheitsbehörden haben in den letzten Monaten eine der wichtigsten radikalen Organisationen, die Ansar al-Scharia, weitgehend zerschlagen. Rund 1.000 meist junge Tunesier wurden festgenommen, andere flohen zu den Kämpfern in den Bergen an der algerischen Grenze, wieder andere dürften heute irgendwo in den Reihen des IS oder von al-Qaida kämpfen. Am meisten fürchten die Behörden diejenigen, die nicht enttarnt wurden und als Schläfer irgendwo einen Anschlag ausbrüten – wie den von Sousse.
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